Blick: Wie ist das Wetter im englischen Niemandsland?
Christian Fassnacht: Sie werden es nicht glauben! Sonne und zwanzig Grad… Ich habe letzthin ein Video nach Hause geschickt mit der Botschaft, sie sollten doch mal auf die Insel kommen, um schönes Wetter zu finden.
Tja, die Welt und das Wetter sind nicht mehr das, was sie mal waren. Dank des Temperaturanstiegs macht man in England zum Beispiel nun Top-Schaumweine.
Echt jetzt?
Ja, die sind super!
Gut zu wissen. Spannend.
Aber die Liga, in welcher Sie stecken, ist sicher noch die alte.
Championship ist unglaublich spannend, attraktiv – und nicht zu verstehen. Jeder schlägt da jeden. Fussball pur. Mir macht das Freude.
Die Intensität muss enorm hoch sein.
Das ist sie. Das Spiel steht nie still. Da gehts hin und her. Alle, welche erstmals ein Spiel gesehen haben, schwärmen davon, weil dieses Hin und Her mega attraktiv ist.
Und es hat keinen VAR, der den Rhythmus brechen kann, korrekt?
Korrekt. Ich verstehe das auch nicht. Aber es heisst, nicht alle Stadien würden die technischen Anforderungen erfüllen. Dabei geht das sogar in der Schweiz …
Die Namen sind beeindruckend: Southampton, Middlesbrough, Leeds, Coventry und viele weitere dieses Kalibers.
Letzthin hat mir jemand gesagt, dass erstmals in dieser Saison bis auf drei, vier Ausnahmen nur noch Teams in der Championship sind, die auch schon in der Premier League gespielt haben. Weshalb alle ambitioniert sind. Selbstläufer gibts nicht. Jedes Spiel kann hässlich ausgehen.
Nun gehts gegen Leeds. Als Aussenseiter? Norwich hat beide Spiele verloren.
Leeds hätte eigentlich direkt aufsteigen sollen. Aber wir haben auswärts sehr gut gespielt.
Der Modus ist brutal: Erst Halbfinal in Hin- und Rückspiel. Und dann das grosse Finale im Wembley.
Das wäre geil! Es wäre die Krönung. 2024 haben nur Leeds und Ipswich mehr Punkte geholt als wir. Wir müssen uns nicht verstecken.
Drei Mal fehlten Sie in den letzten sechs Spielen. Was war los?
Im letzten Match wurde ich geschont, weil ich angeschlagen war. Die Playoffs hatten wir ja auf sicher. Einmal kam ich nicht zum Einsatz. Und einmal waren es private Gründe, weshalb ich nicht dabei war.
Private Gründe? Darf man raten? Ist Christian Fassnacht Vater geworden?
Ja, genau.
Oops, und niemand weiss das …
Tja. Ich habe nichts auf Social Media gepostet. Wir wollten es nicht gross hinausposaunen, schon gar nicht am ersten Tag. Wir verstecken es aber auch nicht. Wir sind ja stolz!
Gratulation! Tochter oder Sohn?
Tochter.
Die Tendenz der Absenzen ist im Hinblick auf die EM nicht optimal.
Stimmt. Aber ich war ein Jahr nicht mehr dabei in der Nati. Wenn man nicht mehr Spielzeit hat, ist man automatisch kein Thema. So muss ich mir auch keine Gedanken machen. Da bin ich Realist.
Christian Fassnacht (30) spielte erst für den FC Thalwil und den FCZ, wo er sich nicht durchsetzen konnte, und später für den FC Red Star. 2015 wechselte er nach Winterthur in die Challenge League. In der Saison 2016/17, die Fassnacht beim FC Thun in der Super League verbrachte, erzielte er zehn Tore. 2017 ging er zu YB und schoss elf Tore, YB wurde erstmals seit 32 Jahren wieder Meister. Im Sommer 2023 wechselte Fassnacht zum englischen Zweitligisten Norwich City (Zweijahresvertrag). Im Oktober 2018 debütierte Fassnacht für die Nati. Er war im Kader für die EM 2021 und die WM 2022. 2019 hat Fassnacht die Modemarke «Cedici» mitgegründet.
Christian Fassnacht (30) spielte erst für den FC Thalwil und den FCZ, wo er sich nicht durchsetzen konnte, und später für den FC Red Star. 2015 wechselte er nach Winterthur in die Challenge League. In der Saison 2016/17, die Fassnacht beim FC Thun in der Super League verbrachte, erzielte er zehn Tore. 2017 ging er zu YB und schoss elf Tore, YB wurde erstmals seit 32 Jahren wieder Meister. Im Sommer 2023 wechselte Fassnacht zum englischen Zweitligisten Norwich City (Zweijahresvertrag). Im Oktober 2018 debütierte Fassnacht für die Nati. Er war im Kader für die EM 2021 und die WM 2022. 2019 hat Fassnacht die Modemarke «Cedici» mitgegründet.
Hat Ihr Ex-Trainer bei YB, David Wagner, Sie nach Norwich gelotst?
Nein, gar nicht. Das war bloss ein schöner Nebeneffekt, dass ich den Trainer schon kannte. Ich hatte zuerst Kontakt mit dem Verein, erst später mit dem Coach.
Es läuft ihm besser als bei YB.
Ja. Aber auch bei uns hatte er eine schwierige Zeit durchzustehen. Im Gegensatz zu YB hat man ihm hier die nötige Zeit gegeben. Und er konnte das Ruder herumreissen. Und nun stehen wir in den Playoffs. In Bern war die Konstellation unglücklich für ihn, und viele Spieler waren verletzt. Auch für mich wars eine Saison zum Vergessen.
Wie ist es, in Norwich zu leben? Das liegt ja am Ende der englischen Welt.
Kann man so sehen. Aber die Region hat mit am meisten Sonnenstunden in England. Klein, unspektakulär und härzig! Uns gefällts.
Dazu liegt die Stadt nahe am Meer.
In dreissig Minuten ist man dort. Aber ich weiss noch nicht, wie es im Sommer ist. Ich freue mich darauf, das zu entdecken.
Was machen Sie, wenn gerade kein Training ansteht?
Wenn ich ein paar Tage frei habe, gehe ich logischerweise in die Schweiz. Sonst Golfen, Tennisspielen – und in weniger als zwei Zugstunden ist man mitten im Zentrum von London. Da hat man dann alles.
Wie läufts mit Ihrer Firma?
Mega gut! Wir haben einen Riesenschritt vorwärts machen können. Klar ist es aus dem Ausland ein bisschen schwieriger, im Daily Business präsent zu sein. Aber das ist okay. Ich habe gerade genug zu tun als Fussballer und Vater. Aber das Projekt ist echt cool, auch um den Kopf ein bisschen zu gebrauchen neben dem Fussball und eine andere Businesswelt kennenzulernen.
Verkaufen Sie die Kleider ihrer Kollektion nur online oder findet man die auch physisch?
Wir sind in verschiedenen Stores vertreten. So in einem coolen in Zug namens «Les Deux Men». Aber das Hauptaugenmerk liegt auf dem Online-Geschäft.
Wie stehts um den Kontakt zu YB?
Gut. Von der Geschäftsstelle über den Staff bis zu den Spielern. Man merkt erst richtig, was man über die Jahre aufgebaut hat, wenn man weg ist. Und dass dir diese Leute wichtig sind. Und umgekehrt, auch du ihnen wichtig bist. Wenns geht, schaue ich jedes YB-Spiel.
Haben Sie mittlerweile mehr Kontakt nach Bern als in ihre Zürcher Heimat?
Schwierig zu sagen. In Zürich leben meine Familie und die Kollegen von früher. In Bern sind viele Kontakte zu Freundschaften und einer Art Familie geworden. Wenn ich in die Schweiz komme, zieht es mich zuerst nach Zürich, dann aber schnell nach Bern, um all die Leute wiederzusehen.
Wie der neue Meister heissen wird, dürfte für Sie klar sein.
Logisch. Ich habe ohnehin nie daran gezweifelt. Auch wenn es für einen kurzen Moment nochmals spannend geworden ist – die schaukeln das heim.
Auch dank des Trainerwechsels?
Bei einem Trainerwechsel passiert immer etwas in einer Mannschaft. Er hat einen Impact auf die Spieler. Dennoch glaube ich, dass die Jungs es auch mit Raphael Wicky gemacht hätten. Aber es ist schon krass!
Was?
Wie die Leute Raphi gegenüber nach einer gewissen Zeit reagiert haben. Dabei spreche ich nicht von den Leuten im Verein. Plötzlich war alles schlecht. Dabei hatte er vor kurzer Zeit das Double geholt und die Mannschaft in die Champions League gebracht. Aber man vergisst schnell. Und die Erwartungshaltung steigt ebenso schnell. Da wird man dann halt entlassen, obwohl man einen guten Job macht.
Unter dem Strich hat er ein einziges Spiel verloren, das er nicht hätten verlieren dürfen.
Das Cupspiel in Sion. Nochmals: Es ist krass. Das Team hat zudem europäisch überwintert. Aber so ist halt das Business.
Sie würden die YB-Meisterfeier verpassen, sollten Sie in den Playoff-Final einziehen. Die Pokalübergabe und das Spiel im Wembley wären gleichzeitig.
Also ich hoffe schon, dass ich bis am 26. Mai festsitze hier und den Final erleben darf. Das wäre eine unglaubliche Erfahrung!