Fussball-Stars über das Mertesacker-Geständnis
«Wo es um viel Geld geht, gibt es Druck»

Es ist das krasseste Fussballer-Interview der letzten Jahre: Deutschlands Weltmeister Per Mertesacker redet über den Leistungsdruck, Brechreiz vor dem Anpfiff und ein WM-Aus als Erleichterung. Von Lothar Matthäus kassierte der Arsenal-Star dafür heftige Kritik. Die Fussballgrössen der BLICK-Umfrage sehen die Aussagen differenziert.
Publiziert: 13.03.2018 um 12:33 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 14:12 Uhr
Per Mertesackers Interview schlägt hohe Wellen.
Foto: Reuters
Matthias Dubach, Marco Mäder und Alain Kunz

Andy Möller (50), früher u.a. Frankfurt, Juve, Dortmund, Schalke, Weltmeister und Europameister, 85 Länderspiele für Deutschland

Foto: Imago

«Seine Aussagen sind nicht für den ganzen Profifussball aussagekräftig. Die meisten Profis leben ihre Leidenschaft aus, sie konnten ihr Hobby zum Beruf machen. Natürlich ist es ein harter Beruf. Man erlebt auch Enttäuschungen, aber die schönen Seiten überwiegen klar. Profifussball ist Teil einer Leistungsgesellschaft. Überall, wo es um viel Geld geht, gibt es Druck. Als Profi muss man mental damit umgehen können.»

Kay Voser (31), Charlotte (2. Liga USA), früher u.a. FCZ, Basel, Fulham, Sion, GC

Foto: Keystone

«Super, dass Mertesacker so ehrlich ist. An seinem Interview schockiert mich nichts. Es braucht viel Mut, die Wahrheit zu sagen. Das mit dem Durchfall geht vielen so. Auch mir. Viele müssen sich vor den Spielen übergeben. Die Angst vor Kritik oder die Angst vor Fehlern, die zu Toren führen, ist völlig normal. Der Tag vor Spielen ist Horror. Druck und Anspannung sind gross. Ich verstehe deshalb, dass er sagt, er sässe lieber auf der Tribüne. Trotzdem gibt es kein geileres Gefühl, als wenn man gewinnt, etwas erreicht hat und anschliessend mit den Teamkollegen zusammen in der Kabine feiern kann.»

Alain Sutter (50), Sportchef St. Gallen, früher u.a. GC, Nürnberg, Bayern, 62 Länderspiele für die Schweiz

Foto: Benjamin Soland

«Dass der Körper rebelliert, ist normal. Vor Spielen herrscht auf der Toilette Hochbetrieb. Druck ist ein grosses Thema. Das habe ich in den fünf Jahren in meiner Praxis für Stressmanagement eindrücklich erlebt. Man steht im Fokus, es gibt eine grosse Erwartungshaltung, man ist mit Ängsten konfrontiert. Nicht jeder ist dafür gemacht. Das geht an einem nicht spurlos vorbei, selbst wenn man wie Mertesacker Karriere gemacht hat. Als Verein kann man Rahmenbedingungen setzen. Aber den Druck, den sich Spieler selber machen, kann ihnen keiner nehmen.»

Maurizio Gaudino (51), früher u.a. Frankfurt, Stuttgart, ManCity, Basel, Bochum, 5 Länderspiele für Deutschland

Foto: Imago

«Jeder Mensch reagiert anders auf Druck, ich hatte auch Lampenfieber. Natürlich hatte die Nationalmannschaft mit Mertesacker immer extrem viel Druck. Aber das ist auch positiv, jeder Spieler will doch Weltmeister werden. Das Geld sehe ich hingegen nicht als Faktor an. Vor einem wichtigen Elfer denkst du nicht ans Geld. Für mich ist es auch eine Generationenfrage. Die heutigen Fussballer haben nicht mehr auf der Strasse gekickt. Dabei lernst du dort mit Druck umgehen. Einen Strassen-Fight willst du auf keinen Fall verlieren, sonst gerätst du noch in eine Rauferei mit den eigenen Teamkollegen!»

Markus Neumayr (31), Kasimpasa, früher u.a. Luzern, Vaduz, Duisburg, ManUnited

Foto: Toto Marti

«Ich finde Mertesackers Aussagen schwierig nachzuvollziehen, keiner hat ihn zum Spielen gezwungen. Er sieht den Druck offenbar nur negativ. Aber es gibt auch viel positiven Druck. Als Fussballer kann man viele Menschen glücklich machen, man kann ein Vorbild sein. Da ist das Sommermärchen ja das beste Beispiel. Ein ganzes Land war euphorisch. Natürlich gibts im Fussball oft eine grosse Erwartungshaltung, auch ich habe Lampenfieber. Echten Druck hingegen hat man, wenn man überlegen muss, wie man seine Familie ernährt. Ich war in meiner Karriere auch mal an diesem Punkt.»

Kubilay Türkyilmaz (51), früher u.a. GC, Bellinzona, Luzern, Bologna, Galatasaray, 62 Länderspiele für die Schweiz

Foto: Sven Thomann

Die Aussagen von Per Mertesacker sind ein Hilferuf, der ernst zu nehmen ist. Am Spieltag lächeln die Stars alle. Man sieht nur die glückliche Fassade. Und nicht, was vorher ablief. Wie es privat ausschaut. Ich habe viele gekannt, die derart schlecht mit dem Druck umgehen konnten, dass sie sich wie Mertesacker übergeben mussten. Wir Fussballer sind doch Schauspieler. Dessen muss man sich bewusst sein. Weshalb mich die Aussagen von Mertesacker erstaunen. Er hat doch eine phänomenale Karriere gemacht. Und das alles unter diesen Voraussetzungen? Man muss den Fussball positiv sehen. Als Spiel nehmen, das Spass macht. Ich tat das so. Mertesacker konnte das offenbar nicht. Ein anderer, den ich gut kannte, auch nicht. Das war im Eishockey. Er hiess Peter Jaks.»

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