Sommers Mittelfinger und Gladbachs Video dazu
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Super-Tat des Nati-Goalies:Sommers Mittelfinger und Gladbachs Video dazu

Nati-Goalie Yann Sommer im grossen Interview
«Geisterspiele sind im Moment das kleinste Problem»

Morgens halb acht in Deutschland. Yann Sommer (31) hat Tochter Mila (6 Monate) auf dem Schoss und nimmt sich Zeit für SonntagsBlick. Die Kleine quengelt kaum, ihr Vater spricht über sein neues Leben als Papa, die Corona-Krise und Geisterspiele.
Publiziert: 26.04.2020 um 00:01 Uhr
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Yann Sommer stellt sich im grossen SonntagsBlick-Interview grossen Fragen.
Foto: Toto Marti
Andreas Böni

Guten Morgen, Yann. Sind Sie ausgeschlafen?
Yann Sommer:
Man gewöhnt sich ans Leben als Papa. Aber jetzt drücken langsam die Zähne, nicht alle Nächte sind gleich entspannt. Aber das kennt jede Familie, die ein Kind bekommen hat. Ich versuche, meine Frau so gut wie möglich zu ­entlasten. Nach unserem Gespräch mache ich den Familieneinkauf, und grundsätzlich übernehme ich am Morgen meine Tochter, damit meine Frau dann länger schlafen kann.

Dann sind Sie schon ein wenig auf den Beinen.
Heute seit 5.30 Uhr, meist kommt sie aber so um sechs. Man geht dementsprechend früher ins Bett. Ich nehme die Kleine dann, gehe ins Untergeschoss und spiele mit ihr. Ich spiele auch mal auf der ­Gitarre, weil es sie manchmal be­ruhigt. Und ich geniesse es dann ­wirklich, mit ihr wach zu sein, zu erleben, wie die Sonnenstrahlen langsam in die Wohnung fallen. Es sind schöne Gefühle in einer herausfordernden Zeit.

Wie erleben Sie die Corona-Krise in Ihrem Wohnort Düsseldorf?
Die Situation ist schon einschneidend, aber es gibt erste Lockerungen. Geschäfte bis 800 Quadratmeter sind wieder offen. Der Schweiz steht die erste Lockerung ja erst am Montag bevor. Grundsätzlich gilt es aber in beiden Ländern, dass man Vertrauen in die Regierung haben sollte.

In der Schweiz darf man noch nicht trainieren. In Deutschland kann man das längst. Wie laufen die Trainings aktuell in Gladbach ab?
Wir haben ganz klein angefangen, natürlich unter Einhaltung eines Sicherheitsabstandes, konkret in Zweier- und Dreiergruppen. Es gibt verschiedene Garderoben, es sind sehr wenige Spieler gleich­zeitig im Stadion, alles wird desinfiziert und jeder hält sich streng an die Hygienevorschriften. Wir essen auch nicht mehr zusammen nach den Trainings, wir kriegen allerdings alles bereitgestellt, um es mitzunehmen. Ich nehme das aber wenig in Anspruch, da ich oft ­zu Hause selbst koche. Ausgewogen, viel saisonales Gemüse, Fisch oder Fleisch, mit Angaben zur Herkunft. Besonders wichtig ist mir auch, kleinere Läden zu unterstützen. Als Sportler ist es essenziell, dass man fit bleibt für Tag X, wenn es wieder losgeht.

In Deutschland träumt man vom 9. Mai. Ist das realistisch?
Das kann ich nicht beurteilen. Warten wir ab, was die Liga und die ­Regierung entscheiden.

Müssen Sie zum Beispiel Ihre Goalie-Handschuhe besonders pflegen wegen der Hygiene?
Nein. Ich wasche sie sowieso nach jedem Training intensiv, das habe ich schon vorher gemacht.

Gladbach hat als erste Bundes­liga-Mannschaft auf Gehalt in den Krisenmonaten verzichtet. Warum fiel Ihnen der Schritt so leicht?
Weil der Verein einfach verantwortungsbewusst reagiert hat und ­sofort transparent mit uns das ­Gespräch suchte. So war es sehr schnell möglich, gemeinsam eine Lösung zu finden – um Mitarbeiter zu unterstützen.

Wissen Sie konkret, um welche Mitarbeiter es geht?
Es geht um die ganze Geschäfts­stelle, Marketing- und Empfangsmitarbeiter, Ordner und so weiter. Für uns alle im Team war es selbstverständlich, zu helfen.

Persönlich: Yann Sommer

Die Karriere des 31-Jährigen im Schnelldurchlauf: Herrliberg ZH, Concordia Basel, FC Basel, Vaduz, GC, FC Basel und Gladbach. In der letzten Winterpause wurde er in einer Spieler-Umfrage des «Kicker» zum besten Goalie der Hinrunde gewählt. In der Nati ist Sommer seit 2014 die Nummer 1.

Die Karriere des 31-Jährigen im Schnelldurchlauf: Herrliberg ZH, Concordia Basel, FC Basel, Vaduz, GC, FC Basel und Gladbach. In der letzten Winterpause wurde er in einer Spieler-Umfrage des «Kicker» zum besten Goalie der Hinrunde gewählt. In der Nati ist Sommer seit 2014 die Nummer 1.

Sie erlebten bereits ein Geisterspiel, das 2:1 gegen Köln. Wie ist es, ohne Fans zu spielen?
Es ist komisch. Sonst herrscht im Derby überragende Stimmung. Aber ganz ehrlich, im Moment sind Geisterspiele wirklich das kleinste Problem.

Gegen Köln versammelten sich vor dem Stadion Tausende ­Gladbach-Fans. Ist das im Sinn der Sache, und war es richtig, dass Sie nach dem Sieg mit ihnen feiern gegangen sind?
Damals war die Situation noch ein wenig anders. Mit dem Wissen von heute wäre es der falsche Weg. Weil die Fans nun, auch wenn es Geisterspiele gibt, unbedingt ­zu Hause bleiben sollten. So sehr wir ihre Unterstützung auch vermissen, die Gesundheit aller hat jetzt erste Priorität.

Verändert sich das Spiel ohne Fans?
Ja, natürlich. Du fühlst viel mehr Emotionen auf dem Platz, wenn die ganze Stimmung da ist. Und du musst immer vorsichtig sein, die Konzentration aufrechtzuerhalten. Das ist schwieriger, wenn es ruhig ist in diesem riesigen, leeren Stadion.

Die Fans stellen Pappfiguren mit ihren Gesichtern auf.
Ich halte das für eine super Idee. Sie zeigt, wie kreativ unsere Fans sind, und ein Teil der Einnahmen wird auch für einen guten Zweck gespendet. So füllt man das Sta­dion wenigstens mit Gesichtern, wenn schon keine Emotionen da sind. Das gibt uns doch einen ­gewissen Rückhalt.

Was wird es für ein Gefühl sein, erstmals wieder mit Fans zu spielen?
Das kann ich Ihnen erst dann ­sagen, wenn ich es erlebt habe. Jetzt müssen wir uns erst mal für einige Zeit an Geisterspiele gewöhnen.

Sie haben Ihren Vertrag bei Gladbach bis 2023 verlängert. Ist es möglich, dass Sie Ihre Karriere hier beenden?
Ich mache meine sechste Saison hier, und es ist einfach ein unglaublich toller Klub. Aber die Zukunft ist im Fussball immer schwer zu planen, ich habe hoffentlich noch viele Jahre Karriere vor mir.

Es gab manchmal Gerüchte um Barcelona. War das ein Thema für Sie?
Es war nie so konkret, dass ich mich entscheiden musste.

In der Vorrunde sprach ganz Deutschland von Ihrem Mittelfinger, der den Ball beim 2:1-Sieg über die Bayern von der Linie kratzte.
Das war sicher die aufsehenerregendste Szene. Es war ein verdeckter Schuss von Kimmich, den ich kaum sehe. Wenn er im Tor landet, dann kreiden mir viele einen Torwartfehler an. Aber so sprach man nur noch von meinem Mittelfinger, und es gab sogar ein lustiges Social-Media-Video vom Verein. So nah ist es im Fussball manchmal zusammen.

Die EM ist auf 2021 verschoben worden. Ihre Gedanken dazu?
Das ist völlig verständlich und die richtige Entscheidung. Das Turnier durchzudrücken, wäre nicht mit der Situation vereinbar gewesen.

Sie sind mit Stephan Lichtsteiner einer der Leader. Denken Sie, dass er mit 37 nächstes Jahr am Turnier noch dabei sein wird?
Ich hoffe es. Er ist unser Captain, aber es liegt bei ihm und dem Trainer.

Es gibt Gerüchte um eine Rückkehr zu GC.
Das müssen Sie ihn direkt fragen.

Wollen Sie später auch noch mal in die Schweiz zurückkehren, zum Beispiel zum FC Basel?
Ich lasse mir alles offen. Ich habe grundsätzlich unvergessliche Erfahrungen gemacht in der Super League.

Hier singt die Nati für die Schweiz
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Sie waren der Kopf von der Idee, dass die Nati gemeinsam «Imagine» von John Lennon sang. Wie kamen Sie darauf?
Wir wollten etwas Sinnvolles tun in der aktuellen Situation und fädelten es via Mannschaftsrat ein. Alle haben sofort zugesagt. Dann stückelten wir den Song, verschickten die Anleitungen im Gruppenchat und liessen die einzelnen Aufnahmen dann schneiden, alles innerhalb von 24 Stunden. Wir wollten mit dem Song auch die Wertschätzung gegenüber der Pflegenden aussprechen und haben darum gleichzeitig für den Schweizer Berufsverband der Pflegefachpersonen für dringend benötigtes Schutzmaterial gespendet.

Gut, wir sind fertig. Sie können einkaufen gehen. Tragen Sie eine Maske?
Ja, ab Montag ist es hier sowieso Pflicht, beim Einkaufen oder in den öffentlichen Verkehrsmitteln Masken zu tragen. Die lokale Bevölkerung zeigt Verständnis für die Massnahmen und macht gut mit. Aber ich hoffe wie alle, dass möglichst schnell wieder etwas Normalität einkehrt.

Hauptsache Sport!

Ein Kommentar von Felix Bingesser

Irgendein dümmlicher Marketingheini hat einmal den Slogan «Geiz ist geil» kreiert. Und damit die Perversion der hemmungslosen Konsumgesellschaft auf den Punkt gebracht. Die einmal getragenen ­Socken wegzuwerfen, ist bald billiger, als sie zu waschen.

Irgendjemand hat den Sport und den Fussball auch mal zur wichtigsten Nebensache der Welt erklärt. Auch diese Kategorisierung hat sich in all den Jahren als fatal entpuppt. Die Schubladisierung hat sich in den Köpfen der Menschen festgesetzt. Der Sport hat noch immer nicht die Bedeutung, die er verdient. Der Begriff «Nebensache» suggeriert: Toll, aber der nicht systemrelevanten Unter­haltungsbranche zugehörig.

Nun diskutieren wir die Lockerungen der Massnahmen in dieser Corona-Krise. Und Bundesrat Alain Berset redet lieber von den Coiffeuren, den Floristen oder den Buchhändlern statt vom Sport. Obwohl viele Leute lieber den Fussball zurückhätten, statt sich die Haare schneiden zu lassen.

Und Frau Amherd, die eigentlich die Sportministerin des Landes ist, hat wochenlang über den PR-Einsatz der Armee referiert. Aber eine griffige Strategie zum Sport fehlt.

So hat man nun eine fatale Situa­tion der Ungewissheit. Und das Damoklesschwert, dass es noch ein Jahr dauern kann, bis es wieder Sportveranstaltungen mit Publikum gibt. Was ganze Ligen und praktisch sämtliche Klubs in existenzielle Nöte bringt.

Darum muss man mit allen Mitteln versuchen, den Meisterschaftsbetrieb im Fussball irgendwie wieder zum Laufen zu bringen. Das ist keine Zwängerei. Sondern der Fussball und der Sport verdienen es, wie viele anderen Branchen auch, gerettet zu werden.

Und wenn jetzt einige Hobbyphilosophen aus dem Busch kriechen und diese Krise zum Anlass nehmen, über die Auswüchse im Salärwesen bei den Profisportlern nachzudenken, so ist auch das kurz gegriffen. Im Rest der Wirtschaft werden auch weiter Millionensaläre, Boni und Dividenden bezahlt. Hier mit dem Finger wieder nur auf den Sport zu zeigen, ist grotesk.

Die einzige Erkenntnis, die schon jetzt klar ist: Auch der Fussball lebt von den Menschen und den Fans, die ihn tragen. Geisterspiele werden erschreckend wenig Spass machen. Vielleicht lernen jetzt die Klubs wieder, dass ihre Anhänger die verlässlicheren Partner sind als Sponsoren und TV-Stationen. Die Fans sind das einzige Kapital, das sie haben.

Ein Kommentar von Felix Bingesser

Irgendein dümmlicher Marketingheini hat einmal den Slogan «Geiz ist geil» kreiert. Und damit die Perversion der hemmungslosen Konsumgesellschaft auf den Punkt gebracht. Die einmal getragenen ­Socken wegzuwerfen, ist bald billiger, als sie zu waschen.

Irgendjemand hat den Sport und den Fussball auch mal zur wichtigsten Nebensache der Welt erklärt. Auch diese Kategorisierung hat sich in all den Jahren als fatal entpuppt. Die Schubladisierung hat sich in den Köpfen der Menschen festgesetzt. Der Sport hat noch immer nicht die Bedeutung, die er verdient. Der Begriff «Nebensache» suggeriert: Toll, aber der nicht systemrelevanten Unter­haltungsbranche zugehörig.

Nun diskutieren wir die Lockerungen der Massnahmen in dieser Corona-Krise. Und Bundesrat Alain Berset redet lieber von den Coiffeuren, den Floristen oder den Buchhändlern statt vom Sport. Obwohl viele Leute lieber den Fussball zurückhätten, statt sich die Haare schneiden zu lassen.

Und Frau Amherd, die eigentlich die Sportministerin des Landes ist, hat wochenlang über den PR-Einsatz der Armee referiert. Aber eine griffige Strategie zum Sport fehlt.

So hat man nun eine fatale Situa­tion der Ungewissheit. Und das Damoklesschwert, dass es noch ein Jahr dauern kann, bis es wieder Sportveranstaltungen mit Publikum gibt. Was ganze Ligen und praktisch sämtliche Klubs in existenzielle Nöte bringt.

Darum muss man mit allen Mitteln versuchen, den Meisterschaftsbetrieb im Fussball irgendwie wieder zum Laufen zu bringen. Das ist keine Zwängerei. Sondern der Fussball und der Sport verdienen es, wie viele anderen Branchen auch, gerettet zu werden.

Und wenn jetzt einige Hobbyphilosophen aus dem Busch kriechen und diese Krise zum Anlass nehmen, über die Auswüchse im Salärwesen bei den Profisportlern nachzudenken, so ist auch das kurz gegriffen. Im Rest der Wirtschaft werden auch weiter Millionensaläre, Boni und Dividenden bezahlt. Hier mit dem Finger wieder nur auf den Sport zu zeigen, ist grotesk.

Die einzige Erkenntnis, die schon jetzt klar ist: Auch der Fussball lebt von den Menschen und den Fans, die ihn tragen. Geisterspiele werden erschreckend wenig Spass machen. Vielleicht lernen jetzt die Klubs wieder, dass ihre Anhänger die verlässlicheren Partner sind als Sponsoren und TV-Stationen. Die Fans sind das einzige Kapital, das sie haben.

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