Foto: Instagram FC Augsburg

Martin Schmidt und seine irren Methoden
«Ich wecke die Spieler auch mal um 3.30 Uhr»

Augsburg-Trainer Martin Schmidt geht auch mal andere Wege. Warum er seine Spielern auch mal jodeln lässt und im Staff 20 Leute beschäftigt.
Publiziert: 24.07.2019 um 16:04 Uhr
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Aktualisiert: 14.06.2023 um 23:45 Uhr
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Martin Schmidt, Trainer beim FC Augsburg, im Stadion des Bundesligisten.
Foto: STEFAN BOHRER
Andreas Böni

Die Stimmung ist gut im Augsburg-Training, die Spieler von Martin Schmidt (52) lachen viel im Training. Als Schmidt einem Tor beim Trainingsspiel die Anerkennung wegen Abseits verweigert, rufen die Spieler zum Video-Analysten hoch auf die Tribüne: «Hast Du die Szene?» Der Video-Schiedsrichter kommt dann aber doch nicht auch schon im Training zum Einsatz.

Danach nimmt sich Schmidt Zeit für das BLICK-Interview.

BLICK: Herr Schmidt, nach wenigen Wochen als Augsburg-Trainer hatten Sie gleich wieder Ferien.
Martin Schmidt:
Ja, das klingt gut, aber im Sommer gibt es als Bundesliga-Trainer immer viel zu tun. Kaderplanung, Festlegen der Vorbereitung, Analyse der schwierigen Verletzten-Situation, Leistungsdiagnostik, Planen von Impuls-Tagen...

Was um Gottes Willen ist ein Impuls-Tag?
Da geht es darum, abseits vom Fussball die Sinne zu schärfen. Als ich Assistent von Thomas Tuchel bei Mainz war, gingen wir auf eine Alphütte im Wallis. Dort assen wir auch mal Fondue und Raclette, das ist zwar nicht sportlergerecht, aber bei so einem Ausflug kannst du den Spielern ja keine Dinkelnudeln hinstellen (lacht). Danach zogen wir den neuen Spielern Jodlerkutten an und übten die Walliser Hymne ein, die wir vorsangen. Eine Riesen-Gaudi, mir als Tenor des Walliser Jodelklubs Ahori fiel es weniger schwer als anderen. Um elf, zwölf nahmen wir einen Absacker und schickten die Spieler ahnungslos ins Bett.

Wieso ahnungslos?
Weil wir um 3.30 Uhr an ihre Tür klopften und sie weckten. Nach 4 Uhr gings mit Stirnlampen los und wir erklommen einen 3000er, um den Sonnenaufgang oben zu erleben. In jener Saison erreichten wir mit Mainz 05 die Europa League.

Mit Augsburg war Schmidt nun in der Vorbereitung in den Walliser Alpen. Schlafen im Massenlager, keine Duschen, kein Handy-Empfang. Und Betrachten des Aletschgletschers, um den Spielern den Klimawandel näherzubringen.

Sie liessen die Spieler auch schon in Zelten im Schnee übernachten.
Weil es starke Bilder sind, die Du nicht mehr aus dem Kopf kriegst. Du musst den Menschen mental fordern. Ein Beispiel: Legen wir hier einen ein Meter breiten Teppich aus und sagen Ihnen: Laufen Sie da rüber. Dann machen Sie das problemlos, trinken vielleicht noch einen Kaffee dazu oder schreiben ein SMS. Aber müssen Sie über einen Berggrat, der einen Meter breit ist, gehen Sie auf allen vieren, weil es links und rechts hunderte Meter runtergeht. Nur weil sie überlegen, was alles passieren könnte. Ähnlich ist es, wenn ein Jugendspieler, der vor 100 Fans spielt, plötzlich in einer Bundesliga-Arena aufläuft. Man muss die Grenzen verschieben, mentale Stärke kann man trainieren.

Was planen Sie als nächstes? River Rafting?
Ach nee, das schaukelt doch nur ein bisschen. Ich hatte das im einen oder anderen Trainingslager und sagte: Weckt mich dann, wenn wir unten sind. Nein, ich würde gerne zum Beispiel mal mit den Spielern auf einer Jacht einen Segeltörn machen. Die einen setzen die Segel, die anderen kochen in der Bordküche, andere schrubben den Boden. Ich könnte mir vieles vorstellen.

Sie arbeiten nicht nur mit dem Kopf, sondern auch sehr wissenschaftlich. Warum läuft der Athletik-Trainer immer mit dem iPad auf dem Platz herum?
Er überwacht alle Livedaten der Spieler. Herzfrequenz, wie viel sie laufen, Stop and Go, wie viele Sprints sie machen. Wir legen bei jedem Spieler Intensität und Umfang fest, – wenn die Spieler überpowern, können wir sie dosieren und umgekehrt. Und der Videoanalyst filmt das ganze Training. Der Job ist komplexer geworden. Als ich vor zehn Jahren in die Bundesliga kam, gab es einen Coach, dessen Assistent und ein Athletik-Trainer. Ein Trainerstab umfasst heute schon mal 15-20 Fachleute in den Bereichen Taktik, Athletik, Reha, Sportmedizin und Trainingswissenschaften. Wenn die Entwicklung so weitergeht, brauchen wir in fünf bis zehn Jahren vielleicht zwei Chef-Trainer.

So schlimm kanns doch kaum sein.
Es gibt so viele Teilbereiche: Die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit, die Trainingsgestaltung. Der Austausch mit den Ärzten, da brauchst Du medizinisches Fachwissen. Die individuelle Belastungs- und Trainingssteuerung der gesamten Mannschaft. Die Planung der Trainingslager. Kaderplanung und Transfers. Auch das Beobachten anderer Teams und vieles mehr. Es ist sehr komplex.

Von Social Media haben Sie gar nicht gesprochen.
Dazu fehlt mir die Zeit. Aber ja, da musst Du mit den Spielern viel darüber reden. Es kam schon vor, dass einer ein Kabinenfoto postete, auf dem man im Hintergrund die Taktik-Tafel sah.

Haben Sie wegen dieses harten Jobs auf Kinder verzichtet?
Nein, nicht bewusst. Ich wünsche mir eine Familie, ganz klar. Mal sehen, was der liebe Gott da noch für mich parat hat.

Aber Sie sind schon 52.
Ich hatte bisher drei Leben: jenes als Jugendlicher, jenes im Automobilsport, das jetzige im Fussball. Familie könnte mein Viertes werden – das fünfte dann der Lebensabend.

Hier wäre ein gutes Pflaster für Kinder. Was sagt Ihnen die Augsburger Puppenkiste?
Ich erinnere mich an Jim Knopf und Lukas, den Lokomotiv-Führer. Und Urmel sowie Räuber Hotzenplotz. Es ist wirklich toll hier in Augsburg, auch die Berge sind nah. Ich werde bald die Region auskundschaften.

Ihre Fixpunkte haben Sie auch schon gefunden in der Stadt, zum Beispiel Coiffeur?
Coiffeur nicht, das sieht man ja, die Haare lasse ich mir im Wallis schneiden. Das Leben hier ist sehr angenehm, der Schlag Mensch gefällt mir. Wir Schweizer sind irgendwie ähnlich wie die Österreicher und Bayern.

Was haben Sie in Ihrem Jahr als Arbeitsloser eigentlich gemacht?
Vieles, gerade auch Menschen getroffen. Ich war im Winter zum Beispiel im Trainingslager in Marbella, da waren holländische, spanische und deutsche Mannschaften. Ich traf dort verschiedene Teamverantwortliche oder auch Lucien Favre. Das kann man alles nicht machen, wenn Du im Amt bist. Man lernt nie aus.

Warum haben Sie es so konsequent abgelehnt, in die Schweiz zu kommen?
Weil die Bundesliga oder England mein Traum blieb. Ich kommunizierte vom ersten Tag an: Bundesliga oder England. Das bedeutet aber nicht, dass ich mir nicht in Zukunft vorstellen könnte, in der Schweiz zu arbeiten. Doch ich hatte das Kapitel Bundesliga einfach noch nicht abgeschlossen.

Bundesliga
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Bayern München
Bayern München
31
61
75
2
Bayer Leverkusen
Bayer Leverkusen
31
31
67
3
Eintracht Frankfurt
Eintracht Frankfurt
31
20
55
4
SC Freiburg
SC Freiburg
31
-3
51
5
RB Leipzig
RB Leipzig
31
6
49
6
Borussia Dortmund
Borussia Dortmund
31
11
48
7
FSV Mainz
FSV Mainz
31
9
47
8
Werder Bremen
Werder Bremen
31
-6
46
9
Borussia Mönchengladbach
Borussia Mönchengladbach
31
1
44
10
FC Augsburg
FC Augsburg
31
-9
43
11
VfB Stuttgart
VfB Stuttgart
31
5
41
12
VfL Wolfsburg
VfL Wolfsburg
31
5
39
13
Union Berlin
Union Berlin
31
-14
36
14
FC St. Pauli
FC St. Pauli
31
-10
31
15
TSG Hoffenheim
TSG Hoffenheim
31
-18
30
16
1. FC Heidenheim 1846
1. FC Heidenheim 1846
31
-27
25
17
Holstein Kiel
Holstein Kiel
31
-29
22
18
VfL Bochum
VfL Bochum
31
-33
21
Champions League
UEFA Europa League
Conference League Qualifikation
Relegation Play-Offs
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