Die erste deutsche Meisterschaft von Bayer Leverkusen hat einen erfreulichen Nebeneffekt. Niemand muss mehr von «Vizekusen» sprechen oder schreiben. Es reicht! Seit über 20 Jahren geisterte die misslungene Wortschöpfung durch die Fussballwelt. Nach drei Vizemeisterschaften 1997, 1999 und 2000 tauchte sie am Horizont auf, ehe sie im Mai 2002 endgültig Einzug in den Fachjargon hielt, als die Rheinländer auf dem Weg zu drei Titeln in Bundesliga, DFB-Pokal und Champions League gleich dreimal hochdramatisch scheiterten.
Seither galt Leverkusen als der Inbegriff des ewigen Zweiten. «Neverkusen» hat sich in England als Übername durchgesetzt, weil die Meisterschaft für den Werksklub des Chemie- und Pharmakonzerns Bayer ein unerreichbarer Traum zu bleiben schien. Nun, die englische Kreation mag ein wenig origineller gewesen sein, seit letztem Sonntag ist sie genauso überholt wie … eben.
Alleiniger Rekord winkt
Doch damit soll die Erfolgsstory noch nicht zu Ende sein. Dieser oft geschmähte Verein schickt sich an, es allen gleich richtig zu zeigen und die Saison womöglich mit drei Titeln zu krönen. Sowohl im Pokal-Endspiel als auch in der Europa League, wo man mit einem Bein im Halbfinal steht, gilt Leverkusen als Favorit. Dazu kommt, dass man inzwischen 43 Saisonspiele in Liga, Cup und Europapokal ohne Niederlage geblieben ist – das gelang zuvor nur Juventus Turin 2011/2012. Und schon am Donnerstag im Rückspiel gegen West Ham United winkt den Deutschen nun der alleinige Rekord.
Die beeindruckende Ungeschlagen-Serie ist aber noch für einen anderen aktuellen Titel der Leverkusener verantwortlich. Denn seit August letzten Jahres darf sich das Team von Trainer Xabi Alonso «inoffizieller Klub-Weltmeister» nennen. Eine Ehre, die – wie es der Name schon sagt – nicht von einem Verband oder einer Liga verliehen wird, sondern auf ein simples Rechenspiel einiger Fussball- und Statistik-Nerds zurückgeht. Diese nahmen sich Anfang der 2000er-Jahre das erste offizielle Spiel der Fussballgeschichte vor und ernannten den Sieger der Partie kurzerhand zum Weltmeister: Das historische Duell fand am 11. November 1871 in London statt, als in der 1. Runde des gerade aus der Taufe gehobenen FA-Cups die Clapham Rovers den Stadtrivalen Upton Park mit 3:0 besiegten.
Seit jenem Tag vor gut 150 Jahren wechselt der sogenannte UFCC-Titel immer dann den Besitzer, wenn der aktuelle Weltmeister in einem offiziellen Spiel besiegt wird. Ganz nach dem Vorbild der Box-WM. Die Rovers ereilte dieses Schicksal sehr bald, denn nach gerade einmal fünf Wochen als Titelträger unterlagen sie in der 2. Cup-Runde dem Wanderers FC mit 0:1.
Schalke holte Titel von der Insel
Zwar gab es beide Vereine ein paar Jahrzehnte später nicht mehr, die Krone aber blieb mangels europäischer Wettbewerbe zunächst 87 Jahre auf der Insel. Erst der 18. November 1958 brachte frischen Wind in die angestaubte Weltmeisterschaft: Schalke 04 schlug in der 1. Runde des Europapokals der Landesmeister die Wolverhampton Wanderers und übernahm den Titel damit als erster nicht-englischer oder -walisischer Klub.
Der spezielle K.o.-Modus sorgt zudem dafür, dass die Klub-WM über nationale Cupwettbewerbe immer wieder mal in untere Ligen bis zum Amateurbereich heruntergereicht wird und dort eine Zeitlang verweilt. So zum Beispiel Anfang der 1960er-Jahre, als der Titel in die deutsche 2. Oberliga Südwest gelangte und dort Vereine wie Germania Metternich, den FSV Schifferstadt oder den SV St. Ingbert schmückte – ohne dass diese ihr Glück auch nur geahnt hätten. Denn die findige Idee wurde ja, wie gesagt, erst 40 später geboren.
1972 kam Weltmeisterschaft in die Schweiz
Von Deutschland kam die Weltmeisterschaft über Frankreich und das damalige Jugoslawien 1972 auch in die Schweiz. Hier blieb sie mit kleinen Unterbrechungen fast fünfeinhalb Jahre. Vor allem der FC Basel mit 31 und die Grasshoppers mit 27 Titelverteidigungen taten sich damals hervor. So ist Basel bis heute einer von nur vier nicht-englischen Vereinen unter den Top-30 des UFCC-Rankings. Die anderen drei: Paris Saint-Germain (43 Titelverteidigungen), Bayern München (45) und … Bayer Leverkusen (53). Der neue Deutsche Meister belegt unter anderem dank seiner jüngsten Serie inzwischen schon Rang 14. Doch der Weg nach ganz oben ist noch weit. Die Nummer 1 der inoffiziellen Klub-Weltmeister ist Aston Villa mit 101 – also fast doppelt so vielen Titelverteidigungen.
Bis zum nächsten Steilpass am kommenden Dienstag könnte Leverkusen seine Serie immerhin um zwei Spiele ausgebaut haben. Aber West Ham und Dortmund als kommende Gegner hätten sicher auch nichts gegen den WM-Titel.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | Bayern München | 10 | 26 | 26 | |
2 | RB Leipzig | 10 | 10 | 21 | |
3 | Eintracht Frankfurt | 10 | 10 | 20 | |
4 | Bayer Leverkusen | 10 | 5 | 17 | |
5 | SC Freiburg | 10 | 2 | 17 | |
6 | Union Berlin | 10 | 1 | 16 | |
7 | Borussia Dortmund | 10 | 0 | 16 | |
8 | Werder Bremen | 10 | -4 | 15 | |
9 | Borussia Mönchengladbach | 10 | 1 | 14 | |
10 | FSV Mainz | 10 | 1 | 13 | |
11 | VfB Stuttgart | 10 | 0 | 13 | |
12 | VfL Wolfsburg | 10 | 1 | 12 | |
13 | FC Augsburg | 10 | -7 | 12 | |
14 | 1. FC Heidenheim 1846 | 10 | -2 | 10 | |
15 | TSG Hoffenheim | 10 | -6 | 9 | |
16 | FC St. Pauli | 10 | -5 | 8 | |
17 | Holstein Kiel | 10 | -13 | 5 | |
18 | VfL Bochum | 10 | -20 | 2 |