Erst Arp, Pavard und Hernandez – und dann?
Bayern-Bosse auf Irrfahrt durch den Transfersommer

Körbe und Kiwis statt der angekündigten Spieler-«Granaten»: So irrlichtert Bayern München durch den Transfersommer.
Publiziert: 03.07.2019 um 19:46 Uhr
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Aktualisiert: 03.07.2019 um 21:11 Uhr
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Hasan Salihamidzic steht im Fokus der bayrischen Irrfahrt.
Foto: imago images / Revierfoto
Ernst Kindhauser

Who the fuck is ... Kabak? Richtig gelesen: Kabak! Weder Döner noch Dürum, aber irgendwie türkisch. Ozan Kabak, 19-jähriger Verteidiger, rumpelte vorige Saison mit dem VfB Stuttgart in die 2. Bundesliga. Jetzt wechselt er zu Schalke.

Wo bleibt die Pointe, fragen Sie sich? Die Münchner Bayern buhlten um Kabak, tagelang, der aber gab Königsblau den Vorzug. Ein Noname, blutjung, in der «Kicker»-Rangliste «im Blickfeld» – vierte Kategorie! Die Personalie Kabak legt offen: Bayerns Transferpolitik gleicht einer Geisterfahrt.

Sicher, die Aufgabe ist anspruchsvoll, gilt es doch, den verpennten Umbruch des besten Bayern-Teams ever zu orchestrieren. Arjen Robben, Franck Ribéry, Mats Hummels, Rafinha und James sind Geschichte, wohl auch Jérôme Boateng und Renato Sanches. Neu sind – neben einem Kiwi-Knipser fürs Drittligateam – die Weltmeister Lucas Hernandez (nach OP rekonvaleszent) und Benjamin Pavard (Anwärter auf den Titel «Verlierer des Jahres»). Dazu Jann-Fiete Arp, ein früh verglühter Stürmer-Stern. Bleiben 17 Mann im Kader, eine Woche vor Trainingsstart.

Azubi Brazzo, der sich Sportchef nennt

Des Präsidenten grosse Klappe im «Doppelpass» fliegt ihm jetzt um die Ohren. «Wenn Sie wüssten, wen wir schon alles sicher haben», posaunte Uli Hoeness – und die Laber-Runde nickte ehrfürchtig wie im Gottesdienst.

Heute wissen wir, a Schmarrn hat er verzapft, der Zocker-Uli, und er weiss das. «Mich nervt es, dass man sich nur noch über Käufe definiert», sprach er jüngst dünnhäutig in die Mikrofone, eins der vielen Indizien, wie die Bayern im Sommer-Mercato irrlichtern.

Wie Rosenkavaliere bezirzten sie Spieler-«Granaten» (Hoeness), kassieren aber lauter Körbe, von Antoine Griezmann, Paulo Dybala, Matthijs de Ligt, Rodrigo, vermutlich auch von Leroy Sané, Callum Hudson-Odoi und Ousmane Dembélé. Gleichzeitig halten sie gnadenlos vermeintliche Granätchen hin (Timo Werner, Nicolas Pepe).

Vielleicht dämmert den Bossen, dass ihr Lebenswerk auf dem Spiel steht. Zumal ausgerechnet Dortmund meisterliche Transferpolitik betreibt – planvoll, still, entschlossen. Die Bayern hingegen zerreissen sich im Spagat zwischen Anspruch (Triple) und Wirklichkeit (finanzkräftigere Konkurrenz).

Die Bayern-Boss Rummenigge (l.) und Hoeness.
Foto: AFP

Im entfesselten Mercato mit seiner Dynamik und den astronomischen Einsätzen wirken sie überfordert – wie aus der Zeit gefallene Veteranen. Uli Hoeness hat im Knast an Bauernschläue, Instinktsicherheit und visionärer Kraft eingebüsst. Als Präsident geisselt er «Transferwahnsinn» und «perverse Gehälter» so wie als Grossmetzger vegane Würste. Was «Killer Kalle» Rummenigge seit Saisonende treibt, wissen die Götter, gerüchtehalber hat der Bayern-CEO den Hummels-Abgang auf Sylt abgewickelt. Planloser gehts nimmer: den besten Verteidiger zum Erzrivalen wegmobben, ohne Realersatz zu haben.

Hasan Salihamidzic gibt zwei Jahre schon den Azubi, der sich Sportchef nennt. Im Winter buhlte er im Stil eines kommunikativen Neandertalers um Chelseas Hudson-Odoi, signalisierte lauthals absoluten Kaufwillen und schwächte seine Verhandlungsposition. Gelernt hat der Azubi nichts.

Kürzlich inszenierte er sich auf dem Golfplatz als Zenmeister der Langsamkeit: «Wir haben einige Monate Zeit, um zu sehen, was möglich ist.» Zaudern ist der Vater vieler Niederlagen.

Zugegeben, die Bayern vollziehen den Umbruch zur Unzeit. Europas Transfermarkt gleicht einem orientalischen Basar – überhitzt, undurchsichtig, wechselhaft. Erfolgreiche Basaris verfügen über Erfahrung, Netzwerke, Raffinesse – und unermessliche Mittel. Die hatten die Bayern nie. Ihr berühmtes Festgeldkonto (rund 200 Millionen Euro) erscheint im Vergleich zu den Milliarden der Scheichs wie Taschengeld.

Nachteilig auch, dass in diesem Sommer Europas komplette Beletage mitbietet. Dazu zählten die Bayern nur einmal in ihrer Geschichte – dank Pep Guardiola. In den Augen der «Granaten» und deren Berater rangieren sie heute in der Sous-Etage.

Nicht mal ein Granätchen – Traum aller Bayern-Hasser

Anderswo locken mehr Geld und Ruhm. Die Königlichen haben den Umbruch mit Eden Hazard, Luka Jovic und zehn weiteren Stars vollzogen. Barça tunt sein Starensemble mit Antoine Griezmann, Frenkie de Jong und vielleicht mit Neymar. Juve verpflichtet Adrien Rabiot, womöglich auch de Ligt. Auch PSG, Liverpool und ManCity sind für die umgarnten Götterknaben
attraktiver als die Bayern.

Im Fussball ist nur die Ungewissheit gewiss – selbst Geisterfahrten können glimpflich enden. Der Mercato schliesst Ende August, vielleicht zaubern die Bayern-Bosse last minute ein paar «Granaten» in ihr Team. Andernfalls entschwände der ersehnte Henkel-Pott auf Jahre hinaus, selbst die Hegemonie in der Bundesliga könnte bröckeln – der Traum aller Bayern-Hasser.

Uli, Kalle und Brazzo stünden dann in ihrem schwierigsten Endspiel – dem eigenen.

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