«Meine Frau konnte die Geburt noch etwas rauszögern»
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Renato Steffen zieht Bilanz:«Meine Frau konnte die Geburt noch etwas rauszögern»

Renato Steffen im Interview
«Verstehe Derdiyoks Kritik an Petkovic»

Seit einem Jahr spielt Renato Steffen beim VfL Wolfsburg. Im Interview spricht er über Social Media, Nati-Trainer Petkovic, die Geburt seines Kindes und seinen Wechsel von YB zu Basel.
Publiziert: 15.02.2019 um 11:35 Uhr
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Aktualisiert: 15.02.2019 um 15:11 Uhr
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Gut gelaunt: Renato Steffen beim BLICK-Interview in Wolfsburg.
Foto: TOTO MARTI
Andreas Böni (Interview) und 
Toto Marti (Foto) aus Wolfsburg

BLICK: Renato, Sie sind im Sommer Papa eines Sohnes geworden. Stimmt es, dass es verdammt knapp war?
Renato Steffen: Und wie! Meine Verlobte sagte mir vor dem Spiel gegen Schalke, dass es langsam so weit sei. Sie hatte Wehen. Ich bot ihr an, das Spiel sausen zu lassen, aber sie wollte unbedingt, dass ich spiele – obwohl sie schon grosse Schmerzen hatte. Glücklicherweise hielt sie es die 90 Minuten noch aus und wir gewannen 2:1. Als ich das Handy einschaltete nach der Partie, hatte sie geschrieben, nun sei es aber doch sehr eilig. Ich war noch nie so schnell unter der Dusche und aus dem Stadion ins Spital, das zum Glück nur wenige Minuten entfernt ist.

Wie viel später war Ihr Sohn da?
Um 17.20 Uhr war Abpfiff, es hiess, gegen 18 Uhr komme das Baby. Schliesslich war ich um 19.48 Uhr Papa. Es ist wunderschön, und ich bin sehr stolz auf meine Freundin Qendresa, die ich diesen Sommer auch heirate. Nicht jede Frau hätte dich noch spielen lassen.

Ist sie Schweizerin?
Nein, sie ist Albanerin und in Zürich aufgewachsen.

Hat Ihr Kumpel Taulant Xhaka Sie verkuppelt?
(lacht) Nein, gewisse Dinge kann ich schon noch selbst...

In der Schweiz waren Sie die grosse Reizfigur. In Deutschland sind Sie eher unbekannt. Fehlt Ihnen das böse Image?
Eigentlich nicht. In Deutschland bist du erst der kleine Schweizer, auf den niemand gewartet hat. Und ich hatte damit gerechnet. Ich bin ein Mensch, der sehr lange braucht, um sich an etwas Neues zu gewöhnen. In der Schweiz störte es mich, dass die Leute oft negativ über mich Menschen redeten. Sie haben den Steffen auf dem Feld und den Menschen Steffen in einen Topf geworfen.

Ihr Teamkollege Admir Mehmedi sagt, Sie seien privat ganz anders als auf dem Feld. Umgänglich, nett und ruhig, auf dem Platz manchmal aggressiv.
Das stimmt. Aber ja, meine Spielart ist hart und giftig.

Ihr Vater war Schiedsrichter. Hätte er Freude am Spieler Steffen?
Er hat sich eher rausgehalten... Aber er konnte mir ein paar Dinge aus einer anderen Warte erklären, wenn ich mich wieder mal über einen Schiri aufgeregt habe.

Warum haben Sie alle Ihre Social-Media-Kanäle gelöscht?
Als junger Spieler dachte ich, das könne mir helfen. Es ist Werbung für einen selbst. Aber man gibt Leuten damit eine Angriffsfläche, die einen nicht mögen. Du bist greifbar. Es wurde immer schlimmer. Es gab Beschimpfungen gegen meine Familie, gegen meine Verlobte. Menschen, die unsere Beziehung kaputt machen wollten. Vieles anonym. Es war eine Grenze erreicht, wo ich dann alles löschte. Heute kann ich sagen: Ich vermisse es eigentlich auch nicht.

Einem Fan schrieben Sie: «Gang go schaffe, Du Truurige», nachdem Sie dieser als «Souhund» beschimpft hatte.
Da kann ich heute drüber lachen, das ist extrem lange her, da war ich noch bei YB. Aber ich habe damals schon oft geantwortet auf die persönlichen Nachrichten, um mich zu erklären. Viele entschuldigten sich danach.

Sie sagten in einem Interview, Sie wollten nur noch Leute um sich, die Ihnen gut tun. Was hatten Sie für schlechte Menschen um sich herum?
Zu viele Schulterklopfer in meinem privaten Umfeld. Die plötzlich alle weg waren, als es nicht mehr lief. Viele wollten auf der Welle schwimmen, mich zu kennen. Und ich muss selbstkritisch sagen, dass ich das auch zuliess.

Sie empfanden das letzte halbe Jahr beim FC Basel nach dem Umbruch als schwierig. Warum?
Es war alles ein bisschen neu, alle mussten sich zuerst einmal finden im Verein. Hinzu kam, dass ich es teilweise so empfand, dass meine Spielweise nicht so gut gesehen wird.

Von wem?
Das war so ein allgemeines Empfinden, vielleicht liege ich damit nicht richtig. Aber ich hatte das Gefühl, dass ich nur an Skorerpunkten gemessen wurde. Ich fühlte mich nicht mehr so frei im Kopf und konnte meine Leistung nicht so abrufen, wie ich es mir gewünscht hätte. Aber das ändert nichts daran, dass mein Herz dem FC Basel gehört.

Sie haben sich also nicht über den Meister-Titel von Ihrem Ex-Klub YB gefreut?
Es ist schön für YB. Aber eben, die mgrösseren Gefühle habe ich für den FCB. Ich fiebere mehr mit Basel mit. Und ich sage: Egal, was in den nächsten Jahren beim FCB passiert, ich würde immer wieder dahin zurück. Und einer ist ja dann sicher auch noch da... (lacht)

Taulant Xhaka.
Genau, der geht ja nie weg.

Als Sie 2016 von YB zu Basel wechselten, wurden Sie oft niedergepfiffen.
Mit Pfiffen konnte ich immer gut umgehen, die brauchte ich. Die treiben mich an. Das Problem war eher, wie es damals von Seiten YB verlaufen ist.

Sie wechselten sechs Monate vor Ablauf Ihres Vertrags zu Basel.
Ja, ich verlängerte nicht, weil Sportchef Fredy Bickel mir nie das Gefühl gab, wichtig zu sein. Mir fehlte die Wertschätzung.

Keine finanziellen Gründe?
Nein. Ich merkte einfach nicht, dass er unbedingt will, dass ich bleibe. Oder dass man mich auf eine Stufe mit Guillaume Hoarau oder Steve von Bergen stellt. Nicht finanziell, sondern wie wichtig ich wahrgenommen werde. Darum ging ich zu Basel.

Es war nicht Ihr erster Stolperstein in der Karriere. Als Sie 15 waren und bei Aarau, sagte man Ihnen, Sie würden sich schlecht verhalten, seien disziplinlos und ungeeignet für eine Profikarriere. Und natürlich auch zu klein.
Also dass ich undiszipliniert gewesen sein soll, kann ich mir nicht vorstellen. Ich kann mich bei Aarau an keine einzige Rote Karte erinnern. Die kamen später bei Schöftland – dorthin musste ich zu den B-Junioren. Ich setzte mir trotzdem das Ziel, bis 23 Profi zu sein. Über die 2. Liga in Schöftland und die 1. Liga in Solothurn kam ich mit 21 zu Thun. Und dann ging es weiter aufwärts. Es ist eine riesige Genugtuung gegenüber jenen Personen in Aarau, heute in der Bundesliga zu spielen.

Warum spielen Sie in der Nati keine Rolle? Steht Trainer Vladimir Petkovic nicht auf Sie?
Das könnte man meinen, ja. Vielleicht steht er nicht auf mich. Es ist eine Frage, die ich mir auch schon gestellt habe. Aber ich habe aufgehört nachzudenken, wieso. Früher habe ich daraufhin gefiebert, wenn die Nati-Aufgebote kommen. Mittlerweise schaue ich einfach nicht mehr und probiere, meinen Fokus auf den Verein zu legen.

Klingt nach baldigem Rücktritt.
Nein, wenn er mich aufbietet, komme ich. Was gibt es Schöneres, als für die Nati aufzulaufen? Aber irgendwann willst du einfach nicht mehr der Lückenbüsser sein. Meine Zeit für irgendetwas zu geben, wo du doch nicht 100-prozentig dabei ist, ist mir eigentlich zu schade. Vor allem, wenn ich eine Familie habe, die auch meine Zeit braucht. Was mich erstaunt, ist: Als ich in der Super League war, sah ich, dass jene, die im Ausland spielten, immer dabei waren. Jetzt bin ich auch im Ausland und selten dabei, obwohl viele Spieler verletzt waren.

Haben Sie mit dem Trainer mal darüber gesprochen?
Nein. Aber vielleicht liegts auch an mir. Dass ich nicht auf ihn zugehen kann und fragen, was das Problem eigentlich ist. Vielleicht bin ich zu stolz dafür.

Eren Derdiyok beklagt sich über die Kommunikation, dass ihn «Petkovic sehr enttäuscht» habe. Können Sie diese Aussagen nachvollziehen?
Ja, ich kann Derdiyok schon verstehen. Aber bei ihm ist es noch ein wenig anders, er hat viel mehr Länderspiele als ich. Dass ihm dann die Wertschätzung fehlt, ist nachvollziehbar. Am Ende des Tages muss man akzeptieren, wie der Trainer entscheidet. Aber man könnte vieles einfacher machen, wenn man mehr und öfters miteinander reden würde.

Sie haben eine Malerlehre gemacht. Wie sehr hat Sie diese beeinflusst?
Sie hat mir Bodenständigkeit gegeben. Ich weiss, wie es ist, hart zu arbeiten und wie privilegiert ich bin als Fussball-Profi. Zu wissen, dass mir nichts geschenkt wird. Stunden, die ich wegen des Fussballs verpasste, holte ich damals zum Beispiel am Samstagmorgen nach.

Wollen Sie in den Job zurück?
Ich könnte es mir schon vorstellen. Vielleicht nicht voll auf der Baustelle, aber als Projektleiter mit einem Team oder so.

Wann hatten Sie das letzte Mal einen Pinsel in der Hand?
Das Kinderzimmer habe ich selber gestrichen.

Bundesliga
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Bayern München
Bayern München
15
34
36
2
Bayer Leverkusen
Bayer Leverkusen
15
16
32
3
Eintracht Frankfurt
Eintracht Frankfurt
15
12
27
4
RB Leipzig
RB Leipzig
15
4
27
5
FSV Mainz
FSV Mainz
15
8
25
6
Borussia Dortmund
Borussia Dortmund
15
6
25
7
Werder Bremen
Werder Bremen
15
1
25
8
Borussia Mönchengladbach
Borussia Mönchengladbach
15
5
24
9
SC Freiburg
SC Freiburg
15
-3
24
10
VfB Stuttgart
VfB Stuttgart
15
4
23
11
VfL Wolfsburg
VfL Wolfsburg
15
4
21
12
Union Berlin
Union Berlin
15
-5
17
13
FC Augsburg
FC Augsburg
15
-15
16
14
FC St. Pauli
FC St. Pauli
15
-7
14
15
TSG Hoffenheim
TSG Hoffenheim
15
-8
14
16
1. FC Heidenheim 1846
1. FC Heidenheim 1846
15
-15
10
17
Holstein Kiel
Holstein Kiel
15
-19
8
18
VfL Bochum
VfL Bochum
15
-22
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