Mainz-Trainer Schmidt veräppelte Reporter
«Ich machte auf nichtwissend»

Martin Schmidt (48), der Mainz-Coach aus dem Wallis, über seine ersten 250 Bundesliga-Tage – und seine Freundin in Unterwäsche.
Publiziert: 25.10.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 18:39 Uhr
Martin Schmidt bei Stadtumfrage: Wer wird neuer Mainz-Coach?
1:05
:Martin Schmidt bei Stadtumfrage: Wer wird neuer Mainz-Coach?
Von Andreas Böni

SonntagsBlick: Herr Schmidt, wann werden Sie Dortmund-Trainer?
Martin Schmidt:
Wenn man den Fotomontagen im Internet glaubt, dann in fünf Jahren ...(lacht)

Diese zeigen Jürgen Klopp, der 2010 von Mainz zum BVB ging. Thomas Tuchel, der dies 2015 machte. Heisst: 2020 sind Sie Trainer von Schwarz-Gelb.
Meine Mannschaften sind aber immer rot-weiss. Ob Naters, ­Raron, Thun oder jetzt Mainz. Ich komme aus dem Wallis mit Rot-Weiss, aus der schönen Schweiz mit Rot-Weiss. Ich bin ganz gut ­aufgehoben hier, habe jetzt am Sonntag genau 250 Tage hinter mir und noch bis 2018 Vertrag.

Muss sich ein Schweizer Trainer mehr beweisen?
Die Mentalität ist unterschiedlich. Deutschland, das Land des Weltmeisters, ist sehr selbstbewusst. Da heisst es grundsätzlich mal: «Was will denn der Schweizer hier?» Der Schweizer sagt: «Könnte ich ein Bierchen haben?» Der Deutsche sagt: «Ich will ein Bier.» Hier ist man direkter. Doch wenn du das mal verstanden hast, dann lebst du super damit. Dann wirst du nicht mehr als langsam, zögerlich und neutral betrachtet, was man dem Schweizer so ­nachsagt.

Sie wären schon 2014 fast Nachfolger von Thomas Tuchel geworden. Da kannte Sie in Mainz noch fast keiner.
Ich war damals neben Kasper Hjulmand einer von zwei Top-Kandidaten. Als ich morgens in der Stadt spazieren ging, traf ich mit meiner Freundin ein TV-Team. Der Reporter machte eine Strassen-Umfrage, wie es jetzt nach Tuchels Abgang mit Mainz 05 wohl weitergehe. Er fragte auch mich, da er dachte, ich sei ein normaler Fussgänger. Ich machte auf nichtwissend, sprach nur über die Liebe zu meiner Freundin und küsste sie. Der Reporter zeigte seine Aufnahmen dann in der Redaktion. Die fragten ihn, ob er noch ganz normal sei. Er habe einen der beiden Top-Kandidaten vor der Linse gehabt und es nicht ­gemerkt.

Die «Zeit» schrieb, Sie seien der «normalste Bundesliga-Trainer». Wie äussert sich das?
Ich bewege mich in der Stadt wie bisher. Dieselben Kneipen, dieselben Gewohnheiten. Wenn es schönes Wetter ist, komme ich mit dem Velo zur Arbeit. In der Stadt der Kirchen, wie Mainz auch genannt wird, kann ich als gläubiger Walliser auch normal zur Messe ­gehen. Wenn eines Tages Fussball vorbei ist, will ich wieder wie ­vorher ganz normal leben können. Als Bundesliga-Trainer hast du einen unglaublichen Status. Aber das ist nicht der wahre Mensch dahinter. Man darf sich nicht zu ernst nehmen. Denn all das kann schnell vorbei sein.

Ihr Lebens-Traum sei es, in der eigenen Garage Oldtimer zu ­renovieren.
Ich habe während zehn Jahren meine Autotuningwerkstatt geführt, war davor Porsche-Werkstatt-Chef und mit der DTM als Mechaniker unterwegs. Ich liebe schnelle, aber auch alte Autos, ich habe Benzin im Blut. Um ein ­Beispiel zu nennen: Vor Jahren habe ich mal ein wunderschönes Auto in Los Angeles gekauft, es in die Schweiz verschiffen lassen, und da wartet es auf mich. In der Werkstatt zu sitzen, einen Oldtimer auf dem Lift, an dem ich ein bisschen schrauben kann, das könnte ein schöner ruhiger Alltag werden. In 10, 15 Jahren vielleicht, wenn ich mal über 60 bin.

Alter ist ein gutes Stichwort. Die ganze Bundesliga kennt Ihre 22 Jahre jüngere Freundin.
Ja, es ist schon so. Von fast keinem Trainer in der Bundesliga kennt man die Frau, und meine Freundin kennt man sogar in Unterwäsche und Bikini. Sie arbeitet als Curvy-Model, da gehört das halt dazu. Wir sind schon drei Jahre zusammen, also bevor ich Bundesliga-Trainer wurde. Das war schon ­komisch: Plötzlich bist du in der Öffentlichkeit und alle reden über deine Beziehung.

Sind Ihre langen ­Haare für Sie eigentlich heilig?
Ich trage sie lang, seit ich 14 oder 15 bin. Es ist für mich wie ein Sinnbild von Freiheit. Aber je älter ich werde, desto kürzer sind sie. Und inzwischen wirds oben ein bisschen dünn. Ich muss die Länge hinten weiter ein bisschen anpassen.

Bei Ihrem ersten Spiel war auch Ihr Vater in Mainz vor Ort. Kommt er oft?
Seither war er nicht mehr hier. Nicht, weil er nicht mehr wollte. Aber im April, Mai, da fängt die Gartenarbeit an. Dann hat er zu Hause zu tun. Im Sommer ist er auf der Alp, wo er eine Hütte hat. Da bringt ihn kein Mensch weg. Als ich ihn vor ein paar Wochen fragte, ob er wieder mal komme, zählte er mir alles auf, was er ernten muss ... Jetzt waren gerade die Härdöpfel dran. Er wird bald wieder mal­ anreisen, auf ein Spiel pro halbes Jahr hat er sich eingestellt. Nur ist die Reise für ihn als 83-Jährigen auch anstrengend. Zu Hause schaut er sich mit der Familie jedes Spiel live an und fiebert mit.

Sie wohnten bis 37, 38 bei ­Ihrem Vater zu Hause. Warum?
Meine Mutter starb früh, im Jahr 1996. Wir waren sieben Geschwister, fünf Mädchen und zwei Jungs. Ich war der Letzte, der noch zu Hause wohnte und habe meinem Vater (oder er mir) dann sieben, acht Jahre geholfen. Das ist auch der Grund, warum wir heute ein ­derart enges Verhältnis haben. ­Inzwischen bin ich der Einzige im Ausland, alle Geschwister leben noch im Wallis.

Apropos Wallis: Wie sehen Sie Sepp Blatter, den Oberwalliser, und Christian Constantin, den Unterwalliser, der ihn als ­«verrückt» bezeichnet?
Da sage ich besser gar nichts dazu ... (lacht) Beide sind grosse, spezielle Persönlichkeiten, die viel für den Fussball gemacht ­haben. Der eine regional, der ­andere weltweit. Übrigens: Auch die Erfolgsgeschichte von Mainz 05 beginnt in der Schweiz.

Wieso das?
Alles begann hier so richtig mit dem 2014 verstorbenen Wolfgang Frank. Er war Deutscher, ging in den 80er-Jahren zum FC Glarus, heiratete eine Schweizerin und machte die Schweizer Trainer-Ausbildung. Später landete er über Aarau, Wettingen und Winterthur bei Mainz. Das war 1995. Mit der Schweizer Philosophie von Offensiv-Fussball, Zonen- und Raumdeckung hat er in Deutschland als einer der Ersten Viererkette gespielt und ein professionelles Denken eingeführt. Aus seiner Schule kam Jürgen Klopp, der jahrelang sein Spieler war. Er veredelte das Ganze und führte Mainz 2004 in die Bundesliga.

Wie reicherte er es an?
Mit den Prinzipien im 4-4-2 mit Zonendeckung. Und bei Klopp kamen Vorwärtsverteidigung, Pressing, das Umschaltspiel und viel Emotionalität dazu. Man begann damit, die Spielphilosophie – System und Spielart – bis zu den ­Junioren runter zu implementieren. Als Tuchel kam, hat er den Spielstil kultiviert und mit Gegenpressing und Ballbesitz-Spiel ergänzt. Vorher war man eher der Herausforderer, unter Tuchel ­dominierte Mainz auch mal das Spiel. Wir trainieren von U8 bis U23 inhaltlich identisch.

Und die Junioren-Trainer ­kommen so in die Bundesliga.
Korrekt. Klopp wurde so ausgebildet, übernahm dann die erste Mannschaft. Tuchel ebenso, er war davor U19-Trainer, und ich war ab 2010 ins System Mainz ­integriert. Als ich die erste Mannschaft übernahm, wurde der U19-Trainer Coach der U23, der U17-Trainer übernahm die U19 und so weiter. So purzelt man hier in Mainz hoch und trägt die Philosophie von Team zu Team.

Sie sind nach dem Rücktritt von Lucien Favre bei Gladbach der letzte Schweizer Bundesliga-Trainer. Wie sehen Sie den Fall?
Meiner Meinung nach hat Lucien Favre zu früh aufgegeben. Er ­hätte die Wende sicher auch geschafft. Es war nur eine Frage der Zeit, bis es wieder passt nach den Zu- und Abgängen im Sommer. Aber um seine Zukunft mache ich mir keine Sorgen. Überall bei den Top-Vereinen ist er ein Thema.

Haben Sie ein Trainer-Vorbild?
Nein, eigentlich nicht, aber ich habe versucht, von vielen Persönlichkeiten etwas zu lernen. Von Thomas Tuchel zum Beispiel Taktik- und Gegner-Analyse. Von Christian Gross Disziplin und Ordnung. Die Coolness von Luis Menotti. Oder bei Thun im ­Nachwuchs habe ich von Beni von Gunten vieles betreffend strukturiertes Arbeiten gelernt. Jeder braucht im Leben Taktgeber. Egal, ob er Trainer, Maler oder Mechaniker werden will.

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