Schnee. Für Schweizer das Normalste der Welt. Und für Menschen aus Saudi-Arabien? Ein kaltes, weisses Wunder, wie die Fotos der Al-Ahli-Spieler demonstrieren. Grinsend posieren sie mit Schneebällen in der Hand, die Mehrheit der Mannschaft kennt die weisse Pracht nur aus Erzählungen. «Das war Lebensfreude pur, meine Spieler konnten nicht genug davon bekommen», sagt Christian Gross. Der neunfache Schweizer Trainer des Jahres ist für eine Woche zu Gast im Bündnerland, die Bedingungen seien optimal. «Die Luft, die Berge, es ist perfekt», schwärmt Gross. Was für ein Gegensatz zu seinem jetzigen Arbeitsort in der Provinz Mekka an der Küste des Roten Meers. Dschidda, Millionenmetropole auf der arabischen Halbinsel, wo Temperaturen von 40 Grad im Schatten herrschen.
In wenigen Wochen beginnt für den Höngger wieder die Meisterschaft, nach Platz 2 in der vergangenen Saison kann es in diesem Jahr nur ein Ziel geben. «Den Meistertitel», sagt Gross. Ob dies gelingt? Oder droht dem bald 61-Jährigen ein ähnliches Schicksal wie vielen seiner Trainerkollegen?
SonntagsBLICK: Christian Gross, in der letzten Saison wurden in Saudi-Arabien 17 Trainer entlassen. Die Liga hat nur 14 Klubs
Christian Gross: Geduld wird bei den Klubbesitzern nicht unbedingt gross geschrieben.
Warum sind ausgerechnet Sie noch im Amt?
Die Klubverantwortlichen haben gespürt, dass ich sehr gerne mit den eigenen jungen Saudi-Spielern arbeite. Zudem haben wir in der vergangenen Saison kein einziges Mal verloren.
Könnte Ihre Mannschaft in der Super League mithalten?
Ja, obwohl es schwer ist zu vergleichen. Es sind andere Umstände, andere Witterungsverhältnisse. Aber ich habe eine schnelle, athletische Mannschaft. Vier, fünf Spieler könnten für einen europäischen Spitzenverein spielen. Mein Topskorer Omar Al-Soma beispielsweise. Der trifft in fast jedem Spiel und wäre für die Super League eine Attraktion.
Insgesamt dürfen nur vier Ausländer im Kader sein.
Zudem darf kein Ausländer Goalie sein. Das ist eine Regelung des saudischen Fussballverbandes, die zu Diskussionen führt. Sie wollen ihre eigenen Goalies mit dieser Regel schützen, doch ich bin überzeugt, dass die Saudis von ausländischen Goalies profitieren würden.
Wie wird man als Ausländer behandelt?
Die Leute sind sehr zuvorkommend gegenüber Ausländern, aber sie stellen hohe Anforderungen. Menschen, die aus dem Ausland als Arbeitskraft geholt werden, stehen unter einer besonderen Beobachtung.
Sie scheinen einen hohen Stellenwert zu geniessen, die Vereinsbosse haben Ihnen zuletzt eine Vertragsverlängerung angeboten.
Ja, aber ich habe abgelehnt.
Und verzichten auf viel Geld.
Geld war nie meine grösste Antriebsfeder. Ich habe den Vertrag im Moment nicht verlängert, weil ich mich nicht zu früh binden wollte. Vielleicht gibt es noch andere Optionen in der Golfregion. In den Vereinigten Arabischen Emiraten gibt es einige sehr ambitionierte Vereine, allgemein erlebt die Golfregion einen Boom.
Wie sieht Ihr Leben in Saudi-Arabien denn tagtäglich aus? Kann man sich in Dschidda frei bewegen?
Normalerweise leben Ausländer in Compounds (von den Saudis abgegrenzte Wohngebiete, d. Red.). Ich persönlich habe wenig soziale Kontakte zur lokalen Bevölkerung.
Weil man Angst vor äusseren Einflüssen hat?
Das kann ich nicht genau erklären, aber die Saudis sind überzeugt, dass das für sie das Richtige ist. Natürlich braucht es dafür eine hohe Akzeptanz, die habe ich selbstverständlich. Auch ich muss mich an die Regeln halten, habe keine Sonderrechte. Die Saudis selbst gehen sehr tough miteinander um. Um hier zu bestehen, braucht es Lebenserfahrung.
Wie sieht Ihr Tagesablauf aus?
Ich wohne in der Nähe des Flughafens, das Trainingsgelände ist etwa eine halbe Stunde entfernt, aber es hat jeweils sehr viel Verkehr. Ich habe einen Chauffeur, weil man sehr starke Nerven braucht und unglaublich wachsam sein muss auf den Strassen. Die Fahrspur wird ein bisschen schneller gewechselt, es wird zügig überholt.
Vor Ihrem Engagement in Saudi-Arabien hatten Sie ein Angebot aus Nürnberg.
Ja, aber ich habe aus sportlichen Gründen abgesagt. Zwar hätte man die abstiegsbedrohte Mannschaft mit neuen Impulsen retten können, doch dem Verein waren die Hände gebunden. Er konnte sich in der Winterpause nicht mehr verstärken.
Nach dem Rücktritt von Ottmar Hitzfeld galten Sie bei vielen als möglicher Nachfolger. Hätte Sie der Job gereizt?
Ja, natürlich.
Den Rest des Interviews lesen Sie im SonntagsBLICK.