Michael Frey im Interview
«Tote zu malen, ist schon heavy»

Lille-Söldner Michael Frey hat seinen Gips symbolisch zerstört. Die Paris-Attentate verarbeitet er mit Malen. Und er hofft immer noch auf die Euro!
Publiziert: 22.11.2015 um 21:42 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 17:40 Uhr
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Frey: «Ich bin demütiger und etwas geduldiger geworden.»
Foto: Christian Pfander
Von Alain Kunz

SonntagsBlick: Michael Frey, wann gehts wieder nach Frankreich?
Michael Frey: Ich weiss es noch nicht. In einer Woche gibt es ein letztes Röntgen. Dann weiss ich, wann ich wieder gegen einen Ball schutten kann. Ich gehe aber erst nach Lille zurück, wenn ich wieder voll fit bin. Also in drei, vier Wochen.

Mit welchem Gefühl gehen Sie nach Frankreich zurück?
Was in Paris passiert ist, beschäftigt einen schon. Aber man darf keine Angst haben. Wir dürfen nicht weichen. Die Devise der Fussballer darf nur sein: ab ins Stadion – und Vollgas geben!

Ihr letztes gepostetes Bild handelt von Krieg und Toten.
Ja. Das Mädchen hatte ich schon vorher gemalt. Alles andere ist meine Art der Verarbeitung der Paris-Ereignisse. Tote zu malen, ist schon heavy!

Was haben Sie am schwarzen Freitag, dem Dreizehnten, gedacht?
Ich war bei meinem Kumpel Marco Bürki zu Hause. Wir haben zuerst das Länderspiel der Schweiz geschaut. Dann die Schlussphase im Stade de France. Als die Leute aufs Feld rannten, dachte ich: Mann, das ist bloss eine Stunde von Lille weg. Nun leidet auch der Fussball unter dem Terror. Spiele werden abgesagt. Die Leute haben Angst, ins Stadion zu gehen. Das macht einen nachdenklich.

Sind Sie froh, dass dieses auch für Sie persönlich schwarze 2015 bald vorbei ist?
Klar. Ich hatte schon schönere Jahre. Fussballerisch habe ich ein ganzes Jahr verloren. Aber viel gelernt.

Was denn?
Ich bin demütiger geworden. Und etwas geduldiger. Auch wenn ich nach wie vor wenig Geduld habe. Ich habe gelernt, wie wichtig die Leute um dich herum sind. Und ich habe mir etwas anderes als Fussball suchen müssen, um meine Emotionen loszuwerden.

Was haben Sie denn gefunden?
Ich habe viel gemalt. Und sehr laut Musik gehört. Unsere Nachbarn hatten da sicher nicht immer Freude.

Welche Musik?
Psychedelische. Viel Deep Purple. Und ich habe begonnen, selber Gitarre zu spielen.

Frey war wegen seines Knöchelbruchs mit Gips unterwegs.
Foto: Keystone

Nach Ihrer ersten missglückten Knöcheloperation haben Sie Ihre französischen Chirurgen mit dem Dorfmetzger von Münsingen verglichen. Bereuen Sie solche Sprüche später?
Ich denke da nicht lange nach. So bin ich halt. Ich versuche, immer ehrlich zu sein. Das bringt dir nicht immer Kollegen – aber die richtigen. Dieser Spruch ist übrigens nicht von mir. Den habe ich irgendwo gelesen. Aber er ist wahr. Sicher bereue ich das eine oder andere. Zum Beispiel das Video mit mir als Sänger, das auch bei Euch gepostet wurde. Da habe ich auch gedacht: Das hättest du jetzt lieber nicht online gestellt.

Die zweite Operation ist aber reibungslos verlaufen.
Ja. Und wissen Sie was?

Nein?
Das war im Bruderholz-Spital in Basel. Der Chirurg ist Basel-Fan! Aber er hege auch eine gewisse Sympathie für YB, hat er gesagt …

Die Fehler des französischen Metzgers sind also korrigiert?
Ja. Heute denke ich aber: Wahrscheinlich musste es so kommen, dass die erste OP nicht gut war. Ich bin wohl einer, der fühlen muss, um zu lernen.

Was haben Sie denn gelernt?
Auf meinen Körper zu hören. Vorher dachte ich, mein Körper halte alles aus. Heute nehme ich einen Tag in der Woche frei, trainiere nicht. Ich gehe in die Natur oder so.

Und den Gips haben Sie symbolträchtig zerstört – und das auf Instagram gestellt …
… und gleich wieder weggenommen. Mein Berater sagte, das sei nicht so gut, wie ich da mit dem Hammer den Gips zerstöre an der Aare. Ich habe ihn allerdings nicht in den Fluss geschmissen, sondern ordnungsgemäss entsorgt. Andere Leute behalten so was als Souvenir. Ich bin da anders.

Was kommt Ihnen beim Stichwort Euro 2016 in den Sinn?
Dass ich unbedingt dabei sein will! Das tönt jetzt blöd nach einem Jahr Verletzungspause. Ich werde zumindest alles dafür tun. Ich werde bei dem Gedanken schon ganz zappelig. Ich bin überzeugt, ich werde stärker denn je sein. Ich habe unglaublich hart gearbeitet und bin zum Beispiel deutlich beweglicher geworden.

Sie werden spielen müssen. In der Ligue 1 wird das schwierig nach einem Jahr Verletzungspause. Auch wenn Lille mit Patrick Collot nun einen neuen Trainer hat.
Ich werde mir alle Angebote anschauen. Man muss in einer solchen Situation nehmen, was kommt. Die, die mich nicht nehmen, werden greuig sein!

Ist die Schweiz ein Thema?
Alles ist ein Thema.

YB?
Wie gesagt: Ich kann mir alles vorstellen.

Auch den FC Basel?
Wie gesagt: alles (lacht – und schweigt dann ein paar Sekunden). Eigentlich kann ich nichts dazu sagen …

Im Sommer wären Sie beinahe bei Nottingham gelandet?
Ja. Und Gespräche gabs auch mit Blackburn. Auch dort habe ich mir das Trainingsgelände angeschaut. Bei Nottingham habe ich die medizinischen Tests gemacht. Und da wurde festgestellt, dass einiges an meinem Knöchel nicht gut sei. Ohne diesen Check hätte ich wohl weitergespielt. Unter Schmerzen. Das hätte das Ende meiner Karriere bedeuten können!

Wie stehts um Ihr Französisch?
Wenn ich nicht muss, rede ich nicht französisch.

Warum?
Weil die Sprache für einen Mann ungeeignet ist. Stellen Sie sich einen Bauarbeiter vor, der französisch spricht! Voulez-vous du beurre? Geht doch gar nicht! Das ist mir eine zu feine Sprache. Die der Adligen. Es ist eine Frauensprache.

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