Philipp Degen:
«Ich würde auch für 3000 Franken spielen»

Philipp Degen (28) unterschrieb bei Liverpool einen Traum-Vertrag. Hier erzählt er, warum Geld nicht glücklich macht.
Publiziert: 03.07.2011 um 01:08 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 20:43 Uhr
Von Andreas Böni

Philipp Degen, Sie verdienen über vier Millionen Franken im Jahr, liegen in der SonntagsBlick-Rangliste auf Platz drei. Macht das stolz?
Philipp Degen:
Nein, wieso? Mein einziger Wunsch ist es, wieder auf dem Platz zu stehen und endlich gesund zu sein. Wenn du deinen Job nicht machen kannst, hilft dir alles Geld der Welt nichts.

Wie kam dieser Wahnsinnsvertrag zustande?
Ich wechselte 2008 ablösefrei von Dortmund zu Liverpool. Dass man für mich keine Ablösesumme zahlen musste, hatte also sicher einen Einfluss. In diesem Geschäft sind solche Summen normal. Bei Liverpool werden hohe Gehälter bezahlt, ich bin hier einer von den Kleinverdienern. Der Klub hat gerade jetzt 40 Millionen Franken nur für die Ablöse von zwei Spielern investiert.

Ist Geld auch eine Wertschätzung?
Klar ist es auch Wertschätzung für deine Leistung. Ich bin aber nicht Fussballer des Geldes wegen. Sondern weil es meine Leidenschaft ist. Es gibt sicher den einen oder anderen, der es wegen des Geldes macht. Ich nicht. Ich würde diesen Job auch machen, wenn ich 3000 Franken im Monat verdienen würde. Die Lohnentwicklungen im Sport sind generell «ungesund», aber die Ursachen dafür liegen Jahrzehnte zurück – der Fall Bosman. Ich habe die letzten drei Jahre so vieles durchgemacht, da ist dir Geld völlig egal.

Sie sprechen Ihre Verletzungen an.
Ja, ich war zu den Bestzeiten vielleicht mal drei Wochen am Stück fit. Ein Loch im Herzen, Leistenoperation, Pfeiffersches Drüsenfieber – diese Sachen haben mich menschlich unglaublich mitgenommen. Die zwei Jahre in Liverpool, das Jahr in Stuttgart, ich habe nur gelitten. Ganz ehrlich. Da steckt man auch viel ein und das braucht enorm viel Kraft.

Was konkret?
Zum Beispiel, dass die Leute sagen: Der verdient so viel und ist immer verletzt. Und du kämpfst und kämpfst und kämpfst, um endlich wieder ein Erfolgserlebnis zu haben. Da kommt ein psychischer Druck dazu, der dich emotional sehr berührt – und damit habe ich auch zu kämpfen.

Oder es gab in Deutschland Zeitungen, die Sie als Fehltransfer des Jahres einstuften.
Damit musst du leben, auch dafür werde ich bezahlt. So ist das Fussballgeschäft. Es gibt nur noch top oder Flop, nichts dazwischen. Damit habe ich mich abgefunden. Ich habe sechs anständige Spiele für Stuttgart gemacht, war dann verletzt. Wie soll ich da der Fehltransfer des Jahres sein?

Sie haben in drei Jahren sieben Premier-League-Spiele für Liverpool und sechs Partien für Stuttgart gemacht. Bekommt man da bei vier Millionen jährlich ein schlechtes Gewissen gegenüber dem Arbeitgeber?
Nein, es ist sinnlos, darüber nachzudenken. Ich habe mich ja nicht absichtlich verletzt. Ich habe einen Verletzungs-Teufel, der mich verfolgt.

Spüren Sie in der Schweiz Neid, weil Sie so viel verdienen?
Neid musst du dir erarbeiten, den Rest kriegst du geschenkt. Dass du Neider hast, das eine oder andere mal blöd angemacht wirst, damit musst du leben. Deswegen wirst du auch so gut bezahlt. Ich gehe solchen Menschen aus dem Weg. Als öffentliche Person wirst du zu schnell vorverurteilt. Aber eben, ich will glücklich sein, auf dem Platz stehen und gesund sein, sonst nichts.

Verdienen Fussballer zu viel?
Sicher verdienen wir gut, gerade im Vergleich zu normalen Arbeitnehmern. Noch mehr wird in der NHL, NBA oder im Tennis bezahlt.

In der NHL und NBA sind die Gehälter öffentlich. Ist das gut?
Nein, das ist problematisch. Ein bisschen Privatsphäre gehört auch in diesem Bereich dazu. Man darf einen Menschen nicht danach beurteilen, was er hat – sondern danach, was er ist. Wenns öffentlich ist wie in der NHL oder der NBA, dann beurteilt man den Menschen nur danach, was er verdient. Das ist falsch. Stellen Sie sich vor, Sie verdienen am meisten bei einem NHL-Team, sind verletzt oder spielen schlecht. Dann wird man angefeindet, was höchst unfair rauskommen kann.

Gibt es Ihnen Sicherheit, dass Sie sich nach der Karriere keine Geldsorgen mehr machen müssen?
Nein. Das Leben ist ein täglicher Kampf. Jeden Tag musst du dich als Mensch beweisen – auch im Beruf. Und das hat nichts mit Geld zu tun. Und schon gar nicht mit der Vergangenheit. Wer erfolgreich sein will – egal im Sport oder Geschäftsleben – der muss Leistung bringen.

Wie investieren Sie Ihr Geld?
Mein Bruder David und ich sind in der Wirtschaft aktiv mit verschiedenen Projekten – für die Zeit nach dem Fussball. Konkret kann ich nicht werden.

Was leisten Sie sich an Luxus?
Eigentlich nur Kleider. Ich ziehe mich einfach gerne schön an. Wenn mir etwas gefällt, kaufe ich es mir. Sonst gebe ich kaum Geld aus.

Was kostete Ihre teuerste Jeans?
Komplett unnötige Frage. (Lacht) Wenn ich das sage, habe ich wieder 100 Neider mehr …

Unterstützen Sie wohltätige Projekte?
Ja. Ich unterstütze «Right to Play», ein Projekt, das mit Sport das Leben von Kindern in der Dritten Welt verbessern soll. Und bei der Unesco-Stiftung mit Chiara Ohoven bin ich auch dabei. Ich weiss, dass ich privilegiert bin und möchte deswegen auch helfen, wo ich kann.

Stimmt, da gab es doch Liebesgerüchte um Frau Ohoven und Sie.
Ich weiss. Ich habe es gut mit ihr. Nicht mehr und nicht weniger.

Sie sind jetzt in Liverpool. Wie geht es Ihnen?
Ich habe schon ein paar Mal trainiert hier. Die Verletzten mussten ein bisschen früher ran. Ich habe deswegen nach meiner Leisten- und Adduktorenoperation schon angefangen. Bis jetzt ist es gut, ich habe keine Schmerzen mehr. Ich kann voll belasten. Mit Schüssen und langen Bällen muss ich mich noch ein wenig zurückhalten. Ich hatte grausame Schmerzen zuletzt, das hast du immer im Hinterkopf. Das Vertrauen kommt nicht von heute auf Morgen, das weiss ich.

Was macht Ihr Zwillingsbruder David, wenn es Ihnen schlecht geht?
Er leidet mit mir. Wie ich mit ihm. Ich kann mir kein Leben ohne ihn vorstellen. Er spürt, wenn es mir schlecht geht. Automatisch.

War er mal eifersüchtig, dass Sie schneller gute Verträge bekommen haben als er?
Nein. Überhaupt nicht. Wir teilen ja alles. Wir siegen zusammen oder verlieren zusammen. Wenn wir auf einem sinkenden Schiff sind, dann sinken wir zusammen. Wenn wir zusammen auf einem schnellen Schiff sind, dann haben wir gemeinsam die Segel gesetzt. Und das ist gut so.

Bekommen Sie denn bei Liverpool noch eine Chance?
Ich habe noch ein Jahr Vertrag. Auf meiner Position hat man drei Engländer, da kann man eins und eins zusammenzählen. Ich will gesund sein und wieder spielen – wo das ist, ist mir im Moment total egal.

Wenn Sie den Vertrag auflösen, müssen Sie auf brutal viel Geld verzichten.
Natürlich. Dazu bin ich auch bereit. Ich will nur zurück auf diesen Rasen. Endlich nach einem Spiel das Gefühl zu haben, richtig kaputt zu sein und sagen zu können: Philipp, heute hast du einfach gut gespielt.

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