BLICK-Kolumnist Oskar Beck
«Steckt die Frau von Uli Hoeness hinter dem Rücktritt?»

Uli Hoeness (67) hört auf. Der FC Bayern wird auch ohne ihn Fussball spielen – aber was soll aus uns Journalisten werden? Schon kommt der erste Hilfe- und Rückruf.
Publiziert: 29.07.2019 um 14:50 Uhr
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Aktualisiert: 29.07.2019 um 15:55 Uhr
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Nach 40 Jahren im Management des FC Bayern ist Schluss für Uli Hoeness.
Foto: Imago
Oskar Beck

Die Fussballwelt will es nicht fassen: Im Herbst fallen nicht nur die Blätter, sondern auch Uli Hoeness. Alle fragen sich, wie es mit dem FC Bayern ohne ihn weitergeht – aber noch schlimmer: Was soll aus uns Journalisten werden?

Er war das Salz in der Suppe. Helmut Markwort weiss es am besten. Der frühere Bayern-Aufsichtsrat hat das Nachrichtenmagazin «Focus» gegründet, war dort lange Chefredakteur und bat Hoeness diese Woche flehentlich, sich nicht als Rentner an den Tegernsee ­zurück zuziehen: «Sollte sich eine Initiative gründen mit dem Titel ‹Uli, wir brauchen dich›, ich wäre ihr erster Unterzeichner.»

Der Abgang von Hoeness schadet dem Fussballspektakel mehr als das Bleiben vieler Langweiler. Fast 50 Jahre lang sorgte er für Sternstunden und Schlagzeilen aller Art, als stürmender Weltmeister und schillernder Vereinslenker, im Gras, am Mikrofon, ja sogar im Gefängnis. Er hat den Zirkus gefüttert mit dem Stoff, aus dem die Überschriften sind, und die leiseste Blähung, die ihm entfuhr, wurde ausdiskutiert mit Pro oder Kontra. Schon sein Manager-Vorgänger Robert Schwan («Es gibt nur zwei intelligente Menschen: Schwan am Vormittag und Schwan am Nachmittag») war eine Marke – aber Hoeness lieferte auch noch am Abend.

Bunte Hunde wie Hoeness wachsen nicht auf Bäumen

Wird der Fussball je wieder einen finden, der eine Krawall-Pressekonferenz so würzen kann wie Hoeness letztes Jahr? Allen respektlosen Kritikern liess er damals durch Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge mit Verweis auf Artikel 1 des Grundgesetzes die Menschenwürde erklären – und putzte im nächsten Moment den Spieler Juan Bernat herunter («Er hat Scheissdreck gespielt»). Danke, sagten die Journalisten, klopften sich brüllend auf die Schenkel und hauten in die Tasten.

Bunte Hunde wie Hoeness wachsen nicht auf den Bäumen, und sie sorgen für eine hohe Auflage und ein Feuerwerk von Klicks. Der Schreiber hier stand einmal im «News Room», auf einer mächtigen elektronischen Tafel war eine hysterisch zuckende Top-Ten-Liste zu sehen und der dortige Kollege verriet: «Das sind die im Moment meistangeklickten Texte im Land. Du bist automatisch ganz vorne dabei, wenn in deiner Überschrift der Name Hoeness vorkommt.»

Hoeness hat zuverlässig geliefert, oft auf Kosten von anderen, aber immer irgendwie köstlich. Die Klublegende Lothar Matthäus grätschte er ab: «Der wird, solange ich etwas zu sagen habe, beim FC Bayern nicht einmal Greenkeeper.» Und Christoph Daum war schon so gut wie Bundestrainer – bis Uli Hoeness die rätselhafte Bemerkung ausstiess: «Der DFB kann doch keine Aktion ‹Keine Macht den Drogen› starten und Herr Daum hat vielleicht damit etwas zu tun.» Kurz danach waren alle schlauer, denn Daums kokainhaltige Frisur hielt der gerichtsmedizinischen Haaranalyse nicht stand.

Hoeness machte an der Front nur ungern Gefangene. Als Paul Breitner ihn voriges Jahr im Namen der Bayern-Familie kritisierte («Für den Papa müssen wir uns jetzt mal gewaltig schämen»), verbannte der Papa den Nestbeschmutzer von der Ehrentribüne. Dabei waren sie einst dickste Freunde und gehörten zusammen wie Garmisch und Partenkirchen. Bis zum «Rosenkrieg». Grosses Kino. Und alles gratis.

Immer wieder für zündende Themen verantwortlich

Hoeness war fürs Geschäft unbezahlbar. Als er wegen Steuerhinterziehung ins Gefängnis musste, hielt uns Journalisten nur seine trotzige Drohung aufrecht: «Das wars noch nicht!» Bei seiner Rückkehr knallten in den Redaktionen dann die Sektkorken – denn vom Berg Sinai herab verkündete Hoeness sofort wieder seine zehn Gebote und zeigte der Welt als letzte Instanz, wo der Hammer hängt.

Hoeness, Hoeness, Hoeness. Immer schenkte er uns ein zündendes Thema. Die blosse Ankündigung diverser Bombentransfers der Bayern für die neue Saison liess im Frühjahr die Fussballwelt zittern – vor allem, als die Raketen dann ausblieben, die Bayernstars Neuer und Lewandowski mit ihrem «Wo bleiben die Neuen?»-Gesicht nachbohrten und Rummenigge dem Vollmundigen fast unverblümt riet, besser auf den Schliessmuskel seines Mundes zu achten. Meinungsverschiedenheiten. Machtgerangel – auf dem Tablett hat Hoeness den Medien so manches gefundene Fressen serviert.

Bald ist das nun alles vorbei. Ab Herbst droht die trostlose Friedhofsruhe, die Dortmunder Fans werden über dem Kopf von Hoeness kein Bier mehr ausschütten und bei den Hauptversammlungen wird sich Hoeness nicht mehr von Anarchisten wie dem Mitglied Bachmayr («Der FC Bayern ist keine One-Man-Show!») in die fuchsteufelswilde Frage treiben lassen: «Ist das noch mein FC Bayern?»

Was kommt nach Hoeness?

Wir Journalisten sind reif für den Strick. Es bleibt uns nur noch die Frage: Warum? Steckt seine Frau Susi hinter dem Rücktritt? Haben ihn der Autoritätsverlust und die Anfeindungen zermürbt, womöglich der Rempler von Rummenigge? Oder macht er sich einfach nur fluchtartig vom Acker, weil er sein Lebenswerk wackeln sieht und spürt, dass das Festgeldkonto der Bayern nicht mehr ausreicht für die Superstars, die man braucht, um die Champions League zu gewinnen?

Aber die schlimmste Frage heisst: Gibt es ein Leben nach Hoeness? Der Einzige, der darauf sicher Ja sagen kann, ist Lothar Matthäus: Er kann endlich Greenkeeper werden.

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