David Beckham ist mittlerweile lückenlos tätowiert. Vom Waschbrettbauch aus laufen ihm die raumgreifenden Philosophien über die Arme und den Bizeps bis hoch zum Hals. Und hinten wieder den Rücken hinunter. Die längste schlängelt sich auf Chinesisch von der Hüfte unter die Achsel und lautet: «Leben und Tod werden vom Schicksal bestimmt, über Rang und Reichtümer entscheidet der Himmel.»
Der Himmel ist gut zu ihm. Jedenfalls war der Himmel noch nie so wolkenlos blau wie dort, wo der englische Götterknabe jetzt gelandet ist. An 350 Tagen im Jahr scheint die Sonne und wärmt den Schönen und Reichen am Strand die kühlen Getränke.
Die halbe Stadt spricht Spanisch, aber auch das kommt Beckham entgegen, wofür war er früher bei Real. Seine erste Rede als neuer Bürger begann er fliessend mit zwei perfekten Worten. «Hola, Miami». Im «Center for the Performing Arts», wie es sich für einen Künstler von Welt gehört, hat sich Beckham unlängst vorgestellt.
Früher war er bei Manchester United, Real Madrid und den Los Angeles Galaxy ein glamouröser Flankengott. Aber in seinem zweiten Leben will er ein noch bunterer Vereinsgott sein und der Major League Soccer (MLS) und den Amerikanern mit seinem künftigen Team zeigen, was richtiger Fussball ist.
«Wir werden das beste Team der Liga», versicherte Beckham ohne erkennbare Angst, eines Tages womöglich wegen Meineids belangt zu werden. Wenn einer in diese Stadt passt, dann Beckham. Wo immer der britische Beau mit seiner Frau, dem Ex-Spice-Girl Victoria, die Manege betrat, hat sein Motto «Pop meets Football» funktioniert.
Und hier kann erst recht nichts schiefgehen: Auf der schrillen Strandmeile Ocean Drive und der schicken Lincoln Road mit ihren Feinschmeckerlokalen und Designertempeln flanieren viele, die Haarreife, Zöpfe und Wickelröcke aus der Südsee tragen. Wie einst Beckham. Da fehlte nur noch das Original.
«Nur diese Stadt kam in Frage», sagt Beckham. Viele finden sogar, dass Miami schon für die erste Mondlandung der würdigere Platz gewesen wäre – es auf jeden Fall aber höchste Zeit ist für ein illustres Fussballteam, das den Miami Dolphins im Football, den Florida Panthers im Eishockey, den Marlins im Baseball und den Heat im Basketball Feuer unterm Hintern macht.
Als Beckham 2007 in die US-Liga wechselte, tat er es unter der Bedingung, nach Ablauf seines Vertrags bei den Los Angeles Galaxy zu günstigen Konditionen ein MLS-Team kaufen zu dürfen. Flankiert von potenten Geschäftspartnern nahm er diese Option dann wahr, für angeblich spottbillige 25 Millionen Dollar.
Vor vier Jahren nahm Beckham bezüglich der Standortfrage erstmals Miami in den Mund, «und sofort klingelte das Telefon». Alte Kameraden hinterlegten ihr Interesse.
Wer? Beckham belässt es momentan noch bei einem vielsagenden Schmunzeln, das in Worte übersetzt heisst: Geld spielt keine Rolle. Und es werden grosse Kicker sein. Carlo Ancelotti, seinen einstigen Trainer, könnte er sich als Übungsleiter vorstellen.
Notfalls dürfte es aber auch Zinédine Zidane werden. Wenn wahr ist, was die Flamingos von Floridas Dächern pfeifen, flirtet Beckham ausserdem mit Ex-Kumpel Wayne Rooney, dessen Vertrag bei Everton 2019 endet – und als Sahnehäubchen ist offenbar Cristiano Ronaldo vorgesehen.
Ins Beckham’sche Weltbild («Miami ist Welt») passt der Weltfussballer auf jeden Fall. 2021 endet Ronaldos Vertrag bei Real. Er wäre dann 36, also im besten Alter. Denn Lästergoschen behaupten: Die US-Liga ist das perfekte Auffanglager für Frührentner, die in der ersten Halbzeit Standfussball spielen und in der zweiten Sitzfussball.
Aber auch so sind die Fans elektrisiert. Die Stadt ist voller Südamerikaner, die ahnen, dass es diesmal kein Flop wird wie der erste Versuch um die Jahrhundertwende. «Miami Fusion» hiess das Team, und Carlos Valderrama, der kolumbianische Struwwelpeter, war der Star. Aber sie kickten eine Stunde entfernt in Fort Lauderdale, das tat der Stimmung nicht gut.
In Miami wirds anders, sagt Beckham und verkündet als Spielphilosophie einen «vibrierenden, attackierenden Stil». Miami halt. Aber findet er auch ein Stadion? Für 200 Millionen Dollar wird Beckham mit seinen Partnern eine topmoderne Arena bauen.
Beckham hat also noch ein paar Kleinigkeiten zu erledigen, ehe es in zwei Jahren losgeht. Auch ein zündender Name für das Team muss noch gefunden werden. Viele munkeln, dass es «Miami Vice» heissen wird.