Beim Stichwort Deutschland kommt dem ehemaligen Sion-Star vor allem der WM-Halbfinal aus dem Jahr 2006 in den Sinn. «Wir machten uns schon am Vortag fast in die Hosen, als wir diese gewaltige Tribüne in Dortmund sahen. Diesen Everest von einer Kurve», erzählt Rino der «Equipe».
Im Spiel selbst sei es dann tatsächlich die Hölle gewesen. «Ich habe eines der besten Spiele meiner Karriere gemacht. Wir spielten wie die schottischen Bravehearts in der Schlacht gegen die Engländer: 100, vielleicht 200 Mann gegen 100'000! Und doch gewannen wir 2:0 – und wurden dann Weltmeister.»
Deutschland gegen Italien, das seien ohnehin unvergessene Spiele. «Wenn du willst, dass Traditionen fortdauern, musst du dich an die Geschichte erinnern. Und die Begegnungen zwischen diesen beiden Nationen sind Teil der Geschichte. Ich weiss, dass die Staff-Mitglieder der Nazionale, die 2006 schon dabei waren, seit einigen Tagen den Spielern die Geschichte dieses Halbfinals erzählen. Und die Nationalspieler müssen sich sagen: ‹Wir müssen die Geschichte weiterschreiben!› Das wird ihnen unglaubliche Emotionen vermitteln.»
Diese Nazionale sei ohnehin sehr gefährlich. Auch für die Deutschen, denkt Gattuso. «In den Spielen, die entscheidend waren, hat sie noch kein Tor kassiert. Sie ist äusserst kompakt. Es gibt fast keinen Raum zwischen Verteidigung und Sturm. Und mit Giaccherini hat sie einen Spieler im Team, der sich auch mal in einem Eins-gegen-eins durchsetzen kann. Sehr fantasievoll ist die Mannschaft sonst nicht. Da tut einem, wie wir sagen, ‹fantasista› wie Giaccherini nur gut.»
Und noch was ist Gattuso aufgefallen. «Diese Auswahl ist eine verschworene Einheit. Schauen sie nur, wie die die Nationalhymne singen! Mit geschlossenen Augen. Auch auf der Bank singen alle. Physio, Doc, Ersatzspieler, Materialwart – das erinnert mich an 2006! Wir hatten denselben Enthusiasmus.»
Rino schaut sich das Spiel zu Hause vor dem TV an. Zusammen mit seinem achtjährigen Sohn Francesco. Es wird was los sein im Hause Gattuso! «Der Fernseher wird auf volle Pulle gestellt. Wir stehen auf, singen die Hymne. Und Francesco kommentiert das Spiel nonstop. Wie ein Radioreporter. Er wird sich zuvor die Haare nass machen. Warum? Weil das Spieler auch täten, sagt er.»
Fussball-EM in Frankreich 10. Juni bis 10. Juli