Italien im Chaos - und schuld ist ein gewisser Marcello Lippi
Am Mittwoch ist für Ventura Schluss

Italien am Tag nach der selbst-proklamierten Fussball-Apokalypse. Ein «Casino» sondergleichen, wie die Italiener sagen. Sicher ist nur eines. Es wird einen neuen «Mister» geben.
Publiziert: 14.11.2017 um 20:43 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 08:10 Uhr
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Gian Piero Ventura wird wohl seinen Stuhl als Nationaltrainer räumen müssen.
Foto: AP
Alain Kunz

Noch ist Gian Piero Ventura (69) Commissario Tecnico, CT, wie der Nationaltrainer in Italien heisst. Unmittelbar nach dem 0:0-Desaster gegen die fürchterlichen Catenaccio-Schweden sagt er gar nichts. Erst an der Pressekonferenz lässt er verlauten, er denke nicht an Rücktritt. Warum auch? Im August erst ist sein Vertrag bis 2020 (!) verlängert worden. Ventura verdient über 1,5 Millionen Franken im Jahr. Freiwillig auf über vier Millionen verzichten? Ne.

Dennoch ist das Kapitel Ventura nach der ersten verpassten WM seit 1958 natürlich beendet. Verbandsboss Carlo Tavecchio wird die Entscheidung allerdings erst am Mittwoch nach einer Sitzung der Verbandsspitze bekanntgeben. Andere haben in der Zwischenzeit bereits Addio gesagt: Goalie-Legende Gigi Buffon beendet mit dem traurigen Schweden-Spiel seine unvergleichliche Karriere. Ebenso Andrea Barzagli und Daniele De Rossi.

Apropos De Rossi: Nichts dokumentiert das Chaos rund um Ventura besser als jene Szene Anfang der zweiten Halbzeit, als der Mister den heissblütigen Routinier auffordert, sich warmzumachen. Der Mittelfeldspieler sagt: «Verdammt nochmal! Ich? Warum ich? Wir müssen dieses Spiel gewinnen. Nicht unentschieden spielen.» Dann zeigt er auf Lorenzo Insigne, den begnadeten Napoli-Stürmer. Der soll doch rein! Wir brauchen Tore, bedeutet De Rossis Geste. Ventura lässt Insigne 95 Minuten auf der Bank …

Die Routiniers waren schon nach dem Hinspiel aufgestanden, hatten Ventura von einer anderen Taktik und Spielerwahl zu überzeugen versucht. Vergeblich.

Am erstaunlichsten ist aber, wer dieses Chaos um den überforderten CT zu verantworten hat: Nämlich der aktuelle Nati-Coach von China. Ein gewisser Marcello Lippi. Weltmeistertrainer 2006. Die Geschichte geht so: Als Antonio Conte nach der EM 2016 den Bettel hinschmeisst und zu Chelsea geht, ist längst klar, wer dessen Nachfolger wird: Gianni De Biasi, der Albanien sensationell an die EM geführt hat. Gleichzeitig soll Lippi neuer Technischer Direktor des Verbands werden. Als erste Amtshandlung legt er gleich mal sein Veto gegen De Biasi ein, weil er seinen alten Kumpel aus Sampdoria-Zeiten Ventura auf dem Trainerstuhl installieren will. Der Verband sagt Ja und Amen und stellt Ventura ein. De Biasi, 21 Tage lang designierter CT, guckt in die Röhre. Und Lippi? Der ist derart umstritten, weil sein Sohn Spielerberater ist und Interessenkonflikte unvermeidbar gewesen wären, dass er sein Amt gar nie antritt. Mittlerweile lässt er sich als Nati-Coach von China mit Geld zuschütten, verpasst die WM gleichwohl.

So geht das in Italien.

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