Wolfsburg-Trainer Martin Schmidt
«Ich hatte nie Angst!»

Mensch Martin Schmidt! Hier erzählt der Wolfsburg-Trainer, wie ihn der Tod seiner Mutter prägte. Warum er stolz auf seinen Vater ist. Und was René Botteron mit seiner Frisur zu tun hat.
Publiziert: 18.12.2017 um 07:31 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 23:11 Uhr
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«Meine Mannschaft ist eine Porsche», sagt Martin Schmidt.
Andreas Böni (Interview) und Kathi Bettels (Fotos) aus Wolfsburg

Es ist kurz vor 21.30 Uhr und Martin Schmidt (50) muss los. In der VIP-Loge des Wolfsburger Stadions ist an diesem Abend quasi die komplette VW-Führungsriege zu Gast. Unter anderem Matthias Müller, der Konzern-Chef von Volkswagen und damit Boss des europaweit grössten Automobilherstellers mit 626 000 Mitarbeitern. Sie wollen sich nach dem 1:1 gegen RB Leipzig mit dem Wolfsburg-Trainer und Sportdirektor Olaf Rebbe in lockerer Runde austauschen. Um 22 Uhr erscheint Martin Schmidt dann zum SonntagsBlick-Interview.

Herr Schmidt, Ihnen muss das alles wie ein Traum vorkommen. Sie sind gelernter Automechaniker – und die ganz grossen VW-Bosse wollen Sie sehen.
Martin Schmidt: Ja, manchmal habe ich das Gefühl, dass sich ein unvorstellbarer Kreis schliesst. Quasi gestern noch stehe ich in der Garage, schraube an Autos herum oder wechsle Reifen. Und heute bin ich Trainer des VfL Wolfsburg und damit gleichzeitig auch sportlicher Repräsentant dieses riesigen Konzerns.

Wie gut ist Ihre Mannschaft? Ist sie eher ein VW Käfer oder ein Porsche?
Sicher ein Sportwagen. Eher ein Porsche. Das Potenzial ist riesig, wir sind am Optimieren, am Schrauben, um ihn auf Tempo zu bringen. In 13 Spielen nur zwei Niederlagen, das hört sich gut an, aber mit neun Unentschieden kommt man halt auch nicht richtig vorwärts.

Hier in Norddeutschland gibts kaum Berge. Im Berliner «Tagesspiegel» wurde geschrieben, dass Sie sich mehrmals täglich in die Webcam der Belalp einschalten.
Das ist in der Tat so. Wenn ich auf meinem Handy den Internet­browser öffne, komme ich sofort auf die Belalp-Seite, sehe die Walliser Berge. Heute gabs wieder einen halben Meter Neuschnee, jetzt haben wir über 1,50 Meter. Das ist wichtig, denn viele meiner Freunde leben vom Ski-Tourismus. Und auch für mein Arbeitsbekleidungs-Geschäft ist viel Schnee gut. Umso mehr der Tourismus läuft, umso mehr wird gebaut. Je mehr gebaut wird, desto mehr Arbeitskleidung wird benötigt (schmunzelt).

BLICK trifft Martin Schmidt in Wolfsburg zum Interview.
Foto: Kathi Bettels

Sie führen jene Firma mit einer Ihrer Schwestern – haben aber noch vier weitere. Kommt man da als Bruder nicht unter die Räder?
Nein, im Gegenteil, ich bin ein stolzer Bruder. Ich befand mich bei sieben Kindern – ich habe noch einen Bruder – genau in der Mitte. Von Frauen kann man sehr viel lernen, wie sie denken, wie sie fühlen.

Ihre Mutter starb früh. Wie sehr hat Sie das als Mensch geprägt?
Es ist nun über 20 Jahre her. Wenn man eine so grosse Familie ist und die Mutter früh verliert, dann ist es einschneidend für alle. Heute kann ich sagen, dass es eine Erfahrung ist, die mich reicher gemacht hat. Wenn du deine tiefe Trauer irgendwann hinter dir hast, kann dich im Leben danach wenig erschüttern. Ich habe gespürt, wie wichtig Eltern sind, wie wichtig es aber auch ist, Trauer überwinden zu können. Man kann schöne Dinge noch mehr geniessen, weil man weiss, das Leben ist tatsächlich endlich. Besonders stolz bin ich auf meinen Vater. Er wurde damals gerade pensioniert, hat sich wieder aufgerappelt und das Leben bei den Hörnern gepackt.

Sie blieben noch fast zehn Jahre daheim.
Ja, wir hatten quasi eine WG (lacht). Ich glaube, nicht nur für mich war es wichtig, in der Zeit einen Anker zu haben. Es entstand ein festes Band zwischen uns und das ist auch der Grund, warum ich so viel von Heimat und Familie rede. Und über Weihnachten werde ich auch endlich acht Tage zu Hause sein und auch Skifahren können.

Früher brachen Sie sich mal beim Skifahren die Halswirbel und fuhren das Rennen trotzdem zu Ende. Sind Sie heute ein wenig normaler?
Ja, ich muss. Erstens habe ich nicht mehr so viel Power in den Oberschenkeln und zweitens auch eine Verantwortung meinem Arbeit­geber gegenüber. Ich fahre mit kalkuliertem Risiko. Mutig und am Rand des maximal Möglichen, aber ich kenne meine Grenzen. Und ich glaube nicht, dass ich je etwas unüberlegt gemacht habe, aber ich hatte einfach nie Angst.

Spüren Sie das Alter?
Nein, überhaupt nicht. Aber die Verantwortung als VW-Angestellter. Und ich fühle mich irgendwie auch als Botschafter für die Schweiz und das Wallis.

«Ich bin stolz auf meinen Vater», sagt Schmidt.
Foto: Kathi Bettels

Sie sind als Walliser sehr katholisch. Spielt der Glaube beim Eingehen von Risiken eine Rolle?
Den Glauben verbinde ich gerne mit Werten. Wie gehe ich mit Mitmenschen um? Mit Mitarbeitern? Mit Spielern? Respekt muss immer im Zentrum stehen sowie Höflichkeit, Demut, Rückgrat und Ver­trauen sind Grundwerte im Leben. Da kann ich viel aus dem Glauben ziehen.

Gehen Sie regelmässig in die Kirche?
Ja, auch hier, wenn es die Zeit zulässt. Es ist für mich ein Ort der Ruhe, der Erholung und des Krafttankens. Ich habe in Wolfsburg die Christophorus-Kirche gefunden. Das ist ja der Schutzpatron der Autofahrer, passt also auch ganz gut.

Vergangene Woche hat sich in der Schweiz mit Pascal Erlachner ein Schiedsrichter als schwul geoutet. Was denken Sie darüber?
Er hat sich sehr mutig geäussert. Ich habe Achtung vor Anders­denkenden, ich habe Achtung vor Andersgläubigen und ich habe Achtung vor Menschen, die im Leben Mut beweisen.

«BILD am Sonntag» bezeichnete Sie als «Reinhold Messner» des Fussballs. Schmeichelhaft?
Gut, vielleicht weil ich aus den Bergen komme, eine eigene Meinung habe und ein bisschen eigenwillig bin.

Und lange Haare. Trugen Sie Ihre Frisur je kurz?
In der RS mit 20. Aber bei den WKs später hatte ich sie schon zusammengeflochten. Mit 12, 13 wollte ich lange Haare, wie damals ein René Botteron oder Kevin Keegan. Heute gehörts irgendwie zu mir.

René Botteron war frisurentechnisch eines der Vorbilder von Martin Schmidt.
Foto: Blicksport

Apropos Siebzigerjahre: Wie gut kennen Sie Fifa-Boss Gianni Infantino, den anderen prominenten Fussball-Walliser im fast selben Alter?
Er ist ein Jugendfreund, und in Fussballkreisen läuft man sich immer mal wieder über den Weg.

Bei seinem Fussballturnier in Brig fehlten Sie aber.
Es waren ja Maradona, Ronaldo und Buffon da, da musste ich nicht auch noch da sein ... (lacht). Lustig ist: Schon als wir Jugendliche waren, Gianni war erst 16, 17, hat er ein Fussballturnier beim FC Folgore organisiert – und ich wurde als Stürmer des FC Naters Torschützenkönig.

Kehren Sie eines Tages zurück ins Wallis?
Sicher. Zu Hause an einem Oldtimer rumschrauben und erzählen, was ich alles erlebt habe. Ja, das kann ich mir gut vorstellen.

Bundesliga
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Bayern München
Bayern München
11
29
29
2
RB Leipzig
RB Leipzig
10
10
21
3
Eintracht Frankfurt
Eintracht Frankfurt
10
10
20
4
Bayer Leverkusen
Bayer Leverkusen
10
5
17
5
SC Freiburg
SC Freiburg
10
2
17
6
Union Berlin
Union Berlin
10
1
16
7
Borussia Dortmund
Borussia Dortmund
10
0
16
8
Werder Bremen
Werder Bremen
10
-4
15
9
Borussia Mönchengladbach
Borussia Mönchengladbach
10
1
14
10
FSV Mainz
FSV Mainz
10
1
13
11
VfB Stuttgart
VfB Stuttgart
10
0
13
12
VfL Wolfsburg
VfL Wolfsburg
10
1
12
13
FC Augsburg
FC Augsburg
11
-10
12
14
1. FC Heidenheim 1846
1. FC Heidenheim 1846
10
-2
10
15
TSG Hoffenheim
TSG Hoffenheim
10
-6
9
16
FC St. Pauli
FC St. Pauli
10
-5
8
17
Holstein Kiel
Holstein Kiel
10
-13
5
18
VfL Bochum
VfL Bochum
10
-20
2
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