Vor vier Jahren kickte er noch in der 4. Liga, jetzt gegen Messi und Mbappé
Das Spadanuda-Märchen

Den Traum vom Profigeschäft könne er begraben, sagten ihm die Ärzte. Heute spielt der Aargauer Kevin Spadanuda in der gleichen Liga wie Messi, Mbappé und Neymar. Ein beispielloses Fussballmärchen.
Publiziert: 28.12.2022 um 11:19 Uhr
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Aktualisiert: 28.12.2022 um 11:38 Uhr
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Seit Sommer 2022 spielt Kevin Spadanuda (links) für Ajaccio in der Ligue 1 – Höhepunkt eines beispiellosen Fussballmärchens.
Foto: Icon Sport via Getty Images
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Sebastian WendelReporter Fussball

Als Kevin Spadanuda und Freundin Cristiana im Frühling 2022 nach Feriendestinationen suchen, kommt auch Korsika in die engere Auswahl. Nichtsahnend, dass die Trauminsel für das Paar und Töchterchen Naiara wenige Wochen später viel mehr wird als ein Ort zum Entspannen: Seit Sommer leben sie hier. Spadanuda ist Profi beim Ligue-1-Klub AC Ajaccio.

Nach zwei Monaten zu dritt im engen Hotelzimmer hat die Familie abseits der Altstadt eine Wohnung gefunden. Spadanuda (25) führt Blick beim Video-Interview durch das hübsche Appartement und sagt: «Ich will mich weiterhin sportlich verbessern. Aber genauso geniesse ich es, jeden Morgen meinen Kaffee mit Blick aufs Meer zu trinken. Es ist der Lohn für alles, was ich durchmachen musste.»

Nach Verletzungsschock fliessen die Tränen

Der Wechsel nach Frankreich ist der bisherige Höhepunkt eines beispiellosen Fussballmärchens. Im Teeniealter verfolgt Spadanuda wie viele Gleichaltrige den Traum vom Profigeschäft, als er in der U18 beim FC Aarau nach einem Zweikampf am Boden liegt und einfach nicht mehr aufstehen kann. Der Rücken. Etliche Ärztegänge folgen, ohne Diagnose, bis einer zu Spadanuda sagt, dass er mit Leistungssport abschliessen könne. Viele Tränen fliessen, auch bei seinen Eltern. Nachdem er sein (vermeintliches) Schicksal angenommen hat, beginnt Spadanuda eine Logistiklehre und holt sich, um den Bewegungsdrang zu lindern, ein Abo fürs Fitnesscenter. Und siehe da: Das Krafttraining lindert die quälenden Rückenschmerzen.

Irgendwann kommt die Lust auf Fussball zurück, und Spadanuda meldet sich zum Plausch beim FC Schinznach an. 4. Liga, die zweitunterste der Schweiz. Vier Jahre später, drei davon beim FC Aarau in der Challenge League, spielt er in der Ligue 1 gemeinsam mit den PSG-Stars Messi, Mbappé und Neymar. Spadanuda macht in Siebenmeilenstiefeln das Unmögliche möglich.

Aus der Challenge League in die Ligue 1

Malt er sich manchmal aus, wohin sein Weg als Fussballer ohne den Unterbruch hätte führen können? «Nein. Ich bin überzeugt: Ohne das Erlebte wäre ich jetzt nicht hier.» In der vergangenen Saison schoss Spadanuda für Aarau 18 Tore, nach dem knapp verpassten Aufstieg hätte es für ihn trotzdem in die Super League gehen können. Als das Angebot aus Ajaccio kommt, stoppt er alle anderen Gespräche. Aus der Challenge League direkt in die (damals noch) Liga des Weltmeisters – Spadanudas Augen glänzen noch heute beim Gedanken daran. Obwohl nur als Erkundungstrip gedacht, unterschreibt er beim ersten Besuch von Stadt und Klubgelände einen Dreijahresvertrag. «Als ich danach in ein Café ging, kamen schon drei Fans auf mich zu, obwohl ich noch keinen Ball als Ajaccio-Spieler berührt habe», erzählt er und lacht.

Dass er für jedes Auswärtsspiel im klubeigenen Charterjet anreist, dass bei der Ankunft in den Stadien Dutzende Fotografen warten, dass er vor 63'000 Zuschauern ins berühmten Stade Vélodrome in Marseille einläuft – Spadanuda hat sich in den ersten Monaten in Frankreich gefühlt wie ein Bub im Legoparadies, der bis dahin seine Spielsachen selber basteln musste. Sportlich liefs anfangs besser als erwartet, nach einer Verletzung jedoch kam er vor der Winterpause nur noch einmal zum Einsatz.

«In der Challenge League war ich einer der Schnellsten. Hier ist jeder Teamkollege eine Rakete. Aber ich hatte immer das Gefühl, gut mithalten zu können», sagt er. Am Mittwoch startet die Rückrunde, für die sich Spadanuda zwei persönliche Ziele gesetzt hat: Französisch zu lernen, um sich besser mit Trainer Olivier Pantaloni verständigen zu können. Und Mitte Mai im Pariser Parc des Princes Messi, Mbappé und Neymar auf dem Platz zu begegnen. Im Hinspiel stand er nicht im Kader. Ja, auch in einem Märchen läuft nicht immer alles reibungslos.

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