Wer die 29-jährige Aargauerin aus ihrem weissen VW-Cabrio aussteigen sieht, modische Ledertasche am Arm, kann sich schwer vorstellen, dass diese zierliche Frau mit dem geflochtenen Pferdeschwanz kurz darauf den Profi-Fussballern von GC und Schaffhausen vorgibt, wo’s lang geht.
Offside oder nicht? Eckball oder Abstoss? Foul oder Schwalbe? Belinda Brem zeigt’s mit ihrer Fahne an. Und gibt dem männlichen Schiri (falls nötig) mittels Head-Set ihre Inputs durch.
«Auch Männer müssen sich eine dicke Haut zulegen»
Klar doch, ohne Klischees geht’s auch beim Test in Niederhasli ZH nicht: Kaum geht Schaffhausen in Führung, gibt’s aus dem meist männlichen Publikum den ersten faulen Spruch Richtung der Dame mit der Fahne. «Hey, Tussi, mach mal d’Auge uuf!»
Belinda Brem, Inhaberin einer Physiotherapie-Praxis in Niederwil AG und Studentin der Ernährung und Diätehtik, zuckt nicht mal mit den Wimpern. «Vieles hört man nicht», sagt sie lächelnd zu BLICK, «man muss sich eine dicke Haut zulegen. Das ist in der Schiedsrichterei allgemein so, auch bei den Männern. Ich weiss aber von Frauen, die wieder aufhörten, weil sie auf dem Platz beschimpft wurden oder sich sexistische Sprüche anhören mussten. Sehr bedauerlich.»
Letzten Mittwoch bleibt’s beim einen verbalen Ausrutscher. Mit ihren männlichen Kollegen Tomasz Superczynski (Ref) und Bekim Zogaj (Assistent) bringt sie das Test-Spiel ohne Probleme über die Runden.
Lieber Assistentin als Schiedsrichterin
Bald ruft wieder die internationale Bühne. Nach dem Champions-League-Final der Frauen 2015 (mit der Schweizer Schiedsrichterin Esther Staubli) und der U20-WM Ende letzten Jahres in Papua-Neuguinea (mit Final-Einsatz als 5. Offizielle) fliegt Belinda Brem am nächsten Mittwoch zum nächsten Karriere-Highlight: Frauen-EM in Holland.
Die ehemalige Kickerin des FC Bremgarten startete ihre Schiri-Karriere bereits mit knapp 16. Zurzeit schwingt sie in der Schweiz in der Promotion League die Fahne. Seit 7 Jahren ist sie auch international tätig.
Keinen Bock, mal selber Spiele zu leiten? «Nein», sagt Belinda Brem vehement, «ich bin mit Leib und Seele Assistentin.»