Der Titel seines Buches, das 1987 erschienen ist, spricht Bände. «Ich bin ein bunter Hund», steht in dicker roter Schrift. Darin beschreibt sich Rudi Gutendorf wie folgt: «Die Leute nennen mich Rudi den Rastlosen, den Globetrotter, einen modernen Goldgräber unserer Zeit. Keiner weiss, dass ich einen einsamen Weltrekord halte. Als einziger Trainer habe ich auf allen fünf Kontinenten gearbeitet. Gelebt, geliebt und manchmal auch geweint.»
Tatsächlich hat es die Trainerlegende ins Guinnessbuch der Rekorde geschafft. 32 Nationalteams und 55 Vereinsmannschaften hat er trainiert. Da kann kein anderer Übungsleiter mithalten. In Chile ist er an der Seitenlinie, in Bolivien, Trinidad und Tobago, auf den Fidschi- Inseln, in Nepal, auf Tonga, in Australien, China oder Ruanda – um nur einige seiner Stationen zu nennen.
Auch in der Schweiz hinterlässt Gutendorf, der 1926 in Koblenz auf die Welt gekommen ist, seine Spuren. 1955 heuert er bei den Blue Stars in Zürich an. Danach arbeitet er fünf Jahre für den FC Luzern, steigt 1958 in die damalige NLA auf, holt zudem 1960 den Cup und damit die erste bedeutende Trophäe für die Innerschweizer. Sein Captain damals: Paul Wolfisberg. «Rudi war einer der besten Trainer meiner Meinung nach, noch besser als ich», erinnert sich «Wolf», der heute 86-jährige, legendäre Nati-Coach.
Training um halb sechs
Nach den Erfolgen in Luzern startet Gutendorf seine Weltreise. Und unterhält dabei Medien und Fans mit Sprüchen und Aktionen. Die Schalke-Profis lässt er morgens um halb sechs am Bergwerk vorbeilaufen. Damit sie nicht vergessen, woher der Verein stammt. Und wenn er sich vor Spielen nicht entscheiden kann, wer in der Startelf stehen soll, lässt er seine Profis Abstösse vom Fünferraum schiessen. Wer am weitesten kommt, spielt von Anfang an.
1981 betreut er die Nationalteams von Nepal, Tonga und Tansania gleichzeitig – nebenbei trainiert er ausserdem eine tansanische Klubmannschaft.
Seine letzte Trainerstation ist 2003 die U23 Samoas. Danach steht er nicht mehr an der Seitenlinie. Als er mit 86 Jahren von einem Journalisten gefragt wird, ob er gerne noch coachen würde, antwortet Gutendorf: «Wenn mich heute ein Erst- oder Zweitligaklub bitten würde, würde ich ihn sofort übernehmen!»
Gutendorf, ein bunter Hund. Ein Weltenbummler. Eine Legende. Am Samstag kommt die traurige Nachricht. Im Alter von 93 Jahren ist Gutendorf gestorben. «Wir verlieren in ihm jemanden, der uns durch sein grosses Herz und Positivität jeden Tag bereichert hat», schreibt seine Familie. Auch der FC Luzern trauert. «Mit grossem Bestürzen haben wir vom Tod unseres ehemaligen Trainers erfahren. Unsere Gedanken und Mitgefühl in dieser schwierigen Zeit sind bei der Familie und den Angehörigen. Ruhe in Frieden, Rudi.»