Es ist das Jahr 2001, als Borussia Mönchengladbach an St. Gallens Meister-Goalie Jörg Stiel denkt. Dieser muss allerdings noch das Vorstellungs-Gespräch bei Präsident Rolf Königs überstehen. Trainer Hans Meyer hat den Boss schon vorbereitet.
«Ich sagte ihm, Stiel sei 1,83 Meter gross», sagt Meyer (76) zu BLICK. «Jörg kam dann in der ausgebeultesten Hose, die ich je gesehen habe, ins Präsidiumszimmer. Rolf Königs hat ihn von oben bis unten gemustert und verwundert gefragt: «Sie sind Torwart? Wie gross sind Sie?»
Zu Meyers Entsetzen antwortet Stiel: «1,79!» Meyer meint im Rückblick lachend: «Der Deal wäre fast geplatzt!» Es werden drei glückliche Saisons für Stiel mit 89 Bundesliga-Spielen. Er ist der erste Schweizer bei der Borussia.
Gladbach nimmt das Stiel-Risiko auf sich
Stiel sagt schmunzelnd: «Jaja, der Hans, er schmückt das gerne ein wenig aus. Es macht schon stolz, dass ich der Schweizer Pionier war. Aber es war Notnagel-mässig. Sie haben keinen anderen gefunden und dann mich geholt, sie haben das Risiko genommen.»»
Aber der Notnagel wird Publikumsliebling. Weil Stiel sich nie verbiegt, mit den Fans gleich redet wie mit dem Präsidenten. Weil er wirklich gut spielt. Und weil er als Captain die Mannschaft mitreisst.
In Gladbach hat man ihn so gern, dass er nach der Karriere sogar einen Job als Spanisch-Übersetzer bekommt und einige Jahre ausfüllt. Während Meyer heute im Vorstand sitzt, beobachtet Stiel die Borussia aus der Distanz. Und mit grosser Freude.
«Der ganze Erfolg hat einen Namen: Max Eberl»
Vor dem Bayern-Spiel am Samstag sagt er: «Es wundert mich nicht gross, dass man vorne mitspielt. Der Verein ist am konstantesten gewachsen und arbeitet am Nachhaltigsten. Das hat mit der Führung zu tun. Wenn ein Verein gut geführt ist, hast Du auch auf dem Platz kein Theater. Der ganze Erfolg hat einen Namen: Max Eberl.»
Der Sportdirektor ist ein Freund Stiels und sagte zu BLICK, dieser sei «der kleinste Goalie, mit dem ich je gespielt habe...» Stiel seinerseits sagt, Eberls Erfolgsgeheimnis sei seine Bodenständigkeit. «Er weiss woher er kommt und was er kann. Das sah man auch auf dem Platz. Bekam er den Ball, versuchte er nicht den dreifachen Übersteiger, sondern spielte ihn weiter.»
Was Stiel imponiert: «Zu Beginn bekam Max extrem aufs Dach. Und er wuchs daran.» So sagte Gladbach-Legende Berti Vogts einst: «Er weiss ja gar nicht, wie er in diese Position gekommen ist. Er ist wahrscheinlich zufällig mit dem Fahrrad vorbeigekommen. Eberl ist mal von Torpfosten zu Torpfosten gelaufen und mehr nicht.» Stiel: «Ich denke, Berti würde sich heute auch anders äussern.»
Eberl holt Spieler, die zum Klub passen
Eberls Erfolgsgeschichte ist eng mit den Schweizern verknüpft. Vor allem mit Lucien Favre, der den Klub erst vor dem Abstieg rettet und dann in die Champions League führt. Kontinuierlich baut Eberl am Verein.
«Wenn du mit ihm redest, ist er gedanklich immer schon zwei Schritte weiter als Du. Er holt Spieler, die zum Klub passen», sagt Stiel. Er selbst war nach der Karriere als Spanischübersetzer für Borussia tätig. Und er sagt zu Eberl in der Krisen-Zeit den Satz: «Wenn Du das überlebst, wirst Du ein ganz Grosser.»
Er ist einer der grössten Manager der Bundesliga geworden. Auch, weil er zehn Schweizer holte nach Stiel (siehe Textkasten). Zuletzt baute Eberl Breel Embolo auf. «Es spricht für Gladbach, dass sich Embolo wohl fühlt und dann Leistung bringt. Dass Breel auf Schalke nicht funktionierte, wundert mich nicht. Und dann ist eine Verletzung dann manchmal auch kein Zufall. Es gibt Spieler und Vereine, die passen einfach nicht zusammen.»
«Meistertitel würde mich freuen»
Über seinen Schweizer Nachfolger im Tor, Yann Sommer (30), sagt Stiel: «Er ist mittlerweile eine Kultfigur in Gladbach. Er reiht sich nahtlos in die Namen der grossen Gladbach-Torhüter ein, die da sind: Kleff, Sude, Kamps, Keller oder ter Stegen. Wie ich schon sagte, als Yann nach Gladbach wechselte: Das passt wie die Faust aufs Auge!»
Doch kann Gladbach Meister werden? Stiel ist skeptisch: «Die Saison ist lang. Aber klar, es würde mich freuen.» Es wäre ein Wunder, wie er es 2000 mit St. Gallen erreichte. «Wir waren eine mittelmässige Truppe, aber wir hatten die richtige Haltung», sagt Stiel. «Wenn Gladbach das hinkriegt, kann am Schluss sehr viel drinliegen.»
Am Samstag empfängt Gladbach die Bayern und kann auf sieben Punkte davonziehen. 100 000 Tickets hätte man verkaufen können gegen den ewigen Rivalen der 70er Jahre. Damals wurde die Borussia fünf Mal Meister - ein Sieg gegen die Bayern und man darf wieder davon träumen.
- Jörg Stiel (2001 bis 2004)
- David Degen (2006 bis 2008; Leihe zu Basel)
- Lucien Favre (2011 bis 2015)
- Granit Xhaka (2012 bis 2016)
- Yann Sommer (2014 bis heute)
- Josip Drmic (2015 bis 2019; Leihe zu Hamburg)
- Nico Elvedi (2015 bis heute)
- Djibril Sow (2015 bis 2017)
- Denis Zakaria (2017 bis heute)
- Michael Lang (2018 bis heute; Leihe zu Bremen)
- Breel Embolo (2019 bis heute)
- Jörg Stiel (2001 bis 2004)
- David Degen (2006 bis 2008; Leihe zu Basel)
- Lucien Favre (2011 bis 2015)
- Granit Xhaka (2012 bis 2016)
- Yann Sommer (2014 bis heute)
- Josip Drmic (2015 bis 2019; Leihe zu Hamburg)
- Nico Elvedi (2015 bis heute)
- Djibril Sow (2015 bis 2017)
- Denis Zakaria (2017 bis heute)
- Michael Lang (2018 bis heute; Leihe zu Bremen)
- Breel Embolo (2019 bis heute)
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | Bayern München | 10 | 26 | 26 | |
2 | RB Leipzig | 10 | 10 | 21 | |
3 | Eintracht Frankfurt | 10 | 10 | 20 | |
4 | Bayer Leverkusen | 10 | 5 | 17 | |
5 | SC Freiburg | 10 | 2 | 17 | |
6 | Union Berlin | 10 | 1 | 16 | |
7 | Borussia Dortmund | 10 | 0 | 16 | |
8 | Werder Bremen | 10 | -4 | 15 | |
9 | Borussia Mönchengladbach | 10 | 1 | 14 | |
10 | FSV Mainz | 10 | 1 | 13 | |
11 | VfB Stuttgart | 10 | 0 | 13 | |
12 | VfL Wolfsburg | 10 | 1 | 12 | |
13 | FC Augsburg | 10 | -7 | 12 | |
14 | 1. FC Heidenheim 1846 | 10 | -2 | 10 | |
15 | TSG Hoffenheim | 10 | -6 | 9 | |
16 | FC St. Pauli | 10 | -5 | 8 | |
17 | Holstein Kiel | 10 | -13 | 5 | |
18 | VfL Bochum | 10 | -20 | 2 |