Niko Kovac zur Kritik an seiner Arbeit
«Das Spielchen der Medien gehört dazu»

Fussball-Deutschland spricht über ihn – wir mit ihm. SonntagsBlick trifft Bayern-Trainer Niko Kovac (46) in dessen erster Krise. Ottmar Hitzfeld (69) gibt ihm Tipps. Ein Gespräch über Druck, Religion, eine Nacht im Knast und eine Rauferei.
Publiziert: 07.10.2018 um 03:14 Uhr
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Aktualisiert: 08.10.2018 um 08:53 Uhr
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Ottmar Hitzfeld (l.) und Niko Kovac im Doppel-Interview: Die beiden begegnen sich mit viel Respekt und Anerkennung.
Foto: Sven Thomann
Andreas Böni (Interview) und Sven Thomann (Fotos) aus München

Es ist edel-rustikal im Restaurant Eierwiese im Münchner Vorort Grünwald. Die Speisekarte der Schank und Speise­meisterei verspricht bayrische Schmankerl wie «Gröstl vom Ferkel mit Knödel» oder «Grünwalder Krustenbraten mit Dunkelbierjus».

Niko Kovac (46) und Ottmar Hitzfeld (69) bestellen sich Espresso und Cappuccino, dazu stilles Wasser. Für SonntagsBlick trifft sich der aktuelle Bayern-Trainer mit der Münchner Trainer-Legende. Von 2001 bis 2003 spielte Kovac unter Hitzfeld.

Es ist der Tag nach dem 1:1 der Bayern gegen Ajax, die dritte sieg­lose Partie von Kovac in Folge. Gestern mit dem 0:3 gegen Gladbach folgt die vierte. «Verzockt sich Kovac? Welche Stars schon sauer sind», schreibt «Sport Bild». «Wut-Abgang von James», titelt «Bild» oder die «Süddeutsche» meint: «Kovac wirkt bekümmert.» Beim Interview nicht.

Doppel-Interview mit BLICK: Ottmar Hitzfeld und Niko Kovac begrüssen sich herzlich.
Foto: Sven Thomann

 

Niko Kovac, Ottmar Hitzfeld ist in München, um seine Enkel zu besuchen, die hier leben. Ohne Stress. Sind Sie eifersüchtig?
Niko Kovac: Ich beneide ihn schon, klar, aber das hat er sich verdient. Zu Ottmars Zeit war der Stress vielleicht sogar grösser als bei mir. Als er Trainer und ich Spieler beim FC Bayern war, hatte der Klub knapp 100 Angestellte, heute ist es ein Zigfaches. Mir wird heute einiges mehr abgenommen als ihm damals. Und zur Frage: Diese Phase des Geniessens kommt auch in meinem Leben noch. Ich werde bestimmt nicht auf der Trainerbank sterben, sondern mich irgendwann entspannt zurücklehnen und beobachten.

Ottmar, was war am 7. November 2002?
Ottmar Hitzfeld: Keine Ahnung.

Sie brachen das Training ab, weil sich Niko und Bixente Lizarazu die Köpfe einschlugen.
Hitzfeld: Ja?
Kovac: Stimmt. Oder fast. Abgebrochen hat er das Training nicht, die Einheit wäre eh fertig gewesen. Wir hatten einen kleinen Disput, sage ich mal. Ein sturer Franzose und ein sturer Kroate. Jeder wollte recht haben, keiner nachgeben, und dann gingen wir aufeinander los.

Im November 2002 gehen Niko Kovac (l.) und Bixente Lizarazu (ganz rechts) im Bayern-Training aufeinander los – Hitzfeld war damals Trainer der Münchner.
Foto: KEY

Nur Lizarazu bekam eine Geldstrafe, warum?
Hitzfeld: Ich weiss es nicht mehr. Aber es gab schlimmere Fälle. Zum Beispiel, als Lizarazu Lothar Matthäus vor laufenden Kameras geohrfeigt hat.

Niko, was haben Sie von Hitzfeld mitgenommen?
Kovac: Er hat mich als Gentleman immer beeindruckt. Er ist eine ruhige Person mit Einfühlungsvermögen, der jedem Menschen mit Respekt begegnet. Und als Trainer? Da ist jedes Wort zu schwach, um seine Qualitäten zu würdigen.
Hitzfeld: Jetzt nicht übertreiben ...
Kovac: Doch, das meine ich so. Er ist ein Vorbild für viele – und auch für mich.

Ottmar, Sie bewunderten die Teamfähigkeit von Niko, weil er oft auf der Bank sass und trotzdem ein Leader war.
Hitzfeld: Er hat auch oft gespielt. Er war aber einer, der die Mannschaft immer angespornt hat, selbst wenn er auf der Bank sass. Man sah schon damals, dass er die Sozialkompetenz hat, um die Gruppe führen zu können. Darum bin ich auch nicht überrascht, dass er es als Trainer zu Bayern geschafft hat. Die mensch­liche Komponente ist uns beiden wichtig, darum haben wir uns immer so gut verstanden.

Niko, duzen die Spieler Sie?
Kovac: Ja.
Hitzfeld: Bis 42 haben mich die Spieler auch geduzt. Dann ging ich zu Dortmund und dachte, ich müsse ein wenig mehr für meine Autorität tun. Die Spieler sagten dann «Trainer» und «Sie», ich habe die Spieler weiterhin geduzt. Es war mehr eine Schutzmassnahme, ich kam aus der Schweiz und musste mir die Sporen hart abverdienen.

Die wussten alle damals nicht, dass Sie Deutscher sind.
Kovac: Ich sage, das wissen heute noch viele nicht (lacht).

Eine Parallele zwischen Ihnen ist der katholische Glaube. Wie leben Sie diesen, Niko?
Kovac: Ich versuche, darin neue Kraft zu sammeln und mich mental zu erden. In der heutigen Zeit kann man ganz vieles nicht mehr alleine schaffen, da braucht man Unterstützung. Der eine holt es sich beim Freund, der Freundin, beim Psychiater oder sonst wo. Ich hole mir die Kraft in meinem Glauben. Weil ich an den lieben Gott glaube und daran, dass er uns das eine oder andere Mal in die richtige Richtung führt.

Hitzfeld und Kovac sammeln beide Kraft in der Religion, beide sind katholisch.
Foto: Sven Thomann

Beten Sie alleine?
Kovac: In Gemeinschaft, mit der engsten Familie. Oder wenn man sonntags zur Messe geht in einer grösseren Gruppe.

Ottmar hat seine Frau sogar in der Kirche kennengelernt, sie sass in der letzten Reihe. «Die ist hübsch und auch noch katholisch ...», sagten Sie.
Hitzfeld: Das war früher auch noch wichtig. Wenn man eine Frau nach Hause brachte, war in meinemElternhaus immer die erste Frage, ob sie katholisch sei.

Sie haben Sie einem anderen Lörracher ausgespannt.
Hitzfeld: Der Nachbarsjunge war auch verliebt in sie und hat gekämpft. Aber zum Glück war er furchtbar eifersüchtig, und ich setzte mich durch. Er wohnt übrigens immer noch drei Häuser neben meinem Elternhaus. Wenn er mich sieht, schaut er aber meistens weg.

Auch Sie haben Ihre Jugendliebe geheiratet, Niko. Wie haben Sie Kristina kennengelernt?
Kovac: Mit 19 in der Schule in Berlin. Und auch wir liefen uns in der Kirche über den Weg, wir besuchten die­selben Gottesdienste. Irgendwann fanden wir uns sympathisch. Allerdings dauerte es bei ihr ein wenig länger, bis sie mich nett fand (lacht).

Wie schwierig ist es, dass Ihre Frau und Ihre 17-jährige Tochter in Salzburg leben?
Kovac: München ist für mich in diesem Punkt ein Volltreffer. Salzburg ist relativ nah, wir können uns gegenseitig besuchen. Und auch meine Eltern leben hier. Sie kamen mit, als mein Bruder und ich vor 17 Jahren zu Bayern wechselten.

Die Eltern von Niko Kovac kommen Ende der 60er-Jahre nach West-Berlin. Vater Mate ist Zimmermann, Mutter Ivka Putzfrau. Die Familie wohnt in Berlin-Wedding, einem Einwanderer-Viertel. Niko kommt 1971 zur Welt, Bruder Robert 1973, später kommt noch Schwester Nikolina dazu. «Familie ist für mich das Wichtigste», sagt Kovac, «sie holt mich auf den Boden zurück.» Mit Bruder Robert spielte er bei Bayern und für Kroatien. Heute ist er sein Assistenz-Trainer.

Mit Bruder Robert (r.) spielte Niko Kovac bei Bayern und in der kroatischen Nationalmannschaft – jetzt ist Robert sein Assistent.
Foto: Getty Images

 

Niko, wie sind Sie aufgewachsen?
Kovac: Meine Eltern kamen wie alle Gastarbeiter damals eigentlich nur nach Berlin, um kurzzeitig etwas Geld zu verdienen und sich in Kroatien eine Existenz aufzubauen. Aus dem kurzzeitig sind für meine Eltern jetzt 50 Jahre geworden.

Waren Sie arm?
Kovac: Wir lebten in ganz bescheidenen Verhältnissen, als Zimmermann und Raumpflegerin verdiente man nicht viel. Aber als Kind braucht man wenig, um glücklich zu sein, es hat uns nie gestört. Und du lernst ganz früh, auf Wünsche zu verzichten und zu teilen.

Zum Beispiel das Zimmer?
Kovac: Ja, ein eigenes Zimmer gabs nie. Robert und ich hatten ein Stockbett. Ich durfte oben schlafen und er musste unten, weil er ja der Kleinere war... Ja, mir wurde nichts geschenkt, wir mussten uns immer alles hart erarbeiten. Egal, in welchem Bereich, ob im schulischen oder im sportlichen. Wir mussten uns immer durchsetzen. Aber das hat uns geprägt, der Charakter wurde geschärft, das hat uns im Sport sehr geholfen.

Sie haben später sehr viel Geld verdient. Ist es einfach, damit umzugehen?
Kovac: Am Schluss geht es immer um den Menschen und den respektvollen Umgang miteinander. Ich bin nicht besser als Du, Du bist auch nicht besser als ich. Wir sind alle gleich. Mein Benehmen hat sich durch das Geld nicht verändert, ich lebe bescheiden und demütig und habe meine normale Seite, wie jeder andere Mensch auch. Natürlich haben wir unsere Eltern unterstützt und auch Verwandte. Das ist unsere Kultur.

Kovac: «Mein Benehmen hat sich durch das Geld nicht verändert, ich lebe bescheiden und demütig.»
Foto: Sven Thomann

Ottmar, Sie waren Sohn eines Zahnarztes.
Kovac: Ach, viel bessere Verhältnisse finanziell... (lacht)
Hitzfeld: Ja, aber wir sind auch bescheiden aufgewachsen. Wir hatten zwar ein Haus, aber es wurde auch überall gespart. Auch mit der Kleidung. Andere Kinder hatten immer das Neuste, ich musste immer die alten Sachen von meinem Bruder tragen, auch den Pullover mit den geflickten Löchern.

Damals gab es auch noch Schläge mit der Rute.
Hitzfeld: Ja, mit dem Weidenstock. Da hatten wir eine Heiden-Angst davor, wenn wir was ausgefressen hatten. Ich bin immer um meine Mutter rumgetanzt, wenn sie mich zu treffen versuchte. Zum Glück war ich schnell. Aber es war halt so üblich, wenn man zu spät nach Hause kam.

Oder wenn man sich als Behinderter ausgab, um Geld zu sammeln.
Hitzfeld: Ich sah das als Kind bei Kriegsopfern und ich dachte, das kann ich auch machen. Ich versteckte mein Bein unter einer Decke und versuchte auch an Geld zu kommen. Es gab dementsprechend  grossen Ärger zuhause.

Niko, Sie wuchsen in Berlin auf. Wie sehr hat Sie der Jugoslawien-Krieg dennoch geprägt?
Kovac: Das war eine schlimme Zeit zwischen 1991 und 1995. Ich hatte Verwandte und Bekannte in Kroatien, als die Bomben fielen. Das geht dir nahe, wenn es Deinen Nächsten passiert. Man sieht dadurch vieles differenzierter im Leben. Gottseidank ist das alles vorüber. Ich glaube auch, dass die Wogen soweit geglättet sind heute, sodass man gemeinsam in eine Zukunft schauen kann.

Kovac besitzt den deutschen Pass nicht: «Ich habe mich immer als Kroate gefühlt.»
Foto: Getty Images

Haben Sie eigentlich auch den deutschen Pass?
Kovac: Nein, weil ich mit dem kroatischen nie Nachteile hatte. Ich bin hier aufgewachsen, spreche die Sprache perfekt – aber ich habe mich immer als Kroate gefühlt.

Ist dieser Stolz, Kroate zu sein, auch das Erfolgsgeheimnis der Nationalmannschaft und die Sensation mit dem WM-Final?
Kovac: 1998 war es so, dass der Krieg die Mannschaft und der Patriotismus sehr zusammenschweisste. 2018 denke ich nicht, dass es noch um den Krieg ging.

Mit dem schwierigen Verhältnis einiger Länder wurde bei der WM 2018 auch die Schweiz konfrontiert, als Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka gegen Serbien mit dem Doppeladler jubelten. Shaqiri wurde nun ein böser Empfang bei Liverpools Champions-League-Spiel in Belgrad angekündigt.
Hitzfeld: Ich war ja im Stadion und habe erlebt, wie die Serben Shaqiri und Xhaka provoziert haben, selbst die Hymne ausgepfiffen wurde. Die Tore waren ein Befreiungsschlag, die Spieler haben nichts überlegt beim Jubel – darum darf man es nicht überbewerten. Es war ein Ventil, das sich geöffnet hat. Ich sehe auch den Fall in Deutschland ähnlich.

Xhaka und Shaqiri jubeln im WM-Spiel gegen Serbien mit dem Doppeladler. Hitzfeld: «Die Spieler haben nichts überlegt beim Jubel – darum darf man es nicht überbewerten. Es war ein Ventil, das sich geöffnet hat.»
Foto: Toto Marti

Mesut Özil und Ilkay Gündogan, die mit Erdogan posierten?
Hitzfeld: Ja. Die Spieler waren sich in jenem Moment nicht bewusst, was das für Wellen schlagen wird. Wenn der Präsident deiner Heimat dich fragt, ob er ein Foto machen lassen darf, kann man in diesem Moment nicht nein sagen. Ich möchte denjenigen sehen, der das ablehnt. Das Umfeld, die Berater hätten das verhindern müssen im Vorfeld.
Kovac: Ich habe mich in Deutschland noch nie darüber geäussert – und werde es jetzt auch in der Schweiz nicht tun.

Anruf bei Ivan Rakitic. SonntagsBlick fragt den Barcelona-Spieler, wie er Kovac sieht. Er sagt: «Niko ist einer der besten Typen, die ich im Fussball je kennengelernt habe. Erst als Mitspieler und als Captain, dann als Trainer. Er hat sich alles verdient und erarbeitet. Ich bin unheimlich stolz, dass mein Kollege, dieser geile Typ, es gepackt hat. Und ich bin überzeugt, dass es für ihn noch weiter geht.»

Kovac: Das freut mich riesig. Ich werde ihm eine SMS schicken und mich bedanken. Es rührt mich deswegen, weil er zwischenmenschlich nette Worte für mich übrig hat. Es zeigt mir, dass ich im Umgang mit anderen nicht alles falsch mache. Und das ist mir viel wichtiger als der eine oder andere Titel.

Rakitic freut sich, das Kovac nun Bayern-Trainer ist: «Er ist einer der besten Typen, die ich im Fussball je kennengelernt habe. Ich bin unheimlich stolz, dass er es gepackt hat.»
Foto: Reuters

Haben Sie bei Ivan von Anfang an gesehen, als ihr ihn uns geklaut habt, dass er ganz ein Grosser wird?
Kovac: Ihr seht es immer so, dass wir ihn geklaut hätten, aber wie viele habt ihr den anderen «gestohlen»...? (lacht) Mit nur 4,5 Millionen Einwohnern müssen wir auch im Ausland akquirieren – und es gibt auch heute in der Schweiz noch Talente, die wir für uns gewinnen möchten. Ich war damals der erste, der nicht in Kroatien geboren wurde und für die Nationalmannschaft gespielt hat. Nach mir kamen Simunic, Petric und eben Rakitic. Ivan hat eine fantastische Karriere hingelegt, weil er nicht nur fussballerisch gut ist, sondern auch ein toller Junge. Vorher haben wir von einem Spieler gesprochen, der nur Captain für sein Ego sein will. Ivan ist das Gegenteil. Er will Anführer sein und sieht sich dennoch als kleiner Teil der Gruppe.

«Sport-Bild» schreibt, dass gewisse Stars schon sauer sind. Empfinden Sie es so?
Kovac: Sag du erst was, Ottmar, du hast da mehr Erfahrung.
Hitzfeld: Das sind die typischen Geschichten, die dann kommen, wenn man einige Male nicht gewinnt. Vor zwei Wochen wurde noch von Nikos super Rotation und seinem goldenen Händchen geschrieben. Aber eine Saison ist ein Marathon, kein Sprint. Wichtig ist, dass die Spieler im Frühjahr nicht überbelastet sind.
Kovac: Wenn man bei Bayern München nicht gewinnt, dann entsteht Druck. Das ist normal. Ich lese sehr wenig. Der frühere Sportchef von Bayer Leverkusen, Reiner Calmund, sagte mir mal: «Wenn Du Erfolg hast, lies jede Zeile. Wenns nicht läuft, gar nichts.» Ich versuche mich nicht beeinflussen zu lassen in meinen Entscheidungen.

Aber es ist schon schwieriger, Arjen Robben bei Bayern auf die Bank zu setzen als Gelson Fernandes bei Frankfurt.
Kovac: Es ist bei keinem Spieler einfach, es geht immer um Menschen. Und Gelson ist ein super Mensch. Mir tut jede Entscheidung im Herzen weh, aber ich darf nur elf Spieler aufstellen. Aber es ist dann das Spielchen der Medien, es gehört dazu, man geht seltener zu denen, die zufrieden sind. Aber es gibt ja Statistiken, im Schnitt haben alle meine Spieler sieben Partien gemacht. Es ist wichtig, alle Spieler im Rhythmus zu haben.

Was heisst Rhythmus?
Kovac: Das kann auch heissen: Der eine spielt Samstag und Samstag, der andere Dienstag und Dienstag. Das beugt Verletzungen vor.

Wie oft hat man als Bayern-Trainer Karl-Heinz Rummenigge oder Uli Hoeness am Telefon?
Hitzfeld: Man kann eigentlich in Ruhe arbeiten. Man muss nur gewinnen. Dass man sich einmal die Woche austauscht, ist wichtig für den Trainer selbst. Und das Management braucht Insider-Kenntnisse.

Kovac zur Rotation: «Es ist wichtig, alle Spieler im Rhythmus zu haben.»
Foto: Sven Thomann

Wie war Ihre Nacht im Knast?
Kovac: Du warst im Knast? Was hast Du denn gemacht?
Hitzfeld: Ja. Wir hatten Polterabend eines Kollegen, einer wollte Zigaretten kaufen. Der Laden wurde gerade geschlossen, wir gingen rein, die Frau bekam Angst. Sie war gerade überfallen worden am Tag zuvor und dachte, es passiert schon wieder. Sie rief die Polizei, wir wurden in Handschellen weggebracht, verbrachten die Nacht im Gefängnis.
Kovac: Wo war das denn?
Hitzfeld: In Campione, ich spielte bei Lugano. Das Problem war: Der Kollege wollte am anderen Tag um 11 Uhr in Zürich heiraten, das sind ja etwa vier Stunden. Der Präsident von Lugano hat uns morgens um fünf Uhr ausgelöst, er schaffte es zur Hochzeit. Seine Braut wusste ja von nichts...
Kovac: Hauptsache, er hats geschafft...

Im April wird bekannt, dass Kovac Frankfurt verlässt und dank einer Ausstiegsklausel für einen Top-Klub (2,2 Millionen Euro) zu den Bayern geht. Eintracht-Sportchef Fredi Bobic schäumt, bezeichnet die Bayern als «unprofessionell», «respektlos» und «bedenklich».

Schmerzte Sie der Abgang?
Kovac: Das Thema ist vorüber. Diejenigen, die involviert waren, wissen, wie es war. Natürlich, es war eine entscheidende Phase und niemand wollte, dass es vorzeitig rauskommt. Aber es ist nun mal so und es hat ja ein gutes Ende genommen.

Haben Sie bei Bayern nun auch eine Klausel für Barcelona?
Kovac: (lacht) Ich bin hier sehr gut aufgehoben.

Niko, eine Ernährungsberaterin empfahl bei Frankfurt Ihren Spielern komplett vegane Kost. Sie sagten: «Ich habe Argentinier im Team. Ich bin Kroate. Kroaten ohne Fleisch, das geht nicht.» Was braucht ein Profi heute?
Kovac: Es gibt verschiedene Ansätze, aber für mich ging es in eine falsche Richtung. Ich glaube, jeder muss selbst wissen, wie er sich am besten fühlt: Das hat auch viel mit der Herkunft zu tun. Letzten Endes waren die Jungs dann gestärkt im Pokalfinale gegen die Bayern, das wir 3:1 gewannen.

Besuch in München: BLICK-Fussballchef Andreas Böni im Doppel-Interview mit Kovac und Hitzfeld.
Foto: Sven Thomann

Wie ist es bei Bayern?
Kovac: Alfons Schuhbeck ist auch schon 30 Jahre Mannschaftskoch, er macht tolle Produkte für die Spieler. Alles ausgewogen. Aber man darf auch mal naschen, da geht es auch um den Gemütszustand der Spieler. Ein Mensch muss zufrieden sein, wenn er nur asketisch lebt, ist das auch nicht gut.
Hitzfeld: Die Eigenverantwortung ist das wichtigste. Aber wenn man gewinnt, darfs auf dem Büffet auch mal Pommes haben. Hoeness sagte mal den Satz: «Manchmal braucht die Seele Schnitzel und Pommes.»

Uli Hoeness sagte auch mal über Alain Sutter: «Alain Sutter muss nur mal ab und zu auf sein Müsli verzichten und sich einen ordentlichen Schweinebraten einverleiben.» Sutters Antwort: «Wie man aussieht, wenn man zu viel Schweinebraten isst, sieht man an Herrn Hoeness.»
Hitzfeld: Kennst Du Alain Sutter noch?
Kovac: Ja, klar, er war vorher bei Nürnberg und nachher bei Freiburg. Der blonde Linksfuss.

Ottmar Hitzfeld schwebt als Dortmund-Trainer einmal in Lebensgefahr wegen eines Darmdurchbruchs, lag auf der Intensiv-Station. Und erlitt nach seiner Zeit bei Bayern ein Burnout. «Ich zog mich eineinhalb Jahre nach Engelberg zurück. Erst dann war ich wieder bereit zu arbeiten. Und seither habe ich auch das Handy lautlos gestellt. Früher dachte ich immer: Jede Nachricht ist wichtig. Ich muss Tag und Nacht erreichbar sein. Das war der grösste Fehler.»

Niko, was machen Sie, damit Ihnen das nicht passiert?
Kovac: Der Druck wird immer grösser auf die Trainer. Durch die sozialen Medien ist alles viel schnelllebiger geworden. Aber Du musst auch abschalten. Wenn Du immer im Hamsterrad bist und nicht zwischendurch rausspringst, hauts dir die Sicherungen raus. Dann ist die Luft draussen und das ist dann schwer zu kitten.
Hitzfeld: Gelingt Dir das Abschalten?
Kovac: Ich versuche hin und wieder mal zu golfen. Da ist alles weit weg, für fünf Stunden lang.
Hitzfeld: Und wie oft warst du als Bayern-Trainer seit Juli golfen?
Kovac: Einmal.
Hitzfeld: Siehst Du, es ist schwer.
Kovac: Ja, das ist so. Aber ich versuche, auf den Körper zu hören. Wenn er Schlaf braucht, zum Beispiel am Nachmittag, dann kriegt er ihn. Dann stelle ich keinen Wecker.

Hitzfeld weiss genau, was alles auf einen Bayern-Trainer einprasselt. Nach seiner Zeit als Coach in München erlitt er ein Burnout. «Ich dachte, ich muss Tag und Nacht erreichbar sein. Das war der grösste Fehler.»
Foto: Sven Thomann

Beschäftigen Sie sich mit sozialen Medien?
Kovac: Nein. Null. Ich habe kein einziges Konto. Ich bin eh in der Öffentlichkeit, ich muss mich nicht noch gläserner machen, als ich schon bin. Und es nimmt dir Zeit und Energie weg: Du beschäftigst dich mit dem, was du liest. Und mit dem, was du schreibst. Ich will mich nicht beeinflussen lassen, was ein Journalist schreibt oder jener Experte meint.

Lustig ist: Bei Red Bull Salzburg übernahmen Sie die Amateure von Adi Hütter. Nun wurde er Ihr Nachfolger bei Frankfurt.
Kovac: Wir sind ein gutes Team. Er hat mir damals gute Jungs hinterlassen und ich ihm nun auch, denke ich. Ich schätze ihn sehr, er hat einen richtig guten Job in der Schweiz gemacht. Natürlich ist die Bundesliga nochmals ein Sprung. Jetzt muss er sich hier die Anerkennung erarbeiten – ich bin überzeugt, er wird es schaffen.

Wenn Niko nicht Meister wird, wird’s ein Schweizer Trainer dieses Jahr. Einverstanden, Ottmar?
Hitzfeld: Niko wird Meister.
Kovac: Danke, Ottmar.

Wie sehen Sie Lucien Favre?
Kovac: Sehr gut, ein Top-Mann. Als ich bei Salzburg noch spielte, hatten wir ein direktes Duell. Wir spielten 2006 in der 2. Runde der Champions-League-Qualifikation gegen Zürich – und kamen nach einem 2:0-Sieg und einem 1:2 weiter. Ich habe gegen ihn also schon mal gewonnen.

Kovac zu BVB-Trainer Lucien Favre: «Er ist ein Top-Mann.»
Foto: KEY

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Das ist Niko Kovac

Geboren am 15. Oktober 1971 in Berlin. Als Spieler zwischen 1989 und 2009 bei Hertha Zehlendorf, Hertha BSC, Leverkusen, Hamburg, Bayern München (von 2001 bis 2003 unter Hitzfeld) und Red Bull Salzburg. 83 Spiele für die kroatische Nationalmannschaft. Als Trainer begann er 2009 im Nachwuchs von Red Bull Salzburg, wurde dann U21-Trainer Kroatiens, darauf Nationaltrainer (u.a. bei der WM 2014 in Brasilien). 2016 bis 2018 war er Coach von Eintracht Frankfurt. Im Pokalfinale dieses Jahres besiegte er die Bayern, wo er diesen Sommer die Nachfolge von Jupp Heynckes übernahm.

Kovac ist verheiratet mit seiner Jugendliebe Kristina und Vater von Laura (17), die in Salzburg leben.

Das ist Ottmar Hitzfeld

Geboren am 12. Januar 1949 in Lörrach. Als Spieler zwischen 1968 und 1983 bei FV Lörrach, Basel, Stuttgart, Lugano und Luzern. Als Trainer zwischen 1983 und 2014 beim SC Zug, Aarau, GC, Dortmund, Bayern und der Schweizer Nati. Mit dem BVB und den Münchnern je einen Champions-League-Sieg (1997 und 2001), dazu Welt-Trainer des Jahres.

Hitzfeld ist verheiratet mit Beatrix, Vater von Matthias (39) und Opa von Henry (3) und Carlotta (1).

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Bundesliga
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Bayern München
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Eintracht Frankfurt
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Bayer Leverkusen
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Borussia Dortmund
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