«Es war hart, schlimm und mehr als peinlich.» Es sind die Worte von Ajax-Trainer John van 't Schip (60) nach der 0:6-Klatsche gegen Erzrivale Feyenoord Rotterdam. Es ist eine Niederlage historischen Ausmasses – in vielerlei Hinsicht. Die höchste Liga-Niederlage in der Vereinsgeschichte – zuvor war es ein 4:9 im November 1964 – ist zugleich die höchste im 203. sogenannten «Klassieker».
Das «Algemeen Dagblad» schreibt: «Feyenoord spielte mit Ajax Katz und Maus.» Als die Amsterdamer Mäuse dann in die Hauptstadt zurückkehren, werden sie von 100 aufgebrachten Ultras empfangen. Zwar laufen die Diskussionen am Teambus ruhig ab, dennoch ist die Stimmung ungemütlich.
Anders also, als noch beim Hinspiel der beiden Rivalen im September 2023. Damals musste das Spiel aufgrund von Ausschreitungen der Ajax-Fans beim Stand von 3:0 für Feyenoord abgebrochen werden. Ein paar Tage später wurden die restlichen 35 Minuten gespielt, am Ende hiess es 0:4 aus Sicht des Hauptstadt-Klubs. Das Gesamtskore zwischen Ajax und Feyenoord in dieser Saison: 0:10.
Entlassungen, Abgänge und drohende Europa-Schmach
Das passt zur völlig verkorksten Saison des holländischen Rekordmeisters (36 Titel). Da sind klubinterne Probleme, wie beispielsweise die Entlassung von CEO Alex Kroes (49), dem Insiderhandel vorgeworfen wird. Da ist der bereits angekündigte Rücktritt von Interimstrainer van 't Schip, der nach dieser Saison nicht mehr weitermachen wird. Schon Ende September hat man sich vom Technischen Direktor Sven Mislintat (51) getrennt. Und dann eben die sportliche Misere.
Der Tabellensechste der Eredivisie hat wettbewerbsübergreifend 14-mal verloren, acht Niederlagen davon stammen aus der Liga. Letztmals hat Ajax in der Saison 2008/09 achtmal verloren. Fünf Spieltage vor Schluss beträgt der Rückstand auf den Europa-League-Qualifikationsplatz sieben Punkte.
Die «Godenzonen» (dt.: Söhne Gottes) laufen Gefahr, erstmals seit der Spielzeit 1990/91 nicht in einem europäischen Klubwettbewerb dabei zu sein. Damals war Ajax von der Uefa für ein Jahr gesperrt worden, da es in der Saison zuvor im Uefa Cup (Vorgänger der Europa League) gegen Austria Wien zu Ausschreitungen gekommen war. Vom Glanz der Champions-League-Saison 2018/19, als Ajax bis in den Halbfinal eingezogen ist, ist nichts mehr da – auch kein einziger Spieler.
«Ein Spiel zwischen Männer und Knaben»
Miserabel präsentierte sich das Tabellenabbild Mitte Oktober. Nach einem 3:4 gegen Utrecht rutschte Ajax – mit weniger Spielen als die Konkurrenten – auf den vorletzten Platz ab. Die Konsequenz: Trainer Maurice Steijn (50) musste gehen. Seither kletterten die Amsterdamer zwar in der Tabelle hoch, doch für ein Kaliber wie Ajax ist Platz 6 zu wenig.
Das 0:6 gegen Feyenoord ist nun der nächste «Schlag», wie es van 't Schip bezeichnet: «Wir waren an allen Fronten unterlegen. Körperlich, am Ball. Feyenoord war von der Intensität her viel stärker.» Sein Team wollte nach der Pause (Stand 0:3) wieder von null beginnen, doch es gab nochmals drei Tore. Van 't Schips Fazit: «Das war ein Spiel zwischen Männer und Buben.»