Das erste BVB-Interview von Nati-Star Akanji
«Ich habe immer noch Probleme mit Rassismus»

Manuel Akanji (22) privat wie nie: Hier erzählt der Nati-Star, wie er im Alltag Rassismus erlebt. Wieso er stolz die Schweizer Hymne singt. Wie er alle Kritiker überzeugen will.
Publiziert: 04.03.2018 um 08:45 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 05:20 Uhr
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In der Winterpause wechselte Manuel Akanji von Basel nach Dortmund.
Foto: MoMue
Andreas Böni aus Dortmund

Die russische Kältepeitsche hat auch den Ruhrpott fest im Griff. Minus 10 Grad ist es am Mittwoch in Dortmund, auch Manuel Akanji (22) friert – obwohl er den Winter mag: «Vor meiner Zeit als Profi fuhr ich gerne Ski und Snowboard», sagt er.

Sechs Wochen ist es her, seit der Innenverteidiger für 25 Millionen Franken von Basel nach Dortmund wechselte. Eine Wohnung nahe des künstlich erbauten Phönix-Sees hat er mit Freundin Melanie bezogen.Seit seinem Wechsel durfte Akanji kein Interview geben, so will es die Praxis beim BVB. Die Spieler sollen erst ankommen. Nun darf er endlich reden. Und wer Akanji zuhört, spürt schnell: Dieser junge Mann hat sehr viel zu sagen.

Manuel, wie oft haben Sie ­eigentlich Ihren blau-weissen Widersacher schon getroffen?
Manuel Akanji:
Sie meinen Breel Embolo, meinen besten Freund? Oft. Ich war schon einige Malebei ihm zu Besuch, es sind ja nur knapp 20 Kilometer zwischen Dortmund und Gelsenkirchen. Gerade gestern, wir haben Playstation gespielt.

Dortmund gegen Schalke?
Nein, Barcelona gegen Manchester United. Er hat leider knapp gewonnen. Ich spiele im Moment aber auch lieber andere Spiele. Darum hat er mehr Übung.

Wer ist eigentlich afrikanischer von Ihnen beiden: Embolo oder Sie?
Breel. Er hat die ersten sechs Jahre seines Lebens in Kamerun verbracht, ich habe nie in Nigeria gelebt.

Wie oft waren Sie schon da?
Etwa sechs Mal, das letzte Mal aber 2010.

Haben Sie den Ort der Wurzeln Ihres Vaters in Nigeria besucht?
Mit zwölf, aber ich war wohl noch zu klein, um alles genau zu verstehen. Ausserdem beherrscht mein Vater als einziger die Sprache jener Region. Allzu viel weiss ich gar nicht über unsere Wurzeln, mein Vater spricht nicht oft darüber. Und als er in den USA studierte, lernte er meine Mutter kennen, sie ist ja Schweizerin. Und so begann die Geschichte.

Was ist afrikanisch an Ihnen, was schweizerisch?
Eine gewisse Lockerheit und Gelassenheit, gerade in hektischen Situationen auf dem Platz, ist sicher meine afrikanische Seite. Meine Schweizer Mentalität zeigt sich sicher in der Genauigkeit und Ernsthaftigkeit, mit der ich Dinge angehe. Ich bin richtig stolz auf meine afrikanischen und Schweizer Gene.

Sie singen in der Nati auch die Nationalhymne.
Und nochmals: voller Stolz. Weil ich dieses Land liebe und alles geben möchte. In der Schule bekam ich ein Shirt, wo die ganze Hymne draufstand. Da habe ich sie auswendig gelernt. Vor meinem ersten Nati-Spiel habe ich sie dann nochmals aufgefrischt. Für mich gehört es dazu, und es ist mir wichtig, dass ich sie singe.

Hatten Sie eigentlich je Probleme mit Rassismus in Ihrem Leben?
Was heisst hatte? Ich habe immer noch Probleme mit Rassismus, oft.

Wirklich?
Ja, als ich nach Dortmund kam jetzt, haben mich zum Beispiel viele Leute auf Englisch angesprochen. Oder wenn ich ins Flugzeug steige, werden weisse Menschen vor mir auf Deutsch angesprochen und ich dann Englisch. Das verstehe ich nicht, dass man mit mir anders redet wegen meiner Hautfarbe. Ich habe dadurch das Gefühl, als Fremder wahrgenommen zu werden.

«Ich habe das Gefühl, als Fremder wahrgenommen zu werden», sagt Akanji über seine Hautfarbe.
Foto: MoMue

Wie sehr trifft Sie das?
Es tut mir sehr weh, wenn so etwas passiert. Wenn man in einem Land ist, in dem Deutsch gesprochen wird, dann spricht man doch mit allen Deutsch. Egal, welche Hautfarbe jemand hat.

Was erlebten Sie diesbezüglich als Jugendlicher?
Auf dem Fussballplatz erlebst du alles an Sprüchen, an Provokationen wegen der Hautfarbe. Als Kind hat es mich noch nicht so beeinflusst, heute mache ich mir mehr Gedanken.

Was machen Sie, wenn Sie einer auf dem Feld rassistisch beschimpft?
Ich nehme ihm den Ball weg, zahle es mit Leistung zurück. Es lohnt sich nicht, sich provozieren zu lassen und so dem eigenen Team zu schaden.

In Russland, wo im Sommer die WM stattfindet, gibt es auch grosse Rassismus-Probleme.
Ich hoffe, es wird kein Problem sein.

Sie sind sowieso hart im Nehmen. Sie liessen sich den Satz «Prove them wrong» – beweise ihnen, dass sie falsch liegen – tätowieren. Warum?
Weil einige nach meinem Kreuzbandriss (vor zwei Jahren, Anmerkung d. Red.) nicht mehr an mich glaubten.

Akanji im Gespräch mit BLICK-Fussballchef Andreas Böni.
Foto: Moritz Müller

Wer?
Nicht Leute aus meinem nahen Umfeld. Einige sagten mir, der Wechsel von Winti zu Basel sei falsch und jetzt auch der Wechsel von Basel zu Dortmund. Es ist schön, dass ich diese Menschen vom Gegenteil überzeugen kann.

BLICK-Kolumnist Kubilay Türkyilmaz sagte, Dortmund sei eine Nummer zu gross für Sie.
Ich kann mich nicht mehr an ihn als Spieler erinnern ... Aber ist doch ein schöner Ansporn, es ihm zu zeigen. Seine Aussage wird sich als falsch herausstellen. Das gibt mir eine zusätzliche Motivation.

Wie wichtig war es für Sie ­eigentlich von der Persönlichkeitsbildung her, das KV abzuschliessen?
Sehr wichtig. Man weiss nie, was im Fussball passiert. Vielleicht verletze ich mich morgen schwer, kann nicht mehr Profi sein. So habe ich immer ein zweites Standbein, und nach der Karriere muss man vielleicht auch wieder etwas arbeiten.

Wird Ihre Freundin sich auch in Dortmund einen Job suchen?
Sie wird, natürlich. Sie sitzt nicht gerne zu Hause rum und hat bisher immer gearbeitet. Aber klar ist, dass sie im Sommer mit zur WM nach Russland will, wenn ich aufgeboten werde. Und darum wird sie erst danach einen Job annehmen, weil es sonst kompliziert wird.

Als Dortmund Sie im Winter wollte: Was dachten Sie?
Ich freute mich riesig. So ein grosser Klub, der mich will. Es war für mich eine Bestätigung, was ich mit dem FC Basel und auch dank meiner Teamkollegen erreichen konnte. Innerhalb von drei Jahren von der Schützenwiese in den Signal Iduna Park, es ging schon alles sehr schnell.

Nati-Trainer Petkovic setzt voll auf seinen Innenverteidiger.
Foto: TOTO MARTI

 

Stammspieler sind Sie noch nicht, aber Sie kommen zu Ihren Einsätzen. Haben Sie überlegt, zu bleiben wegen der WM?
Ja. Aber ich dachte, für meine Entwicklung hilft mir der Wechsel zum BVB mehr. Sei es durch die Intensität in den Trainings und auch in den Bundesliga-Spielen.

Schweizer in Dortmund, das hat Tradition. Wissen Sie, wer der erste war?
Stéphane Chapuisat?

Fast. Andy Egli war 1984/85 da, Chappi dann 1991 bis 1999.
1984? Da waren es noch elf Jahre hin bis zu meiner Geburt … Leider sah ich ihn nie spielen, von Chapuisat sah ich noch einige Partien – wie auch von Alex Frei. Beide schossen sehr viele Tore.

Und vom 28. Mai 1997 hörten Sie schon mal?
Nein, da war ich eineinhalb (lacht).

Dortmund holte mit Chapuisat und Ottmar Hitzfeld die Champions League. Der grösste Erfolg der Klubgeschichte.
Okay, ich werde es mir mal anschauen.

Ein anderer Schweizer, Goalie Roman Bürki, wird in Deutschland oft hart kritisiert. Können Sie es verstehen?
Nein. Es ist für ihn nicht einfach. Man kann als Fussballer immer sagen, man liest nichts … Aber man bekommt es ja trotzdem mit. Roman ist sehr wichtig für uns, hat die meisten Bundesliga-Spiele zu null gemacht. Ich denke, es ist ungerecht, dass er so hart kritisiert wird. Aber ich kenne ihn gut, er lässt sich davon nicht unterkriegen. Und ja: Wir Mitspieler sind immer füreinander da.

Reden wir noch über Basel: YB zieht davon, ist im Cupfinal und auf dem Weg zum Meistertitel. Tun Ihnen Ihre Ex-Kollegen leid?
Der Cup-Halbfinal tat mir weh. YB macht einen guten Job. Aber in der Meisterschaft traue ich Basel zu, nochmals zurückzukommen.

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