«Meine Weste ist hundertprozentig sauber!»
Wird Fifa-Blatter durch Champagne ersetzt?

Er war Sepp Blatters Berater. Jetzt will Jérôme Champagne (57) sein Nachfolger werden. Was er ändern will. Warum er von Schmiergeld nichts mitbekommen hat. Und weshalb ihn die Brasilianer nicht an der WM haben wollten.
Publiziert: 31.10.2015 um 23:46 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 22:25 Uhr
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Jérôme Champagne kandidierte bereits 2014 für das Amt als Fifa-Präsidenten.
Foto: Reuters
Von Martin Arn

Warum soll man Sie wählen? Als jahrelanger Berater von Sepp Blatter gehören Sie zur Fifa-Clique.

Jérôme Champagne: Ich habe elf Jahre lang für die Fifa gearbeitet, und ich bin stolz darauf. Für meine Kandidatur ist es kein Nachteil, sondern ein Vorteil.

Sie gehören zur alten Funktionärsriege!

Ich bin 57. Sie können mich als alt bezeichnen, wenn Sie wollen. Aber ich bin voller Elan. Ich kenne die Fifa von innen, ich kenne den Fussball. Ich pflege beste Beziehungen zu vielen Verbänden.

Sie kandidierten schon 2014, hatten aber zu wenig Unterstützung. Was hat sich geändert?

Es hat sich in den letzten drei Monaten sehr viel verändert. Funktionäre wurden festgenommen, der Fifa- und der Uefa-Präsident wurden suspendiert. Ich hoffe, es findet ein Umdenken statt.

Sie waren elf Jahre lang persönlicher Berater von Sepp Blatter: Haben Sie eine reine Weste?

Hundertprozentig! Ich war immer transparent. Ich habe überhaupt nichts zu befürchten.

Haben Sie von dubiosen Geldflüssen nie etwas mitbekommen? Jérôme Valcke soll im Jahr 2008 zehn Millionen Dollar an Jack Warner bezahlt haben, damit die WM 2010 in Südafrika stattfand.

Das war ein offizielles Regierungsprogramm Südafrikas. Wie die Finanzierung dann tatsächlich stattgefunden hat, das war allein in Jérôme Valckes Verantwortung. Davon hatte ich keinerlei Kenntnis.

Warum wurden Sie 2010 bei der Fifa entlassen?

Ich wollte schon damals Reformen anschieben. Einige fürchteten um ihre Privilegien. Anderen bin ich zu mächtig geworden. Und als Diplomat war ich vor meinem Engagement bei der Fifa in Brasilien tätig. Die wollten mich bei der WM in Brasilien sowieso nicht dabei haben, weil ich Funk-tionäre kritisiert hatte. 

Sie lobbyieren bei den Verbands-präsidenten von Barbados und Rumänien, auch im Kosovo. Das erscheint ziemlich verzweifelt.

Nein, überhaupt nicht. Und es hat auch nichts mit Lobbying zu tun. Ich kenne viele Leute, unterhalte gute Beziehungen und versuche sie von meinen Reformideen zu überzeugen.

Was konkret würden Sie als Fifa-Präsident ändern?

Wir müssen diejenigen Dinge, die gut sind, weiterführen und all das, was schlecht läuft radikal verbessern.

Etwas konkreter, bitte!?

Die Fifa hat tolle Projekte. Das Entwicklungsprogramm, bei dem sie armen Ländern Hilfe vor Ort bietet. Aber es braucht Transparenz: Wer erhält was, wofür und von wem. Es braucht eine Trennung zwischen den wirtschaftlichen und den politischen Interessen der Fifa. Wir brauchen andere Strukturen. Die Fifa hat 209 Mitgliederländer. Aber die Fifa-Exekutive, die Regierung also, besteht aus 25 Mitgliedern. Kaum einer von ihnen ist gewählt worden. Sie vertreten nur die Interessen ihres Kontinentalverbandes. Die Macht muss zurück zu den Landesverbänden. Aber ich möchte die Repräsentanten von Spielern, Klubs und Ligen als Exco-Mitglieder.

Wie viel soll ein Fifa-Präsident verdienen?

Ich bewerbe mich nicht wegen des Geldes um das Präsidium ...

Würden Sie Ihr Gehalt offenlegen?

Selbstverständlich! Warum nicht? Jeder weiss, wie viel der US-Präsident verdient. Warum sollte das Gehalt des Fifa-Präsidenten ein Geheimnis sein?

Wie ist Ihr Verhältnis heute zu Sepp Blatter?

Ich werde nichts Schlechtes über Sepp Blatter sagen. Er hat sehr viel Gutes für den Fussball getan. Als er anfing, war die Fifa fast pleite. Es gab acht Angestellte. Ich denke nicht, dass er sich je persönlich bereichert hat. Seine Idee «6+5», also dass mindestens sechs einheimische Spieler im Team stehen sollten, unterstütze ich. Heute kaufen die grossen Mannschaften den einheimischen Markt leer. Nicht, weil die Spieler dann im Aufgebot stehen, sondern nur, damit sie nicht zur Konkurrenz gehen.

Haben Sie mit Sepp Blatter zuletzt gesprochen?

Ich habe ihn über meine Kandidatur informiert.

Mit Ihrem Landsmann Michel Platini sind Sie spinnefeind ...

Nein! Wir haben unterschiedliche Auffassungen. Ich habe mit Platini für die WM 1998 in Frankreich eng zusammengearbeitet, habe ihn unterstützt, als er fürs Uefa-Präsidium kandidierte. Auch über ihn hören Sie von mir nichts Schlechtes. Das verbietet mir mein Anstand.

Kann einer wie Platini für einen Fifa-Neuanfang stehen?

Ich äussere mich nicht zu anderen Kandidaten. Die Wahlkampagne hat noch nicht begonnen.

Aber Sie kritisieren immer wieder Platinis Champions League.

Es ist keine Kritik an der Champions League. Es ist Kritik an der Unausgewogenheit des Wettbewerbs. Nehmen Sie Juventus. Die haben den letzten Final verloren und trotzdem 46 Prozent mehr Geld erhalten als der Gewinner Barcelona. Wegen des sogenannten Marktpools, der vor allem die TV-Gelder verteilt. Das führt zu einem enormen Ungleichgewicht. Zur Zeit des Eisernen Vorhangs konnten Teams aus Rumänien oder Belgrad oder Ajax Amsterdam den Meistercup gewinnen. Das ist heute unmöglich.

Was sagen Sie zu Scheich Salman, dem Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden: Kann er die Zukunft der Fifa sein?

Ich sage Ihnen dasselbe, wie zu Platini: Zu anderen Kandidaten äussere ich mich nicht.

Wie viel kostet Ihr Wahlkampf?

Ich verrate es Ihnen, wenn er durch ist. Für meine erste Kandidatur habe ich rund 45 000 Euro ausgegeben.

Was sagt Ihre Frau, was sagen Ihre Kinder dazu?

Wir haben das in der Familie besprochen. Meine Frau war anfangs nicht sehr begeistert. Aber sie steht hinter mir.

Stossen Sie mit einem Glas Champagner an, wenn Sie gewählt werden?

Nein, mit einer ganzen Flasche!

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