In Deutschland nimmt die Fussball-Nationalmannschaft längst eine Vorreiter-Rolle ein, wenn es um die gesellschaftlichen Aufgaben der Anti-Diskriminierung, Integration und kulturellen Vielfalt geht. Nicht nur, weil sie selber seit der Jahrtausendwende immer mehr zu einer Multi-Kulti-Truppe geworden ist. Sondern vor allem, weil sie Angriffe von Rechts seit Jahren vehement und entschieden abwehrt.
So wie vor zwei Jahren, als der führende AFD-Politiker Alexander Gauland gegen Abwehrchef Jerome Boateng ätzte, so einen wollten «die Leute nicht als Nachbarn haben». Da stand gefühlt ganz Fussball-Deutschland auf und erwiderte: «Jerome zieh neben uns ein.»
Für viele, die sich mit dieser Nationalmannschaft und ihrem Migrations-Hintergrund voll identifizieren, ist die plumpe Erdogan-Wahlkampfhilfe der türkisch-stämmigen Mesut Özil und Ilkay Gündogan deshalb umso befremdlicher. Das Posieren mit einem Herrscher, für den Rechtsstaatlichkeit und Demokratie Fremdworte sind.
Man stelle sich vor, ein Thomas Müller würde im Bundestagswahlkampf in den Werbesendungen der AFD auftauchen. Ein No-Go. Ein Eigentor, das kaum wieder gut zu machen wäre.
Wenn Gündogan «seinem» Präsidenten hochachtungsvoll ein Trikot signiert, ist das nicht als unbedacht oder dumm abzutun. Denn der Präsident eines deutschen Nationalspielers heisst nicht Erdogan, sondern Steinmeier. Und statt als Zugpferde für den Wahlkampf des türkischen Machthabers sollten sich Gündogan und Özil ihrer Rolle als Vorbilder und Repräsentanten Deutschlands bei der WM verpflichtet fühlen. Beides zusammen geht nicht.
Da können die zwei deutschen Nati-Stars froh sein, dass Jogi Löw sein vorläufiges WM-Kader schon am Dienstag nominiert. Leider mit zwei Erdogan-Unterstützern.