Schweiz sagt alles ab – in Gladbach kommen 54 000 Leute
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Das Spiel der Corona-Angst:Schweiz sagt alles ab – in Gladbach kommen 54 000 Leute

Das Spiel der Corona-Angst
Schweiz sagt alles ab – in Gladbach kommen 54'000 Leute!

In der Schweiz ist alles abgesagt, in Deutschland spielt Gladbach gegen Dortmund (1:2) vor 54'000 Fans – während zehn Kilometer daneben Schulen, Schwimmbäder und Kitas geschlossen sind. Ein Augenschein im Stadion. Und was die Schweizer Bundesliga-Stars dazu sagen.
Publiziert: 07.03.2020 um 22:36 Uhr
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54'000 Zuschauer kommen zum Spitzenspiel Gladbach gegen Dortmund.
Foto: Imago
Andreas Böni aus Mönchengladbach

Emilia ist 8 Jahre alt und ein aufgewecktes Mädchen. Emilia ist aber auch ein wenig traurig: Wegen des Corona-Virus ist ihre Schule geschlossen, das Hallenbad zu und alle Spiele ihres Fussballklubs wurden abgesagt.

Emilia wohnt in Wegberg, im Landkreis Heinsberg, wo schon über 129 Menschen am Coronavirus erkrankt sind. Es sind 8,7 Kilometer Luftlinie von Emilias Haus bis zum Borussia-Park von Mönchengladbach.

In Deutschland entscheiden die Städte

Während Emilia zuhause sitzt, weil sie nicht in die Klasse mit 25 Kindern darf, kommen dort am Samstag 54'000 Menschen zusammen. Zum Fussball. Das Bundesland Nordrhein-Westfalen erwog eine Absage oder ein Geisterspiel – ohne Chance. Alles kein Problem, entschied das Gesundheitsamt der Stadt Mönchengladbach – während alle Schulen, Kindergärten und Kindertagesstätten im Kreis Heinsberg bis zum 15. März geschlossen bleiben.

Während in der Schweiz der Bundesrat alle Anlässe mit mehr als 1000 Personen verboten und der Fussball seither ruht, entscheiden in ganz Deutschland die Städte - nicht die Bundesregierung oder das Bundesland. «Lächerlich», findet das Emilias Papa Axel, «es passt einfach nicht zusammen. Es kann nicht sein, dass hier selbst Jugendspiele abgesagt werden und ein paar Kilometer weiter kommt man zu der Erkenntnis, dass eine Grossveranstaltung keine Gefahr darstellt.»

Im Kreis Heinsberg gilt eine Karnevals-Sitzung mit knapp 400 Teilnehmern als Ursprung für die Verbreitung des Virus (siehe Box). In diesem Kreis gibt es über 60 Gladbach-Fanclubs und tausende Saisonkarteninhaber. Borussia hat ihnen angeboten, die Tickets zurückzugeben und bald gratis ein Champions-League- oder Europa-League-Spiel besuchen zu können.

Die verhängnisvolle Karnevalsfeier

In Gangelt, einem 12 000-Menschen-Ort im Kreis Heinsberg, feiern am 15. Februar rund 400 Personen zusammen Karneval. Darunter ein 47-jähriger Unternehmer und seine 46-jährige Ehefrau, eine Kindergärtnerin. Sie stehen unter anderem auf der Bühne.

Ein paar Tage später ist nichts mehr, wie es vorher war. Der Mann und seine Frau kommen wegen einer Lungenentzündung ins Spital, es wird das Corona-Virus diagnostiziert. Der Mann sei geschwächt gewesen von einer Chemotherapie, schreibt die «Süddeutsche Zeitung», und mit Husten und Fieber eingeliefert worden.

Das Ehepaar wird isoliert, die Grossmutter betreut die beiden Kinder. Etwa 1000 Personen müssen in Quarantäne, in Gangelt schliessen Schulen, Kindergärten, einige Firmen, wie an vielen Orten im Kreis Heinsberg. Bis heute ist der Kreis Heinsberg (250 000 Einwohner), der im Bundesland Nordrhein-Westfalen liegt, mit 197 Infizierten als die am stärksten getroffene Gegend Deutschlands. Insgesamt spricht man in NRW von über 350 Fällen.

Wo sich das Ehepaar angesteckt hat, bleibt unklar. Deutschlandweit spricht man inzwischen von 692 Fällen, die sich mit dem Coronavirus angesteckt haben.

Der Chef-Virologe der Berliner Charité sprach sich deswegen auch gegen das Spiel in Gladbach aus. «Volle Stadien mit Zehntausenden von Fans - gerade in Gegenden wie dem vom Coronavirus jetzt stark betroffenen Rheinland - müssten aus medizinischer Sicht eigentlich gestoppt werden», sagte Christian Drosten der »Neuen Osnabrücker Zeitung».

In Gangelt, einem 12 000-Menschen-Ort im Kreis Heinsberg, feiern am 15. Februar rund 400 Personen zusammen Karneval. Darunter ein 47-jähriger Unternehmer und seine 46-jährige Ehefrau, eine Kindergärtnerin. Sie stehen unter anderem auf der Bühne.

Ein paar Tage später ist nichts mehr, wie es vorher war. Der Mann und seine Frau kommen wegen einer Lungenentzündung ins Spital, es wird das Corona-Virus diagnostiziert. Der Mann sei geschwächt gewesen von einer Chemotherapie, schreibt die «Süddeutsche Zeitung», und mit Husten und Fieber eingeliefert worden.

Das Ehepaar wird isoliert, die Grossmutter betreut die beiden Kinder. Etwa 1000 Personen müssen in Quarantäne, in Gangelt schliessen Schulen, Kindergärten, einige Firmen, wie an vielen Orten im Kreis Heinsberg. Bis heute ist der Kreis Heinsberg (250 000 Einwohner), der im Bundesland Nordrhein-Westfalen liegt, mit 197 Infizierten als die am stärksten getroffene Gegend Deutschlands. Insgesamt spricht man in NRW von über 350 Fällen.

Wo sich das Ehepaar angesteckt hat, bleibt unklar. Deutschlandweit spricht man inzwischen von 692 Fällen, die sich mit dem Coronavirus angesteckt haben.

Der Chef-Virologe der Berliner Charité sprach sich deswegen auch gegen das Spiel in Gladbach aus. «Volle Stadien mit Zehntausenden von Fans - gerade in Gegenden wie dem vom Coronavirus jetzt stark betroffenen Rheinland - müssten aus medizinischer Sicht eigentlich gestoppt werden», sagte Christian Drosten der »Neuen Osnabrücker Zeitung».

Gespenstisch ist es bereits an den Flughafen. Überall laufen Menschen mit Masken herum. Vereinzelte sind es, aber genügend, um ein Gefühl der Unsicherheit auszulösen. Dieses verstärkt sich mit den Aussagen von Bundes-Gesundheitsminister Jens Spahn, der von «nicht notwendigen Reisen» nach Nordrhein-Westfalen abrät – während die Bundesliga Woche für Woche vor Zehntausenden Fans weiter spielt.

Auch im Bauch des Borussia-Park gibt es nur ein Thema: das Virus und wie man sich jetzt begrüsst. Gladbach-Legende Oliver Neuville («Du kommst aus der Schweiz, bitte einen Meter Abstand») wie Dortmund-Trainer Lucien Favre witzeln: «Durften Sie aus der Schweiz ausreisen?» Und trotzdem verharmlost es niemand.

Favre begrüsst alle per «Fist Bump», also per Abklatschen der Faust. Es erstaunt nicht, denn Detail-Fanatiker Favre hatte schon vor dem Virus seine Spieler auf vier Sprachen im Kabinen-Trakt angewiesen, das Händeschütteln sein zu lassen, um keine Krankheiten weiterzugeben.

Vorbeugende Massnahmen ergriffen

Die Gegner von Geisterspielen und Verschiebungen argumentieren, dass es in Deutschland zum Beispiel 2017/18 rund 25'000 Menschen an der Grippe starben – im Vergleich zu 0 Corona-Toten in Deutschland bisher.

Vorsichtig sind trotzdem alle. Rund ums Stadion hat Gladbach vorbeugende Massnahmen ergriffen. «Hier riechts wie im Krankenhaus», bemerkt ein Fan auf der Toilette. Der Klub hat einen Fünf-Punkte-Plan aufgehängt, wie man die Hände richtig wäscht. Auch Desinfektionsspender sind vermehrt aufgestellt. Türklinken oder Lift-Knöpfe werden öfters als üblich geputzt.

Und trotzdem bleibt ein mulmiges Gefühl. Auch in der Mixed Zone, wo die Spieler auf die Journalisten treffen, ist alles ein wenig anders. Manuel Akanji (24), der Nati-Star, schüttelt keine Hände. Nach den öffentlichen Trainings gibt’s bei Dortmund zudem auch ein Autogramm- und Selfie-Verbot.

Akanji grüsst daher nach der Partie mit Ellbogen gegen Ellbogen, sagt zu SonntagsBlick: «Ich denke, es wird Gründe haben, dass man in der Schweiz so agiert. Als Fussballer ist es natürlich schöner, vor Publikum zu spielen, Geisterspiele sind nicht dasselbe.» Er halte sich an die Vorgaben des Vereins: «Menschenmengen meide, keine Hände schütteln, nicht zu nah an die Menschen.»

Auf der andere Seite steht Nico Elvedi. Er sagt: «Ich bin froh, dass wir das Top-Spiel gegen Dortmund mit Fans austragen konnten. Aber es ist schon eine heikle Situation und schwierig, auch für den Schweizer Fussball. Die Frage ist halt, wie lange das ganze anhält. Ich hoffe schon, dass man in der Schweiz möglichst bald wieder spielen kann.»

Schweizer Fans reisen nach Gladbach

Auch unter den Fans ist das Corona-Virus ein riesiges Thema. Zwei im Stadion sind Andreas und Biggi Schröder. Das Ehepaar wohnt in Ulisbach SG, im Toggenburg. Es fährt zu jeder Gladbach-Partie nach Deutschland und Schröder sagt über seine Frau: «Wäre Biggi nicht Gladbach-Fan, ich hätte sie nie geheiratet.»

Die beiden beunruhigt der Virus nicht, sie meinen: «Angst haben wir auf keinen Fall, aber es ist wichtig, die Hygienevorschriften einzuhalten. Und schliesslich ist es immer noch so, dass man freiwillig ins Stadion geht.»

Sie stellen fest, dass mehr Schweizer kommen: «So viele hatten wir jahrelang nicht mehr. Es hat immer mehr Schweizer Fussball-Touristen, gerade jetzt, wo die Super League nicht spielt», sagt Andreas Schröder. «Es sind offenbar viele, die nicht ohne Fussball sein können.»

Am Mittwoch gehts für beide Mannschaften weiter. Für Dortmund bei Paris SG (Hinspiel: 2:1). Gladbach spielt gegen Köln - das NRW-Derby.

Favre seinerseits freut sich schon. Grund: «Wir haben es gut gemacht.» Ein letzter «Fist Bump» zum Gruss – und er verschwindet in der Nacht.

Das meint BLICK Fussball-Chef Andreas Böni

Die Gefahr der Klüngelei

Am Freitag erreichte die Absurdität in Deutschland einen neuen Höhepunkt: Bundes-Gesundheitsminister Jens Spahn riet am Rand eines EU-Treffens in Brüssel, auf «nicht notwendige Reisen» ins Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) zu verzichten.

Einen Tag danach spielt Borussia Mönchengladbach gegen Dortmund vor 54 000 Fans. Gladbach liegt in NRW, zehn Kilometer vom Kreis Heinsberg entfernt, wo sich bereits 197 Menschen mit dem Corona-Virus infiziert haben. Zuvor spielten mit Leverkusen, Düsseldorf (je 30 000 Fans), Dortmund (80 000), Köln (50 000) und Schalke (63 000) bereits weitere Klubs im Westen Deutschlands – alle im Bundesland NRW gelegen.

Es ist ein Spiel mit dem Feuer, was die Deutschen treiben – während die Schweiz vorbildlich und rigoros reagiert. Genfer Autosalon? Abgesagt. Basler Fasnacht? Abgesagt. Eishockey? Geisterspiele, Playoffs verschoben. Fussball? Wird im ganzen März in den höchsten Ligen nicht gespielt.

Doch die Deutschen ticken anders: Da hat weder Bundes-Gesundheitsminister Spahn noch das Bundesland NRW über Bundesliga-Spiele zu entscheiden. Das Gesundheitsamt NRW erwog Mitte Woche, das Spiel Gladbach gegen BVB abzusagen.

Der Vorschlag wurde abgeschmettert – vom... Gesundheitsamt der Stadt Mönchengladbach. Man sehe keinen Grund für Geisterspiele oder eine Verschiebung.

Es liegt auf der Hand, dass es schwieriger ist, gegen die Lokal-Klub zu entscheiden, wenn man sich selbst stets in jener Region aufhält. Oder sogar wohnt. Oder sogar Fan des Vereins ist.

Und die Gefahr von Klüngelei droht bei dieser Ausrichtung sowieso. Es ist daher gut, dass der Bundesrat für die ganze Schweiz entschieden und einheitlich entschieden hat.

Um Deutschland muss man in diesen Momenten Angst haben.

Die Gefahr der Klüngelei

Am Freitag erreichte die Absurdität in Deutschland einen neuen Höhepunkt: Bundes-Gesundheitsminister Jens Spahn riet am Rand eines EU-Treffens in Brüssel, auf «nicht notwendige Reisen» ins Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) zu verzichten.

Einen Tag danach spielt Borussia Mönchengladbach gegen Dortmund vor 54 000 Fans. Gladbach liegt in NRW, zehn Kilometer vom Kreis Heinsberg entfernt, wo sich bereits 197 Menschen mit dem Corona-Virus infiziert haben. Zuvor spielten mit Leverkusen, Düsseldorf (je 30 000 Fans), Dortmund (80 000), Köln (50 000) und Schalke (63 000) bereits weitere Klubs im Westen Deutschlands – alle im Bundesland NRW gelegen.

Es ist ein Spiel mit dem Feuer, was die Deutschen treiben – während die Schweiz vorbildlich und rigoros reagiert. Genfer Autosalon? Abgesagt. Basler Fasnacht? Abgesagt. Eishockey? Geisterspiele, Playoffs verschoben. Fussball? Wird im ganzen März in den höchsten Ligen nicht gespielt.

Doch die Deutschen ticken anders: Da hat weder Bundes-Gesundheitsminister Spahn noch das Bundesland NRW über Bundesliga-Spiele zu entscheiden. Das Gesundheitsamt NRW erwog Mitte Woche, das Spiel Gladbach gegen BVB abzusagen.

Der Vorschlag wurde abgeschmettert – vom... Gesundheitsamt der Stadt Mönchengladbach. Man sehe keinen Grund für Geisterspiele oder eine Verschiebung.

Es liegt auf der Hand, dass es schwieriger ist, gegen die Lokal-Klub zu entscheiden, wenn man sich selbst stets in jener Region aufhält. Oder sogar wohnt. Oder sogar Fan des Vereins ist.

Und die Gefahr von Klüngelei droht bei dieser Ausrichtung sowieso. Es ist daher gut, dass der Bundesrat für die ganze Schweiz entschieden und einheitlich entschieden hat.

Um Deutschland muss man in diesen Momenten Angst haben.

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