Seine Aussage hat für Furore gesorgt. «Wir werden in ein paar Wochen darüber sprechen», lautete Lucien Favres Antwort letzten Dienstag nach der Niederlage gegen die Bayern auf die Frage, ob er eine Debatte befürchte, dass er mit Dortmund einfach keine Titel gewinnen könne. Legende Lothar Matthäus hat daraufhin spekuliert, dass Favre seinen Rücktritt geben wird und Niko Kovac (48) beim BVB übernehmen könnte (BLICK berichtete).
«Auf eine Art egoistisch»
Seither wird Favre im Ruhrpott diskutiert – mal wieder. Geht er wirklich von sich aus? Wie schon bei Hertha 2009 und bei Gladbach 2015? «Seine Abgänge in der Vergangenheit waren plötzlich», erinnert sich Mike Hanke, ehemaliger Gladbach-Spieler unter Favre, im «Doppelpass». Hanke weiter: «Das finde ich schon auf eine Art egoistisch. Von heute auf morgen lässt er den Verein und die Mannschaft im Stich.» Auch beim BVB? Nein. Favre denkt nicht ans Aufhören. «Ich werde diesen Vertrag erfüllen», sagt der Dortmund-Trainer, der bis Sommer 2021 unterschrieben hat.
Und den Rücken gestärkt bekommt Favre von BVB-Sportdirektor Hans-Joachim Watzke. «Es gibt aktuell überhaupt keinen Anlass für eine Trainerdiskussion», erklärt Watzke der «Funke Mediengruppe». «Wir spielen eine sehr, sehr gute Rückrunde, hatten vor dem Spiel 27 von 30 Punkten geholt, sind überall gelobt worden.»
Tatsächlich spielt der BVB die zweitbeste Rückrunde der Vereinsgeschichte, fegt am Sonntag mit 6:1 über Paderborn hinweg. Zudem hat Favre in 63 Bundesliga-Partien 41 Siege eingefahren – das ist Rekord in Dortmund. Und: Favre holt ganze 2,16 Punkte pro Spiel – und ist damit der beste Trainer der BVB-Vereinsgeschichte.
Favre wurde missverstanden
Warum also steht Favre immer wieder in der Kritik? «Dass Lucien Favre, der auf jeder seiner sieben Cheftrainerstationen sein Team drastisch verbesserte, hierzulande als Trainer gilt, der ‹nichts gewinnt›, ist einer dieser Wahnsinnsaspekte des deutschen Sportjournalismus», fasst Daniel Raecke, Journalist beim «Spiegel», das Mysterium um Favre auf Twitter zusammen.
Michael Jahn, der Autor der Favre-Biografie «Der Bessermacher», versucht zu erklären: «Lucien Favre ist immer höflich und zuvorkommend. Er ist ein interessanter Gesprächspartner und ein grossartiger Fussballlehrer, der sich aber manchmal leider selbst im Weg steht. Er ist eben ein detailverliebter Zauderer, der vielleicht manchmal das grosse Ganze nicht im Blick hat.»
Und Oliver Müller, ehemaliger «Welt»-Reporter, meint: Mit seiner «etwas kryptischen Aussage» sei Favre völlig missverstanden worden. Doch: «Ich würde nicht Haus und Hof darauf verwetten, dass Favre seinen Vertrag beim BVB bis zum letzten Tag erfüllt», so Müller.
Favre und der BVB haben in diesem Jahr nur zwei Partien verloren. Im Februar gegen Leverkusen (3:4) und letzte Woche gegen die Bayern (0:1). Ansonsten haben die Dortmunder alle Liga-Spiele 2020 gewonnen – sie stehen souverän auf Platz 2 hinter den aktuell praktisch unschlagbaren Bayern. Die Zahlen sprechen definitiv für Favre. (mam)
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | Bayern München | 10 | 26 | 26 | |
2 | RB Leipzig | 10 | 10 | 21 | |
3 | Eintracht Frankfurt | 10 | 10 | 20 | |
4 | Bayer Leverkusen | 10 | 5 | 17 | |
5 | SC Freiburg | 10 | 2 | 17 | |
6 | Union Berlin | 10 | 1 | 16 | |
7 | Borussia Dortmund | 10 | 0 | 16 | |
8 | Werder Bremen | 10 | -4 | 15 | |
9 | Borussia Mönchengladbach | 10 | 1 | 14 | |
10 | FSV Mainz | 10 | 1 | 13 | |
11 | VfB Stuttgart | 10 | 0 | 13 | |
12 | VfL Wolfsburg | 10 | 1 | 12 | |
13 | FC Augsburg | 10 | -7 | 12 | |
14 | 1. FC Heidenheim 1846 | 10 | -2 | 10 | |
15 | TSG Hoffenheim | 10 | -6 | 9 | |
16 | FC St. Pauli | 10 | -5 | 8 | |
17 | Holstein Kiel | 10 | -13 | 5 | |
18 | VfL Bochum | 10 | -20 | 2 |