Barnetta verspricht in Philadelphia
«Wenn ich heim komme, dann zum FC St. Gallen»

Auch wenn es ihm die St. Gallen-Fans übel nahmen, dass er nicht nach hause kam, sondern in die exotische MLS ging – Tranquillo Barnetta bereut es keinen Moment. Ob er jetzt heim kommt? Unklar.
Publiziert: 17.07.2016 um 15:00 Uhr
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Aktualisiert: 02.08.2021 um 10:05 Uhr
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Seit einem Jahr lebt Tranquillo Barnetta in Amerika und fühlt sich pudelwohl.
Foto: Bill McCay
Sandro Inguscio aus Philadelphia

In Flip-Flops, Shorts und T-Shirt empfängt uns Tranquillo Barnetta in seinem Appartmentgebäude mitten in der Stadt. Auf dem Kopf verkehrt herum ein Hut vom Hotel «Wynn» in Las Vegas, dort wo er vor kurzem mit Teamkollegen von Philadelphia Union ein freies Wochenende genoss.

Quillo ist locker, lässig, gut gelaunt. Er kommt gerade vom Golfen an diesem Morgen. «Ich habe vor einem Monat damit begonnen. Ich bin miserabel, aber es macht Spass», sagt der 31-Jährige lachend.

«Ich war genau in diesem Outfit auf dem Golfplatz. Die Amis sind da weniger kompliziert, hier gibt es keinen Dresscode oder ein benötigtes Handicap um spielen zu können. Entspannt eben.» Barnetta geniesst genau diese Gelassenheit, dieses unbekümmerte Leben ennet dem grossen Teich. In seiner neuen Heimat Philadelphia.

Natürlich schauen die jungen Girls im Bikini oben auf dem Dach beim Pool, als Barnetta mit Blick auf die Skyline für SonntagsBlick posiert. Aufsehen erregt die Kamera, aber nicht der Fussballer, den hier niemand erkennt auch wenn er im selben Gebäude wohnt.

«Ich geniesse es hier. Hier kann ich problemlos durch die Strassen laufen, mein Leben leben und geniessen. Das ist es auch, was die Stars wie Pirlo, oder Gerrard mir sagen, dass sie hier unbekümmert sich bewegen können», sagt der ehemalige Bundesliga-Profi, der bei Schalke auch schon mehr Trubel erlebt hat als in der MLS.

Gerade am Abend zuvor hatte er gegen New York gespielt. Bei der 2:3-Niederlage trafen mit Lampard, Pirlo und Villa gleich alle drei Superstars. Das erste MLS-Tor von Italien-Legende Pirlo. «Wenn die alle treffen darf man verlieren», sagt Barnetta. Man merkt – der Druck ist überschaubar. Auch wenn die Liga wächst, die Plätze besser werden, die Stadien mittlerweile überall gut gefüllt sind. «Wenn ich Besuch aus der Schweiz habe merken sie erst, wie es hier abgeht. Selbst Seattle, welches noch als eines der wenigen Teams im American Football Stadion spielen muss, hat 45 000 Zuschauer.»

Es sind die Dinge, die in der Schweiz wenig bekannt sind, die ihm vor einem Jahr Kritik eingebracht haben, als er nicht zurück nach St. Gallen kam, sondern in die MLS ging. Nach einem Jahr aber sagt Barnetta: «Es war defintiv richtig hierher zu kommen. Es war Zeit für etwas Neues. Ich wollte noch einmal etwas erleben. Es gibt immer Kritiker, aber ich musste für mich entscheiden und bin glücklich damit.»

Die ehemalige US-Hauptstadt hilft mit ihrem ganz speziellen Charme dabei. Durch die Strassen schlendernd gehts vorbei an alten Fabrikgebäuden aus Backsteinen, die einen unvergleichlichen Kontrast zu den glänzenden Hochhäusern der Skyline bilden. Nur wenige Strassen trennen hier in der fünftgrössten Stadt Amerikas (1,5 Mio. Einwohner) das Wirtschaftsviertel von der Altstadt mit seinen Bauten im Kolonialstil.

Dort, wo mit der Independence Hall und der Freiheitsglocke, Liberty Bell zwei der wichtigsten symbolischen Stätten der USA beheimatet sind. «Philly ist eine Arbeiterstadt, das merkt man. In unserem neuen Trainingszentrum hat man zum Beispiel die uralten Türen der alten Anlage wieder eingebaut um dieses Feeling nicht zu verlieren», sagt Barnetta.

Er führt SonntagsBlick in den Reading Terminal Market unweit seiner Wohnung. Eine Halle voller Essensständen. Natürlich auch mit dem legendären Philly Cheesesteak. Gehacktes Steak mit Käse im Brot. «Natürlich gönne ich mir ab und zu eins, aber es ist etwas mehr Mythos als Inhalt», sagt er. Und ganz gesund auch nicht. «Ich koche eher selten. Wenn, dann etwas Pasta. Aber es ist etwas umständlich Fleisch zu kochen. Hier kriegst du das Poulet im Riesenapack, dann bin ich zwei Tage weg und das Fleisch abgelaufen.»

Viel lieber trifft er sich mit Teamkollegen zum Essen. Oder mit unserem zweiten Schweiz-Export in Philadelphia: Mark Streit der bei den Flyers im Dienst steht. SonntagsBlick hatte die beiden im letzten Herbst erstmals zusammengebracht obwohl sie nur wenige Strassen voneinander leben. «Wir waren danach Male zusammen essen und ich besuchte einige Spiele von Mark. Diese Stadt ist sportverrückt, ausser Basketball habe ich schon fast jedes Team gesehen. Es ist schwierig Leute ausserhalb des Teams kennenzulernen. Die Amerikaner sind zwar sehr freundlich, aber in ihre Gruppe lassen sie niemanden so schnell.»

Nach einem kurzen Abstecher zu den berühmten Rocky-Stairs gehts an den Fluss in eine Bar direkt am Fluss. Direkt unterhalb der Benjamin Franklin Bridge, die nach New Jersey führt. «Ein weiterer Riesen-Vorteil an Philadelphia: Man ist überall unglaublich schnell. Mit dem Zug bin ich rasch in Washington, in 75 Minuten in New York City, ideal für einen Tagesausflug. So lange habe ich zuhause von St. Gallen nach Zürich!»

Zuhause? «Philly ist wunderbar, aber St. Gallen bleibt immer mein Zuhause.» Und wann kommt er nach hause? Sein Vertrag läuft noch ein halbes Jahr. «Ich habe gelernt, nicht zu weit nach vorne zu schauen. Es läuft uns gerade sehr gut, ich hoffe wir können die Playoffs erreichen. Das wäre eine Riesen-Sache. Ich schliesse weder aus, dass ich bleibe, noch das ich heimkomme. Dann aber sicher zum FC St. Gallen», sagt Barnetta.

Zwei Frauen sprechen ihn an. Ob er denn ein berühmter Fussballer sei, fragen sie, als er ihnen erklärt, wer er sei. Sie wollen trotzdem ein Foto, der Sohn sei ein grosser Fussballfan, der wisse dann sicher, wen die Mutter getroffen habe. Barnetta posiert, lacht, setzt sich die Sonnenbrille auf und sagt: «Super, oder? Wieso soll ich das hier bereuen?» Man kann ihm nicht widersprechen.

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