Er traf Trump, Erdogan und Co.
Fifa-Boss Infantino packt aus!

Gianni Infantino (48) darf am G20-Gipfel vor den Mächtigsten der Welt reden. Im Exklusiv-Interview mit BLICK spricht er über seine Treffen mit Trump, Putin und Erdogan.
Publiziert: 04.12.2018 um 06:48 Uhr
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Aktualisiert: 04.12.2018 um 12:56 Uhr
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Die mächtigsten Menschen der Welt trafen sich am G20-Gipfel in Buenos Aires – und mitten unter ihnen Gianni Infantino.
Foto: AP
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Andreas Böni

Montag, halb zehn in Zürich. Gianni Infantino (48) sitzt im Café in der Ankunftshalle 2 im Flughafen und trinkt einen Ristretto. Er ist von Buenos Aires über Montevideo und Sao Paulo nach Zürich geflogen, hat die Nacht im Flieger verbracht.

Der Fifa-Präsident hat aufregende Tage hinter sich. Am G20-Gipfel in Buenos Aires sprach er zehn Minuten vor den mächtigsten Menschen der Welt, traf sich dann mit Präsidenten wie Wladimir Putin, Donald Trump und Recep Erdogan.

Nun sitzt er mit BLICK beim Kaffee und spricht darüber.

Herr Infantino, warum schaut Erdogan auf Ihrem gemeinsamen Foto so mürrisch, während Sie und Trump den Daumen hochrecken?
Gianni Infantino: Weil er noch nicht ganz bereit war, als der Fotograf den Auslöser drückte... Trump sagte: ‹Thumbs up›, Daumen hoch, aber Erdogan machte das erst, nachdem das Bild gemacht wurde.

Was haben Sie mit Trump besprochen?
Wir haben über die WM 2026 geredet. Sie findet ja in Mexiko, Kanada und den USA statt. Dass Fussball nach dem Turnier in den USA einen grösseren Status haben sollte. Im Moment ist es Sportart Nummer 5, das muss sich aus Fifa-Sicht allerspätestens nach dem Turnier verbessert haben.

Versteht Trump etwas von Fussball?
Ja. Und zwar immer mehr. Sein zwölfjähriger Sohn Barron spielt. Dadurch kam er mit einem Sport in Berührung, den er vorher nicht so kannte. Inzwischen hat er das Potenzial erkannt. Und dass wir als Fifa nun beim G20-Gipfel auftreten durften, hat sicher auch nicht geschadet.

Wie kam das eigentlich?
Der argentinische Präsident Mauricio Macri, der ehemalige Präsident der Boca Juniors, und ich trafen uns Anfang Jahr am WEF und kamen dann auf die Idee, dass man am G20-Gipfel auch über Fussball reden könnte. Die anderen Leader haben dann auch gefunden, das sei eine gute Idee, und so kam es dann zu einer Einladung. Ich habe übrigens jedem dieser Leader einen Ball mitgebracht, die freuten sich extrem darüber.

Hätten Sie in jedem eine Wanze versteckt, wäre das der perfekte Lauschangriff auf die Weltpolitik…
Die Bälle wurden sogar geröntgt. Und sie durften bei der Sitzung der Präsidenten gar nicht dabei sein, weil es nicht im Protokoll stand. Also haben wir die Bälle im Foyer davor verteilt. Der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte hat sofort begonnen zu jonglieren. Und auch Angela Merkel freute sich. Sie hatte allerdings kaum Zeit, vielleicht auch, weil sie verspätet ankam. Sie ging von Sitzung zu Sitzung, richtig deutsch. Sie hat wohl am meisten gearbeitet von allen (lacht).

Sie posieren mit Erdogan, dem umstrittenen türkischen Herrscher. Geht das?
Wieso nicht? Man muss seine Rolle kennen. Ich war wegen des Fussballs da, da spricht man zusammen über Fussball und nicht über Dinge wie Waffenhandel oder sonst was Tragisches. Und auch, wenn ich mit einigen Staatschefs nicht auf der gleichen politischen Linie bin, versuche ich, mit bilateralen Gesprächen Verbesserungen dank des Fussballs zu erreichen. Ein Beispiel: Im Iran haben wir es dank solcher Gespräche erreicht, dass nach 40 Jahren, endlich Frauen ins Stadion durften. In Saudi-Arabien ist das seit letztem Jahr auch so. Warum? Vielleicht auch ein bisschen weil ich mit Prinz Salman darüber geredet habe.

Prinz Salman ist ein gutes Stichwort. Er soll den Mord am Journalisten Jamal Khashoggi befohlen haben und liegt mit Erdogan im Clinch. Wie gingen die beiden in Buenos Aires miteinander um?
Natürlich liegt dieser Fall in der Luft, ist präsent. Aber allgemein war das Klima der Staatschefs untereinander doch sehr positiv, das hat mich überrascht. Und was ich mitnehme, lässt mich als normalen Bürger ruhiger schlafen.

«Werde Erdogan in der Türkei besuchen»

In Bezug auf was?
Trump und der chinesische Präsident Xi Jinping – er will bis spätestens 2050 übrigens Weltmeister werden – sassen beieinander, redeten vertraut und lachten viel. Es ist vertrauenserweckend, dass sie miteinander reden. Solange man zusammen redet, passieren keine schlimmeren Dinge, die man sich mit Atomwaffen und so gar nicht vorstellen will. Und der Fussball kann seinen kleinen Teil beitragen: Wir waren dabei, als die USA, Kanada und Mexiko ein neues Handelsabkommen unterschrieben. Ich bin überzeugt, es hat nicht geschadet, dass man zusammen die WM ausrichtet.

Über was haben Sie mit Erdogan besprochen?
Er war ein wenig enttäuscht, dass die Türkei die EM 2024 nicht bekommen hat. Wir sind so verblieben, dass ich ihn bald in der Türkei besuche.

Wladimir Putin hat Sie abgeklatscht. Wofür?
Ich sagte ihm erst Merci für die beste WM der Geschichte. Putin erzählte mir auch, dass sich durch die WM der Prozentsatz der Russen, die Sport treiben, erhöht habe. Von 20 auf 39 Prozent, durch alle Altersschichten. Da sieht man die Macht des Fussballs.

Erdogan wie Putin sind umstritten. Können solche Bilder Ihnen schaden?
Wenn man das aus dem warmen Büro in Zürich kritisiert, ist das einfach. Aber ich versuche, jedem mit Respekt zu begegnen. Die Welt ist nicht nur die Schweiz, es gibt viele Kulturen und Meinungen. Ich bin auch mit vielem auf der Welt nicht einverstanden, aber wenn man nicht hingeht und debattiert, ändert man nie was.

Und was bleibt Ihnen sonst vom G20-Gipfel?
Es war schon verrückt: Du bist in einem Raum mit den 20 wichtigsten Regierungschefs der Welt, debattierst und isst mit ihnen. Da siehst du, was der Fussball für einen Stellenwert hat, auf der ganzen Welt. Und ich bin schon auch stolz darauf, dass weniger als drei Jahre nachdem die Fifa weltweit als korrupte Organisation taxiert worden war, ich als Präsident einer neuen, sauberen und starken Fifa zum Gipfeltreffen der 20 mächtigsten Staaten der Welt eingeladen wurde und dort referieren durfte. Das ist einmalig, sendet aber auch ein enorm wichtiges Signal: Das ist die neue Fifa!

«Roger Federer ist der prominenteste Schweizer»

Sind Sie der prominenteste Schweizer inzwischen mit Ihren Zugängen in der ganzen Welt?
Nein. Erst kommt Roger Federer und dann noch viele, viele andere.

Wie oft fiel das Wort «Football Leaks» in Buenos Aires?
Ich hörte es nicht ein einziges Mal.

Verscherbeln Sie die Fifa?
Das ist der grösste Quatsch.

Die «Süddeutsche Zeitung» schrieb, Sie wollten alle Rechte nach Saudi-Arabien verkaufen. Die Fifa bliebe dann als «leere Hülle» zurück.
Es ging oder geht darum, dass 
wir gewisse Rechte über eine ­Vermarktungsagentur verkaufen würden. Diese Agentur hätte übrigens nichts mit irgendwelchen Staaten zu tun. Die Fifa hielte 51 Prozent der Agentur und weiterhin 100 Prozent der Rechte. Ein Vergleich dazu: Die Uefa hält auch 100 Prozent der Champions-League-Rechte, hat die Vermarktung aber voll und ganz an Team Marketing von Basels Präsident Bernhard Burgener ausgelagert, eine Agentur, bei der die Uefa null Prozent hält. Gab es damals Schlagzeilen, die Uefa sei verkauft worden?

Wenn aber die WM zum Verkauf stünde, dann wäre das alarmierend.
Um die WM geht es dabei gar nicht. Null und nicht. Aber es ist unsere Aufgabe, Geldquellen zu finden. Und zwar für neue Wettbewerbe, sowie für alle Verbände und viele Klubs aus aller Welt, nicht nur für ein paar wenige in ein paar wenigen Ländern in einem Kontinent.

«Reden ist Silber, Schweigen ist Gold»

Sepp Blatter sagt in «Sport-Bild», Sie hätten gegen die Fifa-Statuten verstossen und würden die Fifa missbrauchen und hintergehen.
Wie sagt man doch so schön: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Gerade, wenn man die Sachen nicht kennt. Und wenn man gewisse Verträge aus der Vergangenheit anschaut…

Sie reisten in 7 Tagen zwei Mal nach Argentinien. Erlebten Sie die Krawalle am Copa-Libertadores-Final hautnah?
Ich war im Stadion, als es passierte. Wir mussten danach ein paar Stunden bleiben, weil in der Stadt Ausnahmezustand herrschte. Wir wurden von der Polizei mit Blaulicht ins Hotel gefahren.

Die Medien berichteten, Sie hätten von Boca verlangt, anzutreten.
Eine Lüge. Über dieses Spiel entscheidet nur der südamerikanische Fussballverband.

Am Sonntag soll nun in Madrid gespielt werden. Glauben Sie, das Spiel River gegen Boca findet statt? Beide Teams sollen sich ja weigern.
Ich glaube schon, dass gespielt wird. Es ist für beide das Spiel des Jahrhunderts.

Sind Sie vor Ort?
Ja. Und ich hoffe auf ein südamerikanisches Fest. Hoffentlich ohne Zwischenfälle.

Am 5. Juni geht es in Paris um Ihre Wiederwahl. Sie haben schon Afrika, Südamerika und Ozeanien hinter sich. Tritt überhaupt jemand gegen Sie an?
Wir werden sehen. Aber 190 von 211 Verbänden haben mir schon jetzt Ihre Unterstützung schriftlich zugesichert. Ich bin also positiv.

Montag, halb elf in Zürich. Infantino fährt direkt vom Flughafen ins Büro. Nicht müde nach zwei Argentinien-Reisen in sieben Tagen? «Wieso müde? Wir arbeiten für den Fussball. Das macht doch Spass!»

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