BLICK: Herr Schmidt, Sie tauchten in den letzten 12 Wochen nur bei der Verabschiedung in Mainz und bei einer gemütlichen Runde mit Walliser Journalisten auf. Wo haben Sie sonst gesteckt?
Martin Schmidt: Ich musste erstmal Kraft tanken. Zu Beginn in der Heimat, die Berge wieder spüren, meine Familie sehen. Im ersten Halbjahr 2017 war ich nur ein einziges Mal in der Schweiz, habe einen einzigen Tag meinen Vater gesehen. Das ist zu wenig. Ich habe nun viel Zeit mit ihm und der Familie genossen, ob auf der Alp oder im Tal. Ich habe mich aber auch viel mit mir selbst beschäftigt und viel gelesen.
Was denn?
Fachliteratur und Romane, je nach Lust und Laune, ich habe immer 10 ungelesene Bücher bei mir auf dem Tisch. Wenn ich im Liegestuhl war, nehme ich eher leichte Kost zur Hand. Wenn der Kopf voll da ist, lese ich etwas über Führung, Motivation oder Psychologie. Und nach drei, vier Wochen Erholung bin ich dann über einen Monat in Italien gewesen, auch zur Weiterbildung.
Bei welchen Klubs?
Ich habe unter anderem jedes Testspiel der AC Milan gesehen und auch Atalanta Bergamo studiert. Die italienischen Trainer legen ja einen ganz anderen Fokus auf Taktik. Inzwischen bin ich voll erholt und bis in die Haarspitzen motiviert, um einen neuen Job zu übernehmen. Ich merke, dass mir der Bundesliga-Rummel fehlt.
Reden wir über Mainz. Als es in der Rückrunde nicht lief, vermied man lange ein Bekenntnis zu Ihnen. So destabilisiert man einen Trainer.
Ich will nicht gross über Mainz reden. Es waren sieben tolle Jahre, viereinhalb im Nachwuchs, zweieinhalb als Bundesliga-Trainer. Ich habe da alles an Emotionen erlebt, den Druck im Abstiegskampf, die Euphorie einer Europa-League-Qualifikation …
… die Trennung von Ihrer Freundin …
… auch darüber möchte ich nicht mehr reden. Jedenfalls lernte ich auch die ganze Palette des Boulevard-Journalismus kennen.
Ihre liebste Schlagzeile?
«Der neue König von Mainz» in der BILD-Zeitung (lacht). Dass wir Platz 6 erreichten, ist für einen Klub wie Mainz wie der Gewinn eines Meister-Titels.
Nach unseren Informationen hatten Sie im Winter ein konkretes Angebot des VfL Wolfsburg auf dem Tisch. Bereuen Sie heute, dieses abgelehnt zu haben?
Mainz 05 informierte mich damals, dass dieses Angebot da ist. Aber ich habe sofort abgeblockt. Mainz 05 hat mich zum Bundesliga-Trainer gemacht. Und ich war diesem Klub gegenüber loyal bis zum letzten Tag. Ich bin keiner, der im Winter wegläuft.
Gab es in diesem Sommer Verhandlungen mit neuen Arbeitgebern?
Es gab lose Anfragen aus England und mit einem Bundesliga-Klub habe ich verhandelt, ja. Aber es hat zum Schluss nicht geklappt.
Zwei Klubs suchten einen Trainer: Schalke und Leverkusen.
Mit Schalke habe ich nie verhandelt.
Haben Sie sich geärgert, dass die Trennung von Mainz erst bekannt wurde, als der FC Basel schon einen Trainer hatte? Man hält viel von Ihnen am Rheinknie.
Der FC Basel hat schon den richtigen Walliser Trainer geholt. Raphi Wicky ist die perfekte Lösung, man sieht, dass da etwas entsteht.
Als Walliser müssten Sie immer der Wunschkandidat des FC Sion sein. Oder ist es Ihnen unter Christian Constantin zu chaotisch?
Die Frage musste ja kommen … Ich wurde nie gefragt, aber in der aktuellen Konstellation wäre es kein Thema für mich. Auch wenn der FC Sion für mich als Walliser immer ein Herzens-Thema ist.
Steckt genug Walliser Mentalität im FC Sion?
Dazu sage ich nichts.
Sind Sie Patriot genug, um Nati-Trainer als Ihren Traum-Job zu definieren?
Ich bin als Walliser und Schweizer Patriot, klar. Und ich halte es für wichtig, dass der Schweizer Nationaltrainer Patriotismus mitbringt. Für mich ist es allerdings die nächsten fünf bis zehn Jahre eher kein Thema, denn ich bin überzeugt, dass du als Nati-Trainer viel Erfahrung im Ausland gesammelt haben musst. Ich bin daran, mir Erfahrung anzuhäufen im Ausland, wie ein Lucien Favre, Marcel Koller oder René Weiler. Ohne etwas auszuschliessen: Im Fokus meiner Zukunft steht erst mal die Bundesliga.
Der Transfer-Wahnsinn hat Europa fest im Griff. Wie beurteilen Sie den 222-Millionen-Euro-Wechsel von Neymar zu Paris SG?
Es nimmt alles eine Grösse an, die dem normalen Fan Angst macht. Dieser Transfer ist aber erst der Anfang und wird Auswirkungen bis in tiefe Ligen haben. Schauen Sie: Barcelona hat nun 222 Millionen Euro auf dem Konto und will 120 Millionen Euro für Ousmane Dembélé von Dortmund ausgeben. Der BVB seinerseits hat so viel Geld, dass man 20 Millionen Euro für Maximilian Philipp vom SC Freiburg zahlt. Für Maximilian Philipp, wenn du in der Schweiz auf die Strasse gehst und nachfragst, kennt kaum jemand diesen Namen. Aber Freiburg hat wieder so viel Geld, um Yoric Ravet ein unmoralisches Angebot zu unterbreiten. YB seinerseits wird dann wieder so viel Geld haben, um den besten Spieler beispielsweise aus Lugano zu holen.
Was ist daran gefährlich? Immerhin bleibt das Geld im Fussball.
Das schon und das ist auch gut so – diesen Transfer-Domino-Effekt kannst du auch nicht verhindern. Aber die Spieler haben eine unglaubliche Macht bekommen. Dembélé schwänzt in Dortmund das Training. Kondogbia macht das gleiche bei Inter, weil er zu Valencia wechseln will. Es darf nicht sein, dass der Markt bestimmt, dass die Spieler nicht ins Training kommen.
Ex-Leverkusen-Manager Reiner Calmund vertrat die Philosophie: «Briefmarke auf den Arsch und weg.» Heisst: Man sollte keinen wechselwilligen Spieler halten.
Das sehe ich anders. Gerade bei Dembélé hätte ich ihn an Stelle von Dortmund nicht suspendiert, sondern überlegt, wie man ihn als jungen Spieler wieder einfügen kann. Die Vereine müssen knallhart werden, klare Leitkulturen schaffen. Ich würde als Dortmund darauf bestehen, dass er bleibt und auf den Sack voller Geld verzichten. Rein sportlich macht alles andere keinen Sinn. Mit Dembélé und Aubameyang, den Milan ja gerne will, bist Du ein ernstzunehmender Konkurrent für Bayern. Ohne die beiden kaum.
Ist Dembélé denn die gebotenen 120 Millionen wert?
Natürlich nicht. Er hat ja erst ein Jahr bei Dortmund gespielt. Im Vergleich müsste ein Cristiano Ronaldo dann eine halbe Milliarde kosten. Stellen Sie sich vor, was so ein Transfer dann für einen Kreislauf auslösen würde.
Lässt sich dieser Geld-Wahnsinn mit den ganzen Investoren und TV-Geldern stoppen?
Das Financial Fairplay ist ja jetzt im Fall Neymar und auch schon vorher ausgehebelt worden. Das ist gescheitert. Ich glaube, eine Möglichkeit wären nur geschlossene Ligen, einem Draftsystem, Budget- und Gehalts-Obergrenze wie zum Beispiel in Amerika. Aber wie gesagt: Kein Fussball-Verein darf jammern. Jeder noch so kleine Klub wird früher oder später durch den Domino-Effekt von diesen Wahnsinns-Geldern profitieren.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | Bayern München | 10 | 26 | 26 | |
2 | RB Leipzig | 10 | 10 | 21 | |
3 | Eintracht Frankfurt | 10 | 10 | 20 | |
4 | Bayer Leverkusen | 10 | 5 | 17 | |
5 | SC Freiburg | 10 | 2 | 17 | |
6 | Union Berlin | 10 | 1 | 16 | |
7 | Borussia Dortmund | 10 | 0 | 16 | |
8 | Werder Bremen | 10 | -4 | 15 | |
9 | Borussia Mönchengladbach | 10 | 1 | 14 | |
10 | FSV Mainz | 10 | 1 | 13 | |
11 | VfB Stuttgart | 10 | 0 | 13 | |
12 | VfL Wolfsburg | 10 | 1 | 12 | |
13 | FC Augsburg | 10 | -7 | 12 | |
14 | 1. FC Heidenheim 1846 | 10 | -2 | 10 | |
15 | TSG Hoffenheim | 10 | -6 | 9 | |
16 | FC St. Pauli | 10 | -5 | 8 | |
17 | Holstein Kiel | 10 | -13 | 5 | |
18 | VfL Bochum | 10 | -20 | 2 |