Es ist, als ob die Bundeskanzlerin ihren Abgang verkünden würde. Jogi Löw, der Weltmeistertrainer, der erfolgreichste Coach in der Geschichte des deutschen Fussballs, jener Mann mit den grössten Erfolgen, mit dem attraktivsten Fussball, tritt nach der EM ab. 189 Spiele, 120 Siege! Löw? Eine Legende.
Die Fussstapfen, die der 61-Jährige hinterlässt, könnten grösser kaum sein. Eine Herkules-Aufgabe für jenen Mann, der Löw beerben wird. Wer es wird? Steht noch nicht fest. Sicher ist, dass es Jürgen Klopp nicht wird. Das werden viele bedauern, denn würde man den beliebtesten Deutschen küren, der 53-Jährige wäre wohl unter den ersten drei. Charismatisch, ehrgeizig, rhetorisch brillant. Einer, der Träume wahr machen kann. Das wissen sie auch beim FC Liverpool, wo er einen ganzen Klub erlöst und die erste Meisterschaft seit 1990 gewinnt. Und ein Jahr dafür die Champions League. Klopp ist Liverpool. Und er wird es auch bleiben, wie er am Dienstagnachmittag betont: «Ich werde nicht als möglicher Nachfolger von Jogi Löw zur Verfügung stehen. Ich habe hier noch einen 3-Jahresvertrag. Und man unterschreibt Verträge, weil man versucht, sich daran zu halten.» Er sei von Löws Rücktritt überrascht gewesen. «Aber es ist jetzt auch genug Zeit, einen Nachfolger zu finden.»
Damit bleiben folgende Namen als aussichtsreichste Kandidaten:
1. Hansi Flick (56)
Beim aktuellen Bayern-Trainer weiss der DFB, was er bekommt. Flick war beim Sommermärchen 2006 als Assistent dabei, beim WM-Triumph 2014 hatte er, wie man heute weiss, einen beachtlichen Anteil. Flick machte nie einen Hehl daraus, dass er gerne Bundestrainer sein würde, trat aber nie aus Löws Schatten heraus. Er hat einen engen Draht zu Nati-Chef Oliver Bierhoff. Dieser schlägt dem DFB den Kandidaten vor. Nur: Bei den Bayern hat Flick noch Vertrag bis 2023. Und Boss Karl-Heinz Rummenigge ist nicht gewillt, seinen Erfolgsmann ziehen zu lassen: «Wir werden nicht die Probleme des DFB lösen. Und wenn ich ehrlich bin: Wäre ich Trainer und sollte vom Arbeitgeber FC Bayern zum Arbeitgeber DFB wechseln, würde mir das lediglich ein Schmunzeln entlocken.»
2. Stefan Kuntz (58)
Führt seit fünf Jahren die U21-Nati, wird beim DFB für seine Fachkompetenz geschätzt, entwickelt die Jungen weiter. Kuntz gilt als extrem ehrgeizig und würde sich das Amt als Nationaltrainer wohl zutrauen. Was gegen ihn spricht: Sein Name versprüht nicht den ganz grossen Glanz. Und er hat als Trainer bei Neunkirchen, dem KSC, Waldhof Mannheim und Ahlen keine grossen Stricke zerrissen.
3. Marcus Sorg (55)
Fussball-Deutschland schreit nach einem Neuanfang, darum sind die Chancen des jetzigen Löw-Assistenten Marcus Sorg gering. Klar, Löw selbst kam nach der WM 2006 und dem Rücktritt von Jürgen Klinsmann zum Handkuss. Dass sich die Geschichte wiederholt, ist trotzdem unwahrscheinlich.
4. Ralf Rangnick (62)
Der Mann versteht Fussball, das ist unbestritten. Rangnick war Mastermind hinter dem attraktiven Fussball von Red Bull. Ein Revolutionär, Taktik-Nerd, Professor. Einer, der den Fussball verändert und weiterentwickelt hat. Nur eckt Rangnick gerne an, sagt manchmal allzu freimütig seine Meinung, kurz: Er gilt als unbequem im zwischenmenschlichen Umgang. Schwer vorstellbar, dass der DFB, der grössten Sportverband der Welt, einem solchen Mann den Bundestrainer-Job anvertraut.