Ein Doktortitel der Medizin und neun Sprachen beherrschen. Dieser Lebenslauf hört sich überhaupt nicht an, als würde er zu einer Fussballerin gehören – tut er aber. Nadia Nadim (34) ist dänische Nationalspielerin und seit einer Woche auch Ärztin. Doch ihre Geschichte ist noch viel eindrucksvoller als ihr Lebenslauf.
Als Kind vor den Taliban geflüchtet
Nadim wird in Afghanistan geboren und hat vier Schwestern. Ihr Vater, Rabani, ist ein General der afghanischen Armee. Als Nadim 10 Jahre alt ist, wird ihr Vater zu einem Meeting gerufen, von dem er nie zurückkehrt. Erst ein halbes Jahr später erfährt die Familie, dass er von den Taliban entführt und exekutiert wurde. Ihre Mutter Hamida entschliesst sich, mit ihren Töchtern zu fliehen. Den Frauen bleibt im immer radikaleren Afghanistan fast keine andere Möglichkeit. Anstatt in London landen die sechs Frauen allerdings im ländlichen Dänemark. Nadim wächst dort in einem Flüchtlingscamp auf. «In Dänemark habe ich durch den Zaun des Flüchtlingslagers das erste Mal ein Mädchen beim Fussballspielen gesehen», sagt Nadim im Podcast «FIFA PlayOn»
Als die Familie in Dänemark Asyl erhält, darf Nadim in einem Klub spielen. Schnell landet sie bei einem Top-Verein und macht als 18-Jährige die ersten Schritte als Profi. Mit 24 spielt sie erstmals in der Champions League. Dann gehts zu Portland, Manchester City und PSG. Als sie 2009 eingebürgert wird, folgt gleich das Debüt für die Nationalmannschaft. Mittlerweile hat sie 99 Länderspiele und drei EM-Teilnahmen. Höhepunkt ihrer Karriere ist der EM-Final 2017, den Dänemark gegen die Niederlande verliert.
Der Wunsch, etwas zu verändern
Vor fünf Jahren beginnt Nadim neben ihrer Fussball-Karriere mit dem Medizinstudium. «Der Fussball war immer etwas für mich selbst, er macht mich glücklich. Ich wusste aber, dass ich auch etwas zurückgeben will, darum begann ich ein Medizinstudium.» Im Januar besteht Nadim die Prüfungen, nun will sie sich auf dem Fachgebiet der rekonstruktiven Chirurgie spezialisieren.
Im Sommer steht mit der EM in England ein grosses Highlight vor der Tür. Nadim zog sich jedoch bei ihrem neuen Team Racing Louisville im September einen Kreuzbandriss zu. «Mein Ziel ist es, fit zu sein für die EM im Sommer und das 100. Länderspiel zu machen». Der Zeitplan ist eng, doch Nadim hat sich über die EM schon Gedanken gemacht: «Ich überlege mir, mein Trikot mit zu beschriften. Auf Neymars Trikot steht ja auch , wieso soll ich dann nicht den Doktor drauf haben?»
Mit ihren bisher 38 Toren für die Nationalmannschaft wäre sie eine wichtige Teamstütze bei der am 6. Juli startenden EM. Dänemark ist in einer Gruppe mit Deutschland, Spanien und Finnland.