In Mönchegladbach, der Stadt am Niederrhein mit 260'000 Einwohnern, leben nur zwei Schweizer. Heinz Schweizer im nördlichen Stadtteil Windberg und Brigitte aus der Stadtmitte.
Da geht es bei der Borussia, dem Stadtklub, einiges schweizerischer zu und her. «Ah! Gäste aus der Schweiz. Grüezi!», freut sich die junge Dame beim Empfang auf der Geschäftsstelle. Beim überraschenden Bundesliga-Zweiten wird auch schweizerdeutsch gesprochen.
Die Grüppchen-Gefahr besteht nicht
Hier stehen mit Yann Sommer (29), Nico Elvedi (22), Denis Zakaria (22), Michael Lang (27) und Josip Drmic (26) gleich 5 Schweizer unter Vertrag. «Reden wir schnell, verstehen die anderen uns kaum», sagt Lang und schmunzelt, «das ist ab und zu auch ganz okay so». Der Aussenverteidiger ist als letzter Schweizer dazu gestossen – diesen Sommer vom FCB. Seine Nati-Kollegen hätten ihm die Integration zwar schon erleichtert, sagt er, «aber ich hätte mich auch ohne sie schnell zurecht gefunden, die Menschen hier machen es einem einfach.»
Gefahr, dass man zu einem Grüppchen in der Gruppe würde, bestehe aber nicht, sagt Sommer. «Klar sitze ich beim Essen manchmal neben einem Schweizer, das lässt sich ja auch kaum verhindern.»
Egal mit wem man auf dem Borussen-Campus spricht, es fällt kein schlechtes Wort über die fünf Eidgenossen. Einzig der belgische Internationale Thorgan Hazard war zuletzt nicht so gut auf sie zu sprechen. Hazard zu BLICK: «Ich musste mir nach dem 2:5 in der Nation League schon einige Sprüche von ihnen anhören ...»
Die Fans träumen von der Schale
Vom ehemaligen FCZ-Star Rafael, er ist mittlerweile 33 und wird «Papi» gerufen, gibt’s väterliches Lob. «Alles tolle Typen. Und sie machen ihre Sache richtig gut.» Die Schweizer sind grösste Ausländerfraktion und grosse Hoffnungsträger. Sie sind bei der Borussia das, was früher in den grossen 70ern die Dänen waren. Damals wurde der Verein fünfmal deutscher Meister. Seither nie mehr.
Nun liegt man nach 13 Spielen vor Serienmeister Bayern München. Die Fans träumen von der Schale – in Deutschland die Meistertrophäe, kein Milchkaffee. Sie singen nach dem letzten Heimspiel – dem 4:1 gegen Hannover – schon Meisterlieder.
Wenn auch die Spieler träumen, dann nur leise. «Unser Potential ist gross. Aber wir nehmen Spiel für Spiel», sagt Elvedi. Dieselbe Fussballer-Floskel brauchen auch Zakaria und Sommer. Ja kein zusätzlicher Druck. Sommer erklärt: «Man hat gelernt aus den letzten beiden Saisons, als wir offensiv unsere ambitionierten Ziele formulierten und dann jeweils auf Platz 9 gelandet sind.»
Sogar Lang, forsche Kampfansagen aus seiner FCB-Zeit gewohnt, redet nicht mal von der Champions-League-Qualifikation. Immerhin meint er: «Sollten wir die Vorrunde auf Platz zwei beenden, werden wir sicher nicht Platz fünf als Ziel ausgeben.» Jeder weiss, dass mit diesem Team viel möglich ist. «Wenn wir kein Verletzungspech haben, sogar sehr viel», so Lang.
«Man muss immer von neuem um seinen Platz kämpfen»
Karsten Kellermann – Borussia-Experte bei der Rheinischen Post – meint zum Schweizer Nummer 5. «Michi Lang ist sehr schnell angekommen und spielt eine gute Rolle.» Ein Trainings-Zaungast schwärmt von Langs Offensivgeist. «Er ist für einen Aussenverteidiger sehr oft vorne anzutreffen.» Dabei gehe er weniger nach vorn, als noch in Basel, sagt Lang. «Da konnte ich auch mal stehen bleiben, hier nicht mehr.»
Er will partout nicht neben einem Foto von Günter Netzer posieren. Dieser trug die Haare ähnlich lang wie Lang. «Ich will nicht mit einer Legende aufs Bild. Das steht mir nicht zu.»
Der grösste Unterschied zwischen Bundesliga und Super League sei der Konkurrenzkampf, sagt Lang. «In dieser Mannschaft muss man immer wieder von neuem um seinen Platz kämpfen.»
Einer, der dies zurzeit am eigenen Leib erfahren muss, ist Denis Zakaria. Der Überflieger der letzten Saison kommt in dieser Spielzeit weniger regelmässig zum Zug. Einerseits wegen des neuen Spielsystems von Trainer Dieter Hecking, andererseits wegen den Neuverpflichtungen. Zakaria – laut dem Verkäufer im Fanshop einer der grössten Fan-Lieblinge –nimmts gelassen. Auch dass die «Bild» ihn kürzlich als Unglücksvogel betitelt hat, weil Gladbach mit ihm in der Startformation nicht mehr gewinnen könne, schlägt ihm nicht auf sein sonniges Gemüt. Der 22-Jährige lacht und meint: «Ich habs auch gelesen. Was soll ich jetzt dazu was sagen?»
«So kann ich am Morgen länger schlafen»
Gesetzt ist der gleichaltrige Elvedi im Abwehrzentrum. «Unglaublich ruhig, zuverlässig und abgeklärt für sein Alter», sagt Oliver Neuville. Der 69fache deutsche Nationalspieler und heutige U19-Assistenztrainer von Gladbach sitzt an der Fohlen-Bar bei einem Kaffee. Neuville freut sich über die grosse Schweizer-Fraktion. «Das sind ja quasi Landsmänner. Ich bin im Tessin geboren und aufgewachsen.»
Deutsche Journalisten nennen Elvedi auch «Fohlen-Flüsterer», da dieser so still sei. «Ich war schon immer ein ruhiger Typ», sagt Elvedi, als BLICK ihn mit seinem Kosenamen konfrontiert. Er wohnt als einziger Schweizer nicht im grösseren, mondänen Düsseldorf, sondern in Gladbach. «So stehe ich nie im Stau und kann am Morgen länger schlafen.»
«Sparring-Partner» Drmic
Will er mit seinen Kumpels zum «Z’Nacht», fährt er die 25 Minuten nach Düsseldorf. Öfter geht er auch zu Drmic, der mitten im Düsseldorfer Zentrum wohnt. Im Gegensatz zu seinen Kollegen macht der Stürmer im Moment eine schwierige Zeit durch. Der WM-Torschütze hat bisher keine Bundesliga-Minute in den Beinen und auch keine Zukunft beim Verein. Sein Vertrag läuft Ende Saison aus. Am Mittwoch muss er beim Trainingsspielchen sogar rechts hinten einspringen. Doch er hängt sich – trotz auswegloser Situation – voll rein. Sommer sagt: «Josip verhält sich super, gibt immer Vollgas.» Neuville meint: «Was er drauf hat, hat er zuletzt wieder im Testspiel bewiesen.» Und was sagt Drmic selbst? «Ich bin zurzeit wie ein Sparring-Partner eines Boxers.» Dass er auch an den Wochenenden lieber auf dem Platz stehen würde, als auf der Tribüne zu sitzen, will er so nicht sagen. Muss er auch nicht.
«Könnte man den perfekten Profi bauen, käme Sommer heraus»
Alles andere als ein Sparring-Partner ist Sommer. Seit Sommer 2014 überzeugt er im Gladbach-Tor. Und über den dienstältesten Schweizer gibt’s keine zwei Meinungen. «Er ist eine Granate. Ein Wunder, dass ihn noch kein Klub aus der Premier League weggelockt hat», sagt der Fan beim Trainingsplatz. Journalist Kellermann formuliert es so: «Wenn du dir einen perfekten Fussball-Profi bauen könntest, käme Sommer heraus.» Sommer ist der zweite Goalie in Gladbach. Begonnen hat alles mit Jörg Stiel, der 2001 als erster Schweizer überhaupt da aufschlägt. «Sie wollten einen jungen, langen Goalie und sie bekamen bekamen mich», erinnert sich Stiel, «einen kleinen Frechen.»
Stiel ist eine Notlösung, weil sich der Ungar Szabolcs Safar in seinem letzten Spiel für Salzburg vor seinem Wechsel zu Gladbach verletzt. «Und die Notlösung hat so was von eingeschlagen», erinnert sich Kellermann.
Stiel wird Captain. Sein Mitspieler damals: Max Eberl, der heutige Sportchef. Stiel habe ihm die Augen für den Schweizer Markt geöffnet, sagte Eberl unlängst und er habe auch den Kontakt mit Trainer Lucien Favre hergestellt. Favre holt Granit Xhaka. Und beide schlagen – wie Stiel Jahre zuvor – voll ein. «Wer weiss, vielleicht wären hier nun alles Ungarn, hätte sich Safar damals nicht verletzt», sagt Kellermann.
Jetzt sind die Schweizer da – und lassen alle Gladbacher von der Schale träumen. Auch Heinz Schweizer aus Windberg und Brigitte aus der Stadtmitte.
Übrigens: Auch Leader Dormund ist mit Trainer Lucien Favre, den Goalies Roman Bürki, Marwin Hitz und Verteidiger Manuel Akanji fest in Schweizer Hand.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | Bayern München | 11 | 29 | 29 | |
2 | RB Leipzig | 10 | 10 | 21 | |
3 | Eintracht Frankfurt | 10 | 10 | 20 | |
4 | Bayer Leverkusen | 10 | 5 | 17 | |
5 | SC Freiburg | 10 | 2 | 17 | |
6 | Union Berlin | 10 | 1 | 16 | |
7 | Borussia Dortmund | 10 | 0 | 16 | |
8 | Werder Bremen | 10 | -4 | 15 | |
9 | Borussia Mönchengladbach | 10 | 1 | 14 | |
10 | FSV Mainz | 10 | 1 | 13 | |
11 | VfB Stuttgart | 10 | 0 | 13 | |
12 | VfL Wolfsburg | 10 | 1 | 12 | |
13 | FC Augsburg | 11 | -10 | 12 | |
14 | 1. FC Heidenheim 1846 | 10 | -2 | 10 | |
15 | TSG Hoffenheim | 10 | -6 | 9 | |
16 | FC St. Pauli | 10 | -5 | 8 | |
17 | Holstein Kiel | 10 | -13 | 5 | |
18 | VfL Bochum | 10 | -20 | 2 |