Herrscht nun Gerechtigkeit für alle?
Ab jetzt nutzt die Bundesliga den Videobeweis

Für die meisten sinnvoll, für die anderen nutzlos. Ab heute dürfen Schiedsrichter in strittigen Fällen die Videotechnik nutzen. Uli Hoeness findets «Blödsinn».
Publiziert: 18.08.2017 um 13:11 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 00:40 Uhr
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Schiedsrichter können ab dieser Saison auf den Video-Beweis zählen.
Foto: Sven Leifer

Gerechtigkeit! Für sie soll der Videobeweis sorgen, den Bundesliga von heute an nutzt. Gerechtigkeit für Spieler, Trainer, Bosse, Fans – und vor allem für sie: die Schiedsrichter. Deren Gemütslage fasst Fifa-Ref Felix Brych in der «Frankfurter Allgemeine Zeitung» zusammen: «Ich will am Abend nach dem Spiel einfach nicht mehr der grosse Loser sein, wenn mal etwas schiefgelaufen ist.» Vorbei sollen die Zeiten sein, in der die Fans strittige Szenen längst auf dem Smartphone zerlegt haben – der Schiri aber noch im Dunkeln tappt. Brych? Er gestand Leverkusens Stefan Kiessling 2013 ein Tor zu, obschon der Ball durchs Seitennetz gerutscht war.

Genutzt wird der Videobeweis in vier Fällen: bei Toren, Elfmetern, Roten Karten oder Spielerverwechslungen – bei allen sogenannten spielrelevanten Situationen. Bei Gelben und Gelb-Roten Karten greift die Technik nicht ein. Zu gross der Aufwand, zu häufig die Unterbrüche.

Wie läuft das Verfahren genau?

In einem Studio in Köln sitzt für jedes Spiel ein Video-Assistent – Profi-Schiedsrichter, die selber gerade nicht pfeifen. Bis zu zwei Aufseher kommen hinzu, sogenannte Supervisor, in der Regel ehemalige Profi-Refs wie Hellmut Krug, der das Dossier Videobeweis beim DFB führt. Bei fragwürdigen Szenen lässt sich der Video-Assistent Aufnahmen aus bis zu 17 Kamera-Perspektiven zeigen. Ist er sicher, dass der Schiedsrichter falsch entschieden hat, informiert er diesen nach Absprache mit einem Supervisor. Aber: Der Schiri muss sich nicht korrigieren, er kann auf seinem Entscheid beharren. Zweifelt er, darf er die umstrittene Szene nochmals am Spielfeldrand auf einem Monitor ergründen. Genauigkeit geht dabei vor Schnelligkeit – das Spiel kann also für mehrere Minuten unterbrochen werden. Trainer oder Spieler dürfen den Einsatz des Videobeweises nicht einfordern.

Kritiker? Klar, gibt es sie. Bayern-Präsident Uli Hoeness etwa sagt: «Wenn wir bei minus zehn Grad spielen und das Spiel dann fünfmal für zwei Minuten unterbrochen wird, dann musst du auch noch die Fitnesstrainer auf den Platz schicken, damit die Spieler warm bleiben.»

Der DFB rechnet im Durchschnitt mit 2,2 Fällen pro Spieltag – also ungefähr einer Korrektur pro Spiel. Verschmerzbar also.

An den ersten beiden Spieltagen müssen die Fans im Stadion auf Bewegtbilder verzichten. Zu komplex sei die Organisation, lässt die DFL verlauten.

Fehlentscheide wird es immer geben

Freiburg-Trainer Christian Streich sagt: «Es wird immer noch viele Streitfälle geben.» Prominentes Beispiel ist der Confed-Cup, an dem die Fifa den Videobeweis testete. Im Final sah der Chilene Jara nach einem Ellbogenschlag gegen Timo Werner bloss Gelb, obwohl Schiedsrichter Mazic die Szene noch einmal auf einem Monitor sah.

Ein Fehlentscheid - und für manche der Anlass, am Projekt zu zweifeln. Projektleiter Krug kontert: Ein Einzelfall sei dies, in vielen Fällen am Confed-Cup habe der Videobeweis bereits geholfen.

Bremen-Manager Frank Baumann vertritt die Mehrheitsmeinung in der Bundesliga. Er sagt: «Man kann erwarten, dass die eine oder andere krasse Fehlentscheidung dadurch verhindert wird. Und das trägt dazu bei, dass der Fussball noch fairer werden wird.»

Totale Fehlerlosigkeit? Ohnehin Utopie.

Der Videobeweis in anderen Ligen

Der Videobeweis wird im holländischen Pokal bereits genutzt, ebenso zuletzt in den französischen Barrage-Spielen. Nebst den Deutschen starten 2017/18 die Italiener und die Portugiesen das Projekt. Die Fifa testet die Technik an der U20-WM; am Confed-Cup tat sie es bereits. Im März 2018 wird sie darüber befinden, ob der Videobeweis an der WM in Russland eingesetzt wird. Die Swiss Football League ist derzeit noch am Evaluieren. Vor 2020 ist mit dem Einsatz der Technik aber nicht zu rechnen.

Bundesliga
Mannschaft
SP
TD
PT
1
Bayern München
Bayern München
10
26
26
2
RB Leipzig
RB Leipzig
10
10
21
3
Eintracht Frankfurt
Eintracht Frankfurt
10
10
20
4
Bayer Leverkusen
Bayer Leverkusen
10
5
17
5
SC Freiburg
SC Freiburg
10
2
17
6
Union Berlin
Union Berlin
10
1
16
7
Borussia Dortmund
Borussia Dortmund
10
0
16
8
Werder Bremen
Werder Bremen
10
-4
15
9
Borussia Mönchengladbach
Borussia Mönchengladbach
10
1
14
10
FSV Mainz
FSV Mainz
10
1
13
11
VfB Stuttgart
VfB Stuttgart
10
0
13
12
VfL Wolfsburg
VfL Wolfsburg
10
1
12
13
FC Augsburg
FC Augsburg
10
-7
12
14
1. FC Heidenheim 1846
1. FC Heidenheim 1846
10
-2
10
15
TSG Hoffenheim
TSG Hoffenheim
10
-6
9
16
FC St. Pauli
FC St. Pauli
10
-5
8
17
Holstein Kiel
Holstein Kiel
10
-13
5
18
VfL Bochum
VfL Bochum
10
-20
2
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