Ottmar Hitzfeld zum Bundesliga-Start

«Ich kann die Kritik an Favre nicht nachvollziehen!»

BLICK: Ottmar Hitzfeld, mit 71 gehören Sie zur Risikogruppe. Wie gehts Ihnen in der ganzen Krise?
Ottmar Hitzfeld: Mir gehts super, alle im Umfeld sind gesund. Was mir fehlt, sind meine drei Enkel, die ich seit Wochen nicht mehr gesehen habe. Zum Glück gibts Facetime, ich rede jeden Tag mit ihnen. Wenn ich denke, wie das früher war, als wir mit dem FCB nach Mexiko oder Thailand reisten. Da standest du ein, zwei Stunden an der Réception, bis dir eine Telefonleitung hergestellt wurde ... Diese Technik, dass man einander sehen kann, ist ein Geschenk für mich. In dieser Zeit, in der die Welt lahmgelegt ist. Früher sahst du Seuchenfilme und dachtest, das sei alles völlig übertrieben. Und heute ist es Realität.

Hatten Sie Angst?
Nein, aber ich halte alle Regeln ein und montiere die Maske, wenn ich unterwegs bin. Weniger wegen mir, mehr wegen meiner Mitmenschen. Aus Respekt.

Am Samstag startet nun die Bundesliga wieder ...
... und ich ersehne diesen Moment, Samstag, halb vier. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich einmal so auf Geisterspiele freue. Ich brenne darauf.

Schafft es Lucien Favre mit seinem BVB, den FC Bayern zu fordern?
Die Vorteile liegen bei Bayern, vier Punkte sind viel. Vor allem, wenn du dazu noch die beste Mannschaft hast.

Aber es kommt noch zum Direkt­duell in Dortmund.
Ja, aber ohne Fans. Da sind die Bayern auch eher im Vorteil. Aber nochmals zu Lucien Favre ...

... bitte.
Ich finde es fantastisch, wie er die Mannschaft aus der Krise geholt hat. Ich kann diese Kritik an ihm sowieso nicht nachvollziehen und frage mich wirklich, woher sie eigentlich kommt. Denn wenn du die Fakten anschaust, dann kannst du kein Verständnis für die Heftigkeit haben, die auf ihn einprasselt. Er macht jeden Spieler besser. Er hat extrem viele junge Spieler eingebaut. Er hat in der Krise das System umgestellt und die richtigen Massnahmen ergriffen. Er arbeitet unglaublich gut.

Ihm fehlt ein Titel.
Ja, aber die Bayern sind einfach noch einen Tick besser. Und jetzt in den Geisterspielen haben sie bestimmt als erfahrene Mannschaft einen Vorteil.

Bayern hat mit Hansi Flick verlängert. Eine gute Entscheidung oder voreilig ohne ersten Titelgewinn?
Er ist Sympathieträger, hat selber bei Bayern gespielt und weiss mit der Mannschaft umzugehen. Er hat die Arbeit von Niko Kovac gut weitergeführt. Mir kommt die Würdigung und Anerkennung von Kovac zu kurz, ganz ehrlich.

Gut, dass er sich mit Thomas Müller anlegte, war vielleicht der falsche Weg.
Du kannst nicht immer jeden spielen lassen, Thomas Müller war zu jener Zeit auch nicht in blendender Verfassung. Das sieht der Trainer ja, du legst dich doch nicht unnötig mit Bayern-Idolen an. Kovac hat das Double gewonnen, die Erfolge sprechen für ihn.

Glauben Sie, dass sich der Fussball nach dem Coronavirus ändert?
Ja. Ich denke, dass in ganz Europa anders mit dem Geld umgegangen wird. Weil der Fussball auch Ausstrahlung auf die Ge­sellschaft hat. Diese Irrsinnssummen werden hoffentlich nicht mehr bezahlt. 222 Millionen für Neymar, das war schon eine Katastrophe. Ich hoffe, man besinnt sich auf ein vernünftiges Mass, auch bei den Ge­hältern. Denn es brechen Zuschauer­einnahmen weg und auch Sponsoren, die Probleme haben.

Wie sehen Sie die Sonderrolle des Fussballs in der Gesellschaft?
Die Sonderrolle ist okay. Weil der Fussball auch Millionen Fans glücklich macht. Auf der ganzen Welt. Das gehört auch zur Lebensqualität. Ich jedenfalls freue mich, endlich mal über Fussball zu diskutieren.

Hätten Sie als Trainer mit Maske an der Linie gecoacht?
Nein, das geht doch nicht. Du bekommst mit der Maske eh schon schlechter Luft. Wenn du dann noch Anweisungen gibst oder über den Schiri fluchst ...

Die Deutschen spielen jetzt, die Schweizer frühestens Mitte Juni. Christian Constantin hat mit einer Klage gedroht. Wie sehen Sie das?
Mal schauen, was er dann machen wird. Als ich Ende der Siebzigerjahre in Lugano spielte, war er unser Ersatzgoalie. Er war ein netter Kerl, aber fiel mir nie gross auf. Seine Aussagen sind manchmal, sagen wir mal, erstaunlich. Aber was mir gefällt, ist, dass er wenigstens alles aus dem eigenen Sack zahlt. Ohne ihn würde es den FC Sion nicht mehr geben. Aber ich hoffe schon auch, dass Constantin einer Meisterschaftsweiterführung in der Schweiz am Ende nicht im Wege steht.

Bundesliga

		Mannschaft	SP	TD	PT
	1	Bayern München	10	26	26
	2	RB Leipzig	10	10	21
	3	Eintracht Frankfurt	10	10	20
	4	Bayer Leverkusen	10	5	17
	5	SC Freiburg	10	2	17
	6	Union Berlin	10	1	16
	7	Borussia Dortmund	10	0	16
	8	Werder Bremen	10	-4	15
	9	Borussia Mönchengladbach	10	1	14
	10	FSV Mainz	10	1	13
	11	VfB Stuttgart	10	0	13
	12	VfL Wolfsburg	10	1	12
	13	FC Augsburg	10	-7	12
	14	1. FC Heidenheim 1846	10	-2	10
	15	TSG Hoffenheim	10	-6	9
	16	FC St. Pauli	10	-5	8
	17	Holstein Kiel	10	-13	5
	18	VfL Bochum	10	-20	2