Aufgewachsen in Menziken AG, wohnhaft in Ennetbaden, Sohn italienischer Einwanderer: Das ist Nicola Cortese, über den italienische Medien als neuen Inter-Chef spekulieren.
Vor einem Jahr übernimmt der chinesische Einzelhandelsriese Suning den 18-fachen Meister für 270 Millionen Euro. Investiert Inter 153 Millionen Euro in neue Spieler. Der Erfolg bleibt aus: Auf Platz 7 droht man sogar die Europa League zu verpassen.
Parallel füllt Suning-Boss Zhang Jindong den Inter-Vorstand mit Chinesen auf. Geschäftsführer Michael Bolingbroke (kam 2014 von ManUtd) ist ebenfalls weg – und nun braucht Inter mitten in seinem Chaos einen neuen CEO.
Das Anforderungsprofil: Erfahrung in der Finanzwelt. Fliessend Italienisch sprechend. Und Erfahrung im englischen Fussball.
Hier kommt Cortese ins Spiel, der diese Voraussetzungen perfekt erfüllt. Der Schweiz-Italiener (zweisprachig aufgewachsen) leitete das Sport Business Desk der CS. Und er schrieb zwischen 2009 und 2014 ein modernes Fussballmärchen in England.
Damals wird Cortese Präsident und CEO von Southampton, einem Klub, den der Schweizer Markus Liebherr aus der Insolvenz kaufte. Die «Saints» spielen in der dritthöchsten englischen Liga. Cortese erarbeitet sich schnell einen Ruf als knallharter Reformer. Er krempelt den Klub um, notfalls auch mit Entlassungen. Bleibt dabei aber stets menschlich: Kennt die Namen der Frauen und Kinder der Mitarbeiter, vom Spieler bis zum Platzwart. Die Frauen bekommen Blumensträusse, die Kinder Geburtstagskarten. Cortese weiss: Irgendwann bietet ein anderer Klub das Vierfache. Er fragt sich: Mit wem spricht der Spieler dann? Mit seiner Frau, mit seinen Kindern. Ein gutes Verhältnis ist ihm daher wichtig.
Parallel baut er die Academy neu auf, impft dem Klub eine klare Spielphilosophie ein. Diese bedeutet auch: Alle Teams spielen im gleichen System.
Ein Lord adelt ihn
Und setzt auf mentale Tricks: Den Spielern zeigt er nach dem Premier-League-Aufstieg ein Video mit dem Titel «The Southampton Way». Southampton gilt als Abstiegskandidat, in Corteses Video heissts: «Die Frage ist nicht, ob wir die Premier League gewinnen können, die Frage ist wie.» Die Kernaussage: Wir müssen am fittesten sein, das beste System und Scouting haben.
Cortese bricht dabei mit englischen Fussballtraditionen: Mit Medien arbeitet er kaum. Ein Trainer ist für ihn ein Trainer, kein Manager. Er entlässt den zweifachen Aufstiegstrainer Nigel Adkins, holt den arbeitslosen Mauricio Pochettino. Der Argentinier schlägt ein wie eine Bombe, ist heute bei Tottenham. Sogar Lord Brian Mawhinney, der Ex-Chef der Konservativen Partei, adelt Cortese, nennt Southampton in seiner Autobiografie gar «einer der bestorganisierten Fussballklubs».
Die Früchte erntet Cortese nur noch teilweise: Die BBC feiert ihn als «Herz des Southampton-Erfolgs», der für den Aufstieg in die Premier League 2012 verantwortlich ist. «Seine» Spieler wechseln später für unglaubliche Summen: Luke Shaw für 40 Mio. Fr. zu ManUtd. Adam Lallana für 35 Mio. und Dejan Lovren für 30 Mio. zu Liverpool.
Das Problem ist: Besitzer Liebherr verstirbt 2010. Cortese will den Bettel hinschmeissen, lässt sich dann zum Weitermachen überreden. Mit Liebherrs Tochter Katharina, welche die Aktien vererbt bekommt, hat er das Heu nicht auf der gleichen Bühne. Es kommt 2014 zur Trennung. Die Mannschaft, die Cortese aufgebaut hat, wird grösstenteils verkauft.
Liebherr holt danach Ralph Krueger, den Ex-Hockey-Naticoach. Und Cortese gönnt sich eine Auszeit. Bis er nun Inter übernimmt?