Er selbst bezeichnet sich als «Sinnbild für einen gescheiterten Fussballer», mit einem Schmunzeln zwar, aber doch bringe es die Sache irgendwie auf den Punkt. Die Rede ist von Franco Varga, einst ein vielversprechendes Talent im Nachwuchs von GC, Aarau und Winterthur. Für den grossen Durchbruch im Schweizer Fussball reichte es dem Urdorfer nicht – rückblickend sollte jedoch genau jener Rückschlag in jungen Fussballerjahren die Initialzündung dafür sein, was der 29-Jährige heute macht.
Varga wollte Anfang 20 das Kicken auf hohem Niveau nicht aufgeben, gleichzeitig aber auch ein Studium angehen, um zweigleisig aufgestellt zu sein. Wie? Mittels College-Stipendium in den USA. «Fussball auf anständigem Level und Studium sind in der Schweiz nicht einfach zu kombinieren. In den USA ist diese Option gegeben, da kann man sich weiterbilden – und gleichzeitig seinen Traum weiterleben. Wer weiss, vielleicht ruft plötzlich die MLS (Major League Soccer, d. Red.)?»
Varga selbst besuchte die Auburn University at Montgomery im Bundesstaat Alabama, später das Menlo College in Kalifornien: «Es war ein Sprung ins kalte Wasser, weil ich davor noch nichts von solch einem Weg gehört hatte, letztlich aber auch eine unglaubliche Lebenserfahrung.»
Sein persönlicher Weg: Er steht am Anfang der Gründung der Agentur Collegiate Soccer Recruitment Service (CSRS), die Varga heute zusammen mit College-Weggefährte und Ex-Duisburger Yannik Fallack (27) betreut. Der per Ende Saison zurücktretende Thun-Captain Dennis Hediger (33) unterstützt die Firma hin und wieder mit seinem Kontakt-Netzwerk. Er sagt: «Mir gefällt der Gedanke, dass junge Spieler so nebst dem Fussballertraum auch noch auf die Ausbildung setzen können.»
Stipendium ja, Lohn nein
Beim früheren FCB-Junior und Nachwuchs-Internationalen Michael Weber (26, Kalifornien), dem ehemaligen Luzerner Omar Thali (25, Florida) sowie der Ex-Thunerin Rani Müller (22, Florida) ist Varga bereits an den Transfers innerhalb der USA beteiligt. Nun sollen im Sommer mit Dennis Vanin (20, ein Super-League-Einsatz für St. Gallen), David Weber (18, ex Vaduz), Levin Ledergerber (22, ex FCSG) und Lukas Aeberli (19, ex FCZ) weitere Schweizer Talente folgen.
Konkret: Varga und seine Agentur organisieren für die Fussballer/-innen (auch Amateure und Junioren) die Spielberechtigung, das Visum, die Kontakte mit den sportlichen Verantwortlichen der Colleges – und vor allem: das Stipendium, das je nachdem voll oder zumindest zu grossen Teilen von der Uni übernommen wird.
Varga betont: «Wir sind nur Dienstleister, keine Agenten wie man sie sonst aus dem Fussball-Business kennt.» Einer der grössten Unterschiede zu den üblichen Gepflogenheiten der Branche sind dann tatsächlich auch die Finanzen: Obwohl die jungen Schweizer Fussball-Studenten auf hohem Niveau unter professionellen Rahmenbedingungen trainieren und spielen, verdienen sie keinen Rappen. «Das ist der Deal. Die Spieler vertreten die Uni, im Gegenzug erhalten sie das Stipendium – und je nach Erfolg sehr hohes Ansehen», erklärt Varga.
«Im schlechtesten Fall den Bachelor»
Die Deals können variieren. Beim ex-FCZ-Verteidiger Lukas Aeberli etwa wird alles Schulische und sämtliche Reisekosten übernommen, dafür muss er selber fürs Wohnen und Leben aufkommen. Der ehemalige Junioren-Nationalspieler aus Langnau am Albis zieht per August in den Bundesstaat Iowa, auf den Campus der Grand View University der 215’000-Einwohner-Stadt Des Moines. «Das ist ein grosser Schritt – ich habe lange gebraucht, um mich zu entscheiden», so Aeberli, der ein Wirtschaftsstudium in Angriff nehmen wird. «Irgendwann habe ich dann realisiert: Ich kann gar nicht verlieren. Die MLS wäre der Hammer. Aber wenn es mit dem Fussball nicht klappt, habe ich im schlechtesten Fall nach vier Jahren den Bachelor in der Tasche», so der 19-Jährige.
Anfängliche Skepsis brachte auch Levin Ledergerber mit, als er von der College-Option erfuhr. Die Möglichkeit, den Fussball trotz Studium nicht aufgeben zu müssen, habe ihn letztlich aber überzeugt: «Ich freue mich auf die Erfahrungen am College, auf die Leute, die Sprache, die andere Kultur – und darauf, aus der eigenen Komfort-Zone in der Schweiz mal rauszukommen.» Ledergerber, der Mann aus dem beschaulichen Ebnat-Kappel SG, fliegt voraussichtlich am 1. August nach San Francisco, um dann im nahegelegenen Atherton, in der Nähe des Silicon Valley, sein Studium in Psychologie und International Business anzutreten.
Varga versteht, dass seine jungen Klienten für die Entscheidung viel Zeit benötigen: «Der Schritt ist gross, aber sehr positiv. Je nach College wartet ein Campus, der so gross ist wie eine kleine Stadt, mit eigenen Restaurants, Cafés und Top-Sportplätzen. Kein Wunder, halten teilweise auch Teams wie Real Madrid oder Liverpool ihre Trainingslager in den USA auf College-Arealen ab.»