Lucien Favre im grossen Interview
«Schweizer Nati-Trainer war nie Thema»

Erfolgs-Trainer Lucien Favre (57) über sein Märchen in Gladbach, Gerüchte um Bayern München und die Nati. Und mit welchem Spruch er Gegner zum Schmunzeln bringt.
Publiziert: 19.07.2015 um 11:04 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 15:53 Uhr
Von Andreas Böni (Text) und Kathi Bettels (Fotos) aus Rottach-Egern

Lucien Favre, die Transfer-Frist dauert noch sechs Wochen. Wieviele Schweizer holen Sie noch?
Lucien Favre:
Es sind mit 20 Schweizern überhaupt viele in der Bundesliga – und es gibt auch bald einen neuen bei Schalke, glaube ich... (lacht)

Xherdan Shaqiri hätte nicht der sechste in Ihrem Kader werden können?
Nein. Wir sind auf den Aussenbahnen sehr gut besetzt. Wir wollen nicht zu viel Konkurrenz. 20 Spieler plus Goalies im Kader, nicht mehr. Und auch wenn wir Dritter in der Bundesliga geworden sind: Wir sind finanziell weit hinter Klubs wie Bayern, Wolfsburg, Dortmund, Leverkusen oder Schalke. Vom Umsatz und Gehalt her.

Haben Sie ein Beispiel?
Schauen Sie sich die Ligen in Europa an: Jeder andere Klub, der auf Platz 3 war, hat das grössere Budget als wir. Wir haben auch um Julian Brandt von Wolfsburgs Junioren gekämpft – er ging zu Leverkusen. Oder Leon Goretzka von Bochum – er ging zu Schalke. Wir haben Grenzen und darum viele Nachwuchs-Spieler geholt.

Vor allem mit der Verpflichtung von Nico Elvedi, einem 18-jährigen FCZ-Junior, haben Sie überrascht.
Einige Spieler von uns kommen in die Jahre. Darum haben wir sehr viele junge Spieler geholt. Wie Nico Elvedi, der als Innenverteidiger oder im zentralen Mittelfeld ein guter Spieler werden kann. Wir müssen die Zukunft von Borussia bauen. Diese Saison ist wichtig, aber für Gladbach ist die nächste Saison vielleicht noch wichtiger. Und die Saison 2017/18 vielleicht nochmals wichtiger.

Sie haben 2009 mit Hertha und Platz 4 eine Wahnsinns-Saison gemacht. Sie haben ein Wunder geschafft mit Gladbach und Platz 3. Aber hier können Sie eigentlich nicht mehr erreichen?
Vielleicht einen Pokalsieg, du musst sechs Spiele gewinnen. Platz 3 ist aber schon wie ein Titel bei unseren Möglichkeiten.

Was ist denn nun das Ziel?
Ein einstelliger Tabellenplatz, hat der Vorstand gesagt. Das unterschreibe ich. Es geht darum, Gladbach weiter zu stabilisieren. Es ist meine sechste Saison und als ich kam, waren wir auf Platz 18. Wir sind gut damit gefahren, bodenständig zu bleiben.

Wer in Deutschland so gut arbeitet wie Sie, wird normalerweise Bayern-München-Trainer.
Ich konzentriere mich nur auf meinen Job hier. Die sechs Monate bis Weihnachten werden eine sehr, sehr schwierige Aufgabe. Wenn du nicht hundertprozentig konzentriert bist und an irgendwelche anderen Dinge denkst, dann scheiterst du. 99 Prozent reichen nicht.

Sie gewinnen regelmässig gegen die Münchner. Irgendwie durchschauen Sie Pep Guardiola taktisch als einziger Trainer der Bundesliga.
Vor der Guardiola-Ära haben wir auch einmal gegen Bayern gewonnen, auch mit Hertha.

Der Vertrag von Pep Guardiola läuft nächsten Sommer aus. Da muss man an Sie denken.
Das ist nicht meine Sache. Ich denke nur an die nächsten sechs Monate.

Sie müssen ein Thema bei Bayern werden mit Karl-Heinz Rummenigge, mit dem Sie bei Servette spielten.
(lacht) Fertig jetzt. Darüber reden wir nicht mehr. Es ist eine Katastrophe, wenn du als Trainer denkst, ich will nach England, nach Spanien oder sonstwohin. Du darfst keine anderen Gedanken haben.

Apropos Planung: Warum sind Sie nicht Schweizer Nationaltrainer geworden?
Es war für mich noch nie ein Thema.

Waren Sie enttäuscht, dass man erst Marcel Koller gefragt hat?
Nein. Marcel ist ein sehr guter Trainer, jeder weiss das. Aber nochmals: Für mich wars keine Sekunde eine Überlegung wert. Ich habe ganz andere Sachen im Kopf.

Noch zum dritten Gerücht: Sie sollen nach dem Abgang von Jürgen Klopp mit Dortmund gesprochen haben. Stimmt das?
Nein.

Ihr Berater hat mit dem BVB geredet?
Nein.

Können Sie sich vorstellen, noch zehn Jahre Gladbach-Trainer zu sein?
Wie gesagt: Man kann als Trainer nicht weit vorausplanen.

Es gibt einen Fan hier, der läuft mit einem T-Shirt mit Ihrem Kopf rum. Darauf steht: «Spiel für Spiel denken».
(lacht) Ja, dieser Satz von mir hat sich offenbar eingebrannt. Auch Spieler von den Gegnern sagen das offenbar unter sich.

Wie stark verfolgen Sie die Super League noch?
Ich habe seit langem kein Spiel gesehen, weil ich in Gladbach keine Schweizer Fernsehsender habe. Im Internet schaue ich mir das eine oder andere Spiel in der Zusammenfassung an. Aber: Wenn ich mir einen Spieler genauer ansehen will, dann geht das problemlos, dann bekomme ich einfach eine DVD. Ich weiss aber, dass YB diese Saison eine gute Konkurrenz für Basel wird. Es ist hervorragend, was der FCB seit Jahren macht. Wie auch das Niveau der Nationalmannschaft. Ich habe immer noch dieses Spiel gegen Argentinien im Kopf...

... als man im WM-Achtelfinal ausschied ...
Ja. Es war möglich, weiterzukommen. Es fehlte nicht viel, wir hatten sogar eine Torchance mehr ... Dann wäre Belgien gekommen …

Spiel für Spiel ...
(lacht) Ja.

Ihr neuer Spieler Josip Drmic hätte ein Tor machen müssen.
Josip, ja. Er hat riesige Qualität. Aber noch ganz viel zu tun. Er muss lernen. Und er wird lernen. Er geht in die Tiefe, er hat eine gute Technik – aber er muss seine Bewegung im Spiel und vor dem Tor verbessern. Kaltblütiger sein.

Wie sehen Sie Granit Xhaka?
Er hat eine hervorragende Entwicklung gemacht. Wenn er sich weiter so entwickelt, wie es sein Potenzial verspricht, wird er eine sehr gute Karriere machen.

Und Yann Sommer?
Wie er hier auf Anhieb gespielt hat, war unglaublich. Fussballerisch so gut, so abgeklärt. Ja, die Schweizer hier machen richtig Freude.

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