Vier Beschuldigte stehen vor Bundestrafgericht in einem Prozess, der ein Vorzeigefall hätte werden sollen und für die Bundesanwaltschaft nun zu einer Horrorstory mutieren kann. Denn von den vieren erschien zum geplanten Prozessstart um neun Uhr lediglich Ex-Fifa-Generalsekretär Urs Linsi. Weshalb die Eröffnung des Hauptverfahrens auf Mittwoch verschoben worden ist.
Erwartungsgemäss nicht ins Tessin gereist sind die beiden ehemaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger («Ein Prozess für den Papierkorb!») und Wolfgang Niersbach sowie Ex-DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt. Sie müssen sich wegen des Vorwurfs des Betrugs respektive Gehilfenschaft dazu verantworten.
Laut Richterin Sylvia Frei hätten die drei deutschen Angeklagten trotz eingereichter Arztzeugnisse «unentschuldigt» gefehlt. Nach Ansicht der Richterin hätten die Beschuldigten im Kantonsspital Bellinzona ihre Gesundheit überprüfen lassen können, deshalb erhalten sie nun die Möglichkeit, das bis Mittwoch zu tun. Zuvor hatte Frei alle Gesuche zur Aussetzung des Prozesses, darunter ein Antrag wegen Befangenheit der Schweizer Bundesanwaltschaft, abgewiesen.
Zwanziger hatte bereits am vergangenen Freitag über seinen Anwalt mitteilen lassen, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht am Prozess teilnehmen könne. Niersbach und Schmidt verwiesen auf die Gefahr einer Coronavirus-Ansteckung. Das Bundesstrafgericht hatte jedoch bereits für die mögliche Abwesenheit von Angeklagten vorgesorgt und den zweiten Vorladungstermin am Mittwoch frühzeitig festgelegt. Sollten Angeklagte auch diesem Termin fernbleiben, wird der Prozess in ihrer Abwesenheit stattfinden.
Das ist zwingend nötig, weil die Gefahr der Verjährung gross. Diese tritt dann ein, wenn bis zum 27. April kein erstinstanzliches Urteil vorliegt.
Nicht ins Tessin reisen wollen auch die als Zeugen geladenen Franz Beckenbauer und Sepp Blatter. In der Funktion als Auskunftsperson reist höchstens Günter Netzer an. Das Verfahren gegen Beckenbauer, die eigentlich zentrale Figur in der ganzen Geschichte, ist vom Hauptverfahren abgetrennt worden, weil der Kaiser schwer krank ist.
Die Story: Beckenbauer, OK-Chef der WM 2006 in Deutschland, erhält 2002 vom mittlerweile verstorbenen Adidas-Besitzer Robert Louis-Dreyfus einen Kredit in der Höhe von 6,7 Millionen Euro, umgerechnet 10 Millionen Franken. Diese überweist der Kaiser an ein Firmenkonglomerat in Katar, dessen Chef Mohammed Bin Hammam ist. Der war damals Fifa-Vizepräsident. Zeitlebens ist der Katari eine höchst umstrittene und korrupte Figur geblieben. Wofür das Geld gebraucht wurde, ist bis heute nicht geklärt. Es gibt verschiedene Theorien. So jene, dass damit eine Zahlung von 250 Millionen Franken der Fifa an das deutsche WM-OK ausgelöst werden sollte. Unmöglich ist, dass der Zuschlag der WM damit direkt erkauft wurde, denn die Deutschen erhielten diesen bereits im Jahr 2000. Nicht auszuschliessen allerdings, dass Bin Hammam das Geld einforderte, weil es ihm vor dem Zuschlag versprochen worden war. Zur Organisation von Stimmen? Erstaunlich auf jeden Fall, dass der Katari nicht vor Gericht steht, kennt er doch als Einziger neben dem nicht vernehmungsfähigen Beckenbauer die Wahrheit direkt.
Im Jahr 2005 fordert Dreyfus die Rückzahlung des Kredits. Die Herren vom DFB wollen diese Peinlichkeit so kurz vor der Heim-WM unter dem Deckel halten und sollen die Legende erfunden haben, das Geld sei für eine Kulturgala, welche die Fifa zum WM-Start veranstalten wolle. Das Geld fliesst denn auch an die Fifa. Von dort aber weiter an Dreyfus. Und deshalb ist auch Linsi Beschuldigter in diesem Prozess.
Und deshalb hat ihn sich die Schweiz gekrallt. Als Prestigeobjekt. Vermeintliches.