Blick: Herr Gilliéron, Sie sind acht Jahre lang höchster Chef des Schweizer Fussballs. Am Samstag an der SFV-Delegiertenversammlung werden Sie für zwei Jahre wiedergewählt. Wie lange wollen Sie noch bleiben?
Peter Gilliéron: In meinem Alter muss man froh sein, wenn man gesund ist und das machen kann, was einen interessiert, fordert und Freude macht. Ich fokussiere mich auf die zwei nächsten Jahre, sofern ich gewählt werde. Dann schauen wir weiter. Man muss auch erkennen, wann es Zeit ist zu gehen.
Arbeiten Sie eigentlich noch neben Ihren Fussballfunktionen?
Nein, ich bin nicht mehr als Jurist berufstätig und kann mich voll auf mein Amt beim SFV und das Uefa-Exekutivkomitee konzentrieren. Es ist ein riesiges Privileg, sich so für den Fussball engagieren zu dürfen, wenn man so viel Freude daran hat, wie ich. Und ich bin ein glücklicher Präsident. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich im SFV jemals so positive Momente wie in den letzten zwei Jahre erleben durfte. Die Nati ist erfolgreich, die Frauen-Nati fährt zur EM in Holland im Juni, die Junioren kommen nach, unsere Spiel- und Ausbildungsphilosophie ist neu lanciert. Auch im Breitenfussball ist die Zufriedenheit da, wie eine soeben veröffentlichte Studie belegt.
Gut, aber der wichtigste Faktor für Ruhe ist die Nati, die alle 5 WM-Qualifikationsspiele gewonnen hat.
Ja, nur Deutschland war so erfolgreich bisher. Und stolz macht mich auch, dass wir gegen die letzten drei Weltmeister in meiner Amtszeit zuletzt gute Resultate erreicht haben. Gegen Italien, Weltmeister von 2006, ein 0:0. Gegen Spanien, Weltmeister 2010, ein 1:0 an der WM. Und gegen Deutschland, den aktuellen Weltmeister, ein 5:3.
Trotzdem bleibt die WM-Quali heiss. Portugal sitzt uns im Nacken. Und provokativ gesagt: Eine Ausscheidung zu einer WM ist nicht mit der EM-Witz-Quali zu vergleichen. Der Zweite muss in die Barrage.
Ja, es kann in der Tat schnell gehen, das sind wir uns absolut bewusst. Das Glück kann im Fussball und auch im Leben vergänglich sein. Die WM ist schwerer zu erreichen als die EM, ja. Aber für eine WM haben wir uns 2006, 2010 und 2014 qualifiziert, wir haben die Masterprüfung also quasi schon abgelegt.
Heisst auch: Der Vertrag von Vladimir Petkovic wird erst dann verlängert, wenn er sich qualifiziert hat.
Wir sind immer im Gespräch miteinander und reden vor allem über Fussball. Wir kommunizieren, wenn man verlängert oder nicht verlängert hat.
Das ganz grosse Ziel muss ein WM-Viertelfinal sein nun, oder?
Wir sind 2006 und 2014 ganz knapp an der Ukraine und Argentinien gescheitert. Zuletzt an der Euro gegen Polen noch knapper. Ja, ich denke, auch als Schweizerin und Schweizer darf man darauf hoffen.
Themawechsel: Wie war es denn eigentlich am chinesischen Volkskongress in Bahrain?
Ein Ausdruck von Mark Pieth, oder?
Ja, vom 64-jährigen Fifa-Kritiker. Er, der Basler Uni-Professor trat 2011 als Reformer an, bezeichnet Gianni Infantino als Diktator und erklärt die Reformen für tot.
Ich finde, das ist schon sehr anmassend. Aber aus dem Glashaus der Wissenschaft lässt sich vieles leicht und schnell kommentieren. Einige Medienschaffende scheinen Herrn Pieth dafür zu schätzen. Und er hat ja nicht viel zu befürchten. Bei ihm gibt es vermutlich auch keine Amtszeit- oder Altersbegrenzung.
Ja, aber die Absetzung der beiden Ethikkontrolleure Cornel Borbély und Hans-Joachim Eckert war schon unnötig. Beide waren glaubwürdig und die Fifa stellt sie vor die Tür. Das Zeichen nach aussen ist fatal.
Dass man ab und zu einen Entscheid kritisieren kann, gibt es bei jeder Führungspersönlichkeit. Ich bin damit einverstanden, dass man es anders kommunizieren hätte können. Aber dass man sagt, der ganze Reformprozess sei nun ausgesetzt, ist völlig falsch. Das Wesentliche ist im Fluss. Unabhängig davon, wer der Ethikkommission vorsteht.
Der Eindruck von aussen ist aber: Borbély und Eckert haben aufgeräumt. Und hatten auch vor grossen Namen keine Angst. Ob Sepp Blatter oder Michel Platini, sie wurden gesperrt.
Ich weiss nicht, man hat sie ja auch kritisiert, dass sie gegen den aktuellen Präsidenten nichts unternommen haben. Und es wäre fatal, wenn man Richter nach Ihrer Härte beurteilt, dann nimmt man ihnen doch die Unabhängigkeit weg. Und um es klar zu sagen: Die neuen Kandidaten, die zur Wahl standen, erfüllen die nötigen Voraussetzungen. Ihre beruflichen Leistungsausweise sind hervorragend.
Warum sind Sie am Fifa-Kongress nicht aufgestanden und haben sich gegen die Nicht-Wiederwahl gewehrt? Hätten das ein, zwei Leute gemacht, wäre nicht dieser Eindruck vom chinesischen Volkskongress da.
97 Prozent wählten die vorgeschlagenen Personen. Ganz unabhängig von diesem Fall: Da muss man vorher auch abwägen, was eine solche Aktion nützt. Und ich agiere nie, um persönlich gut dazustehen oder Lob von Medien zu erhalten.
Wie finden Sie denn Infantino?
Allen Unkenrufen zum Trotz sehe ich ihn positiv. Die kritischen Stimmen sind auf wenige Länder beschränkt, sonst geniesst er in der Welt des Fussballs Anerkennung.
Gut, aber ob 48 WM-Teams, 24 EM-Teams oder vergrösserte Champions League. Es geht immer nur um Stimmenfang. Früher für Michel Platini und Sepp Blatter, heute für Infantino.
Ich bin nicht gleicher Meinung. In Europa waren es einst der schottische und der irische Verband, die den Antrag stellten, die EM zu vergrössern.
Wie sehen Sie die WM mit 48 statt 32 Mannschaften?
Positiv. Ich fand auch die vergrösserte EM mit 24 statt 16 Teams attraktiv. Sportlich und auch neben dem Feld. Das hat die Euro 2016 belegt, und jetzt haben wir prozentual die gleiche Vergrösserung der WM. Wir von der Uefa haben erreicht, dass die 16 Europäer an der WM 2026 in den 16 verschiedenen Gruppen sind und noch nicht in der Vorrunde aufeinandertreffen. Dann sehen wir, ob wir in Europa so stark sind, wie wir meinen.
Letzte Frage: Die Super League bekommt vielleicht einen neuen Modus. Ihr favorisiertes Spiel-System?
Ich bin offen und höre mir gerne alles an. Aber ich kann schon sagen: Mir hat der Strich-Modus immer gut gefallen.
Peter Gilliéron kam 1953 in Brescia (Italien) zur Welt, wo sein Vater als Geologe arbeitete. Als er 13 Jahre alt war, zog die Familie nach Bern. Nach der Matura studierte er Recht, wurde 1978 Anwalt. Aber arbeitete für das Bundesamt für Sozialversicherung und als Leiter des Rechtsdienstes für die Schweizer Käse-Union. Ab 1994 wurde er Generalsekretär des Schweizerischen Fussball-Verbands, 2009 ersetzte er Ralph Zloczower als SFV-Präsident. Er sitzt auch im Exekutiv-Komitee der Uefa. Heute wird er voraussichtlich für zwei weitere Jahre als SFV-Präsident gewählt, es dürfte keinen Gegenkandidaten geben.
Peter Gilliéron kam 1953 in Brescia (Italien) zur Welt, wo sein Vater als Geologe arbeitete. Als er 13 Jahre alt war, zog die Familie nach Bern. Nach der Matura studierte er Recht, wurde 1978 Anwalt. Aber arbeitete für das Bundesamt für Sozialversicherung und als Leiter des Rechtsdienstes für die Schweizer Käse-Union. Ab 1994 wurde er Generalsekretär des Schweizerischen Fussball-Verbands, 2009 ersetzte er Ralph Zloczower als SFV-Präsident. Er sitzt auch im Exekutiv-Komitee der Uefa. Heute wird er voraussichtlich für zwei weitere Jahre als SFV-Präsident gewählt, es dürfte keinen Gegenkandidaten geben.