Anderlecht-Trainer René Weiler im Meister-Interview
«Das Niveau in Belgien ist einiges höher als in der Super League»

Nach drei Jahren Durststrecke führt René Weiler (43) den RSC Anderlecht in seiner ersten Saison gleich zum Meister-Titel. Hier erklärt er sein Erfolgsgeheimnis.
Publiziert: 22.05.2017 um 08:28 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 04:25 Uhr
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Weiler mit der Trophäe der belgischen Meisterschaft.
Foto: Imago
Andreas Böni

Herr Weiler, wie lange dauerte die belgische Meister-Nacht?
René Weiler: Bei mir bis 02:45 Uhr, bei anderen bestimmt etwas länger.

Sie sagten einst, dass der Aufstieg mit Aarau emotional schwer zu übertreffen sei. Wurde er in Anderlecht übertroffen?
Vergleiche zu ziehen, ist schwierig, vor allem in emotionaler Hinsicht. Jeder errungene Erfolg löst Glücksmomente aus, welche sowohl in Aarau als nun auch hier in Anderlecht einfach unvergesslich und toll sind. Alle Leute haben miteinander glücklich gesungen und getanzt. Toll!

Sie haben ein unfassbares Jahr hinter sich. Es begann mit 20 Wechseln im Kader und Spielern wie Harbaoui, die Ihnen «keine Persönlichkeit» unterstellten. Wie bewerten Sie es im Nachhinein?
Ich wusste von Beginn an, dass wir etliches ändern müssen, ohne dafür eigentlich Zeit zu haben. Das haben wir nun mit Bravour und dem Meistertitel erreicht.

Ein Journalist schrieb «Ich akzeptiere die Ausreden von Weiler nicht mehr.» Es hiess, Sie stünden kurz vor dem Aus. Was schreibt er heute so?
Ein Journalist hat auch nichts zu akzeptieren, er muss nur objektiv berichten. Medial wird einiges unternommen, damit gekauft und gelesen wird. Wer das geschrieben hat und wie er heute kommuniziert, weiss ich nicht. Ich lasse mich grundsätzlich nicht von äusseren Umständen – welche meiner Arbeit nicht hilfreich sind – irritieren oder beeinflussen.

Sebastien De Maio, eben verpflichtet, verliess den Klub nach einem Monat wieder. Und stritt sich mit Ihnen im Training: «Trainer, wenn du deine Spieler nicht respektierst, machen wir das auch nicht.»
Diese Geschichten sind so lange her, dass ich mich kaum mehr daran erinnern mag und vor allem gar nicht erinnern will. Jeder Spieler oder Mensch soll für sich selber entscheiden, was richtig oder falsch ist. Doch in einer Gemeinschaft wie dem Fussballsport gibt es weniger ‚Ich’ und viel mehr ‚Wir’. Und ich als Trainer muss eben auch mal unpopuläre, teils unangenehme Entscheidungen treffen.

Wie wichtig war dieser Abgang im Nachhinein für die Mannschaft?
Wir hätten auch mit ihm die Meisterschaft gewinnen können.

Sie verloren im Januar Ihren Vater, eine enge Bezugsperson. Kommt ein solcher Schicksalsschlag in den emotionalen Momenten des Triumphs hoch?
Klar, dieser Titel ist nun ein emotionales Hoch, einen Vaterverlust wiegt das aber nicht auf. Das Leben lernt uns stets weiterzugehen, das gilt für mich und uns alle.

Wie haben Sie es geschafft, dass ein solch einschneidendes und trauriges Erlebnis keinen Einfluss auf Ihren Job hatte?
Mit der Familie und den Gedanken an die schönen Momente seines respektive unseres Lebens.

Ist das Niveau der belgischen Liga höher als jenes der Super League?
Ja, einiges höher. Vier bis fünf belgische Mannschaften würden dem FC Basel das Titelrennen sehr schwer machen.

Wie ist das Leben in Belgien? Ist die Terror-Gefahr für Sie allgegenwärtig oder kaum spürbar?
Vom Terror bekommen wir nichts mit. Das Leben ist gut, wir fühlen uns wohl. Doch mit der sehr hohen Lebensqualität in der Schweiz müssen wir nicht vergleichen. Manchmal vermissen wir unsere Berge und die Badeseen.

Wurden Sie kontaktiert, als der FC Basel nun einen neuen Trainer suchte?
Nein.

Auch international lief es hervorragend für Sie. Sie konnten selbst Manchester United richtig kitzeln, verloren erst in der Verlängerung. Es gibt ein Foto, auf dem Trainer-Legende José Mourinho Ihnen etwas ins Ohr flüstert. Was hat er gesagt?
Wir spielten stark. Es gab den einen oder anderen respektvollen Smalltalk, doch darüber zu reden erachte ich als unwichtig. Für mich war es eine sehr spannende Begegnung, welche keine Selbstverständlichkeit ist. Sein Palmarès ist gigantisch.

Als Sie vor einem Jahr Nürnberg verliessen, bezeichnete Sie SPORT BILD als «grösste Ich-AG» der Liga. Wie sehr schmerzte das?
Sie wissen doch selber, wie das ist. Dieser Artikelverfasser hat mit mir selber nicht gesprochen und sich über seinen Informanten, welcher mir gegenüber nicht gut gesinnt ist, seine Zeilen zurechtgelegt. Ist halt so. Für mich sind solche Fremdeinschätzungen von Menschen, welche dich nicht mal im Geringsten kennen, nicht relevant. Würden langjährige Freunde von mir so über mich reden oder denken, wäre das anders. Das ist nicht der Fall.

Sie sagten, Sie könnten sich vorstellen, Journalist zu werden oder in Zürich eine Bar zu eröffnen. Wenn Sie jetzt auch noch Nati-Coach werden könnten: Welchen dieser drei Berufe würden Sie heute wählen, wenn Sie gerade jetzt entscheiden müssten?
Heute bin ich leidenschaftlicher Mannschaftstrainer und was die Zukunft bringt, wird man sehen. Eine mögliche Bar-Eröffnung ist später mal denkbar, als Nationaltrainer fühle ich mich noch zu jung. 

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