Sportlicher Erfolg macht nicht automatisch glücklich. Das zeigt die Geschichte von Andres Iniesta.
Wir schreiben das Jahr 2009, der FC Barcelona ist das Mass aller Dinge im Weltfussball. Champions-League-Sieger, spanischer Meister, spanischer Cupsieger – die Katalanen jubeln über das Triple. Mittendrin ist Andres Iniesta, damals 25-jährig, Stammspieler in der Erfolgsmannschaft. Doch Iniesta jubelt nicht. Im Gegenteil, er kämpft mit den dunklen Seiten des Lebens. Barça im Höhenflug – der geniale Mittelfeldstratege im Fall. Im Fall in eine tiefe Depression.
Seit dem vergangenen Donnerstag-Abend kennt die Sportwelt weitere Details über jene Zeit. Der japanische Internet-Gigant «Rakuten» strahlt eine Dokumentation über Iniestas Leben aus. Darin zu sehen: Iniestas schwieriger Start in Barças berühmter Akademie La Masia. Iniesta als ehrgeiziger Fussballer, der akribisch seine Ziele verfolgt und immer besser werden will. Und Iniesta als Familienmensch, als einer, «der immer versucht hat, normal zu bleiben.»
Der Zusammenhang: Rakuten-Boss Hiroshi Mikitani besitzt mit seiner Firma den japanischen Fussballklub Vissel Kobe. Dort kickt Andres Iniesta seit seit seinem Barça-Abgang im Sommer 2018.
«Ich war nicht mehr mich selber»
Zurück zur grossen Frage über Iniesta vom Sommer 2009: Warum gehts dem erfolgreichen Star-Fussballer nicht gut? Iniesta beschreibt die damalige Zeit, berichtet davon, dass etwas nicht stimmte, aber er nicht wusste, was. Dann bringt ein Tod die Negativspirale so richtig ins Rollen. Fussball-Kumpel Dani Jarque (†26), Captain von Espanyol Barcelona, verstirbt damals im August im Trainingslager aufgrund eines Herzversagens.
Iniesta fällt in eine tiefe Depression: «Ich erreichte einen Punkt, an dem ich nur noch darauf wartete, dass die Nacht anbricht, ich meine Medikamente nehmen und mich erholen kann», enthüllte er bereits vor einigen Jahren beim Privatsender «La Sexta TV». Es geht so weit, dass der Barça-Star sogar über Selbstmord nachdenkt: «Ich habe daran gedacht. Ich habe nie gesagt, dass ich es machen wollte, aber ich war einfach nicht mehr ich selber.»
Ein Jahr später macht er Spanien zum Weltmeister
Der sensible Techniker findet den Weg raus aus dem Sumpf. Im darauffolgenden Sommer steht er mit Spanien im WM-Final gegen Holland. Es läuft beim Stand von 0:0 die 116. Minute. Iniesta kriegt im Strafraum den Ball vor die Füsse. Er hämmert ihn in die Maschen, schiesst Spanien zum ersten und bisher einzigen Weltmeistertitel.
Die Spuren seiner schwierigen Zeit sind auch in diesem Erfolgsmoment noch da: Iniesta dreht zum Jubeln ab, zieht sein Trikot aus. Auf dem Unterleibchen erinnern wenige Worte an seine schwierige Zeit: «Dani Jarque ist immer bei uns.» Er hat seinen verstorbenen Freund nicht vergessen.
Lionel Messi, Pep Guardiola, Fernando Torres und viele weitere berühmte Weggefährten schwärmen in der neuen Doku über Iniesta. Sein ehemaliger Barça-Mitspieler Pedro trifft den Nagel auf den Kopf: «Da erzielt er das wichtigste Tor seiner Karriere und widmet es seinem Freund. Das fasst sehr gut zusammen, was für eine Person er ist.» (str)