«Fussball-Gott» Marc Zellweger
«Die schwierige Zeit für St. Gallen kommt erst»

517 Spiele für Grün-Weiss. Im Jahr 2000 Meister mit dem FC St. Gallen. Für die Fans ist Marc Zellweger (46) heute noch «Fussball-Gott». Glaubt der Kult-Verteidiger, dass seine Nachfolger 20 Jahre danach den Meisterkübel wieder stemmen?
Publiziert: 13.07.2020 um 14:55 Uhr
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Aktualisiert: 13.07.2020 um 16:32 Uhr
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Marc Zellweger spricht im Interview mit SonntagsBlick über den FC St. Gallen.
Foto: Sven Thomann
Max Kern (Interview) und Sven Thomann (Foto)

BLICK: Wird Fussball-Gott Zelli nach 20 Jahren als letzter Meister mit St. Gallen bald von seinen Nachfolgern abgelöst?
Zellweger: Wäre schön. Aber es wird schwierig. Die schwierige Zeit kommt erst. Aber wenn du solche Spiele wie zuletzt gegen Xamax oder Sion gewinnst, kann alles passieren.

Sie sagten, Sie hätten richtig Spass an der Art, wie Peter Zeidlers Rasselbande Fussball spielt ...
Das Wichtigste hat die Mannschaft schon lange geschafft: Den Leuten in der Ostschweiz wieder Freude zu bringen. Es ist noch nicht so lange her, als die Leute hier überhaupt kein Interesse am FC St. Gallen hatten.

Nach dem Abstieg?
Nein, als die alte Führung noch am Ruder war.

Wer?
Die letzte Führung. Da war’s den Leuten sozusagen egal, wie es dem FCSG ging. Und jetzt merkst du einfach, dass das Interesse wieder da ist und die Leute sehr Freude haben.

Sie sind nicht allzu oft im Stadion, nicht wahr?
Ich bin sehr, sehr selten im Stadion.

Haben Sie als St. Galler Fussball-Gott keinen reservierten Sitz?
Doch, ich habe einen reservierten Sitz. Zum Abschied habe ich einen bekommen, was natürlich super ist. Aber ich benütze ihn sehr selten. Meine Prioritäten sind momentan bei meinen zwei Kindern.

Als offizielle Legende des Klubs müssen Sie ja einen freien Sitz haben ...
Das ist kein Muss, aber es ist etwas Schönes. Ich weiss nicht, wie viele Spieler in St. Gallen auf Lebzeiten einen Tribünensitz haben.

Es gibt auch nicht viele St. Galler, die 517 Spiele für den Verein machten. Obwohl sie zwischendurch einen Abstecher zum 1. FC Köln und zum FC Wil machten.
Das ist auch richtig. Wenn man nie verletzt ist und immer durchspielen kann, dann kommt’s so raus. Dabei habe ich spät mit meiner Karriere begonnen. Erst mit 21. Dafür habe ich auch spät aufgehört.

Beim Probetraining bei GC meinte der damalige Sportchef Erich Vogel, Sie wären mit 21 zu alt ...
Ein, zwei Monate trainierte ich damals bei GC und St. Gallen, am Morgen im Hardturm, am Abend im Espenmoos. Zum Glück fand damals Herr Vogel, es reiche nicht ganz für mich... Bei St. Gallen hiess es: Komm, wir probieren es!

Aber nicht als Verteidiger...
Nein, zu dieser Zeit war ich Stürmer des FC Seuzach.

2016 wurden Sie von den Fans zu DER Legende des FCSG gewählt. Vor Ivan Zamorano und Charles Amoah.
Ja, ganz offiziell war’s bei der Nacht des Ostschweizer Fussballs. Da wurde ich ausgezeichnet.

Zamorano spielte nach seiner Zeit in St. Gallen auch bei Real Madrid und Inter Mailand ...
Von der Qualität her müssen wir nicht darüber reden. Dass er viel der bessere Fussballer war, ist klar. Ich war ewig hier, das hatte doch auch einen Einfluss. Meine Art, wie ich gespielt habe, hat in die Ostschweiz gepasst.

Ihre Art würde auch heute noch passen, oder?
Ja, ich denke schon.

Die St. Galler Rasselbande rennt ja wie die Verrückten, macht Pressing, Gegenpressing, extrem, oder?
Ja, extrem. Sehr kräfteraubend. Darum, nochmals, die schwierige Zeit kommt erst noch. Der Goalie hat die letzten Spiele richtig mitgeholfen, dass sie gewonnen haben. Zigi hat auch eine grosse Ausstrahlung.

Hat er in St. Gallen auch Kult-Potenziell wie Sie?
Er wird einfach nicht so lange da bleiben wie ich. Das braucht’s schon auch.

Wie sind Sie zu Ihrem Übernamen «Fussball-Gott» gekommen?
Keine Ahnung.

Für eine solche Ehrung muss man doch etwas Besonderes gleistet haben ...
Nein. Keine Ahnung, was ich geleistet habe. Scheinbar haben die Fans das irgendwann gerufen. Aber das ist ja nur in der Ostschweiz so, einer relativ kleine Gegend.

Ihr Leibchen hängt immer noch in der Fan-Kurve?
Ja, es sollte. Es war mal eingerahmt worden und hängt dort.

Und Ihre Rückennummer 17 wurde nie mehr vergeben ...
Ja. Ein schönes Zeichen. Ein kleines Dankeschön des Klubs. Ich habe dem Klub viel zu verdanken. Sie geben auch etwas zurück.

Wie kamen Sie zuvor zu ihrem anderen Kosenamen «Chäs-Zelli»?
Meine Eltern betrieben einen Lebensmittel-Laden, spezialisiert auf Käse.

Im BLICK gabs damals ein Bild, welches Sie im Geschäft der Eltern bei der Bedienung der Kasse zeigte. Auf dem Laufband lag Käse.
Das muss 1995 gewesen sein. Meine erste Geschichte im BLICK. Ein Pseudo-Bild, das zeigten sollte, dass ich den Eltern im Geschäft helfe.

Sie kamen als Stürmer zum FC St. Gallen, waren später auch Mittelfeldspieler. Legendär ist die Szene, als Sie als Ersatz-Goalie einen Elfer von YB-Sermeter hielten. Und zum Verteidiger umfunktioniert wurden Sie nach einer 0:8-Niederlage gegen GC ...
Genau, gegen GC. Roger Hegi war unser Trainer.

Zurück zu Peter Zeidlers Team. Sehen Sie Ähnlichkeiten zur Meistersmannschaft von 2000?
Wir waren gestandener, wir waren eine ältere Mannschaft. Der Kern des Teams war schon lange zusammen. Wir wurden damals punktuell gut verstärkt. Die heutigen Spieler sind alle jung, sehr talentiert. Wir gingen auch immer vorne drauf. Unser Ziel war auch immer, in den ersten zwanzig Minuten ein Tor zu schiessen. Das ist heute ja ähnlich.

Was halten Sie vom heutigen Captain Silvan Hefti, der als 22-Jähriger auf Ihrer Position des rechten Aussenverteidigers spielt?
Er ist gut.

Und jung.
Ja, jung. Was bei ihm vor allem wichtig war, dass der Trainer bemerkt hat, dass Hefti rechts aussen mehr bewirken kann als in der Mitte. Das musst du als Spieler auch erst annehmen, wenn du dich zuvor immer als Innenverteidiger gesehen hast. Dann musst du dir sagen: Okay, dann halt rechts. Aber, ich glaube, das hilft ihm, um auch weiterzukommen.

Er wird bald den Sprung ins Ausland schaffen, oder?
Nicht nur er.

Cedric Itten sicher auch.
Ich würde andere nennen.

Wen?
Den Innenverteidiger, Stergiou. Der ist erst 18, er gefällt mir sehr gut. Und wenn ich einen Stürmer nehmen müsste, dann würde ich Demirovic nehmen. Itten hat zwar einen Riesen-Lauf, schiesst viele Tore, den könnte man sicher auch ausprobieren. Von den Qualitäten her imponiert mir Demirovic mehr. Aber Itten kann sicher «tschutten», sonst schiesst du nicht 13 Tore.

Wie sehen Sie die Arbeit von Peter Zeidler?
Er ist ein anderer Trainer-Typ als Marcel Koller damals. Doch man sieht klar: Die Mannschaft hat Zeidlers Philosophie angenommen und sehr gut umgesetzt. Das ist das grösste Kompliment, das man einem Trainer machen kann.

Der FCSG spielt Red-Bull-Fussball.
Nennen wir es Hoffenheim- oder Ralf-Rangnick-Fussball.

Sie arbeiten als Zürcher seit 25 Jahren in der Ostschweiz. Den St. Galler Dialekt haben Sie immer noch nicht angenommen.
Nein. Ich wohne auch erst seit sieben Jahren in der Ostschweiz, vorher immer in Winterthur. Mein Kollegenkreis stammt aus Winterthur. Mami und Papi sind noch in Winterthur.

Wurden Sie hier nie gehänselt wegen Ihrer «Züri-Schnurrä»?
Nein. Ich habe auch nicht so einen extremen Züri-Dialekt. Eher einen Winterthurer. Nur, was stimmt: Zürcher haben es nicht einfach in St. Gallen. Da braucht es schon noch etwas dazu. Ich habe hier andere Winterthurer erlebt, die gescheitert sind.

Wer?
René Weiler.

Wie essen Sie als Zürcher die St. Galler Bratwurst, mit Senf?
Selten. Zu einer richtig guten Olma-Bratwurst brauchst du definitiv keinen Senf. Aber zwischendurch habe ich Senf schon gerne.

Nochmals zu Ihrem Legenden-Status. Was sicher auch zu Ihrer Beliebtheit beigetragen hat, ist die Tatsache, dass Sie bei der 3:11-Schmach gegen den FC Wil nicht auf dem Platz standen ...
Ja, ich war auf der anderen Seite. Beim FC Wil. Aber ich war damals gesperrt. Und: Die Cupfinal-Niederlage mit dem FC St. Gallen (1998 im Elferschiessen gegen Lausanne, die Red.) empfand ich schlimmer.

Bei der Finalissima in Bern werden Sie vor Ort die Daumen drücken?
Dort kann man nicht dabei sein, das können Sie vergessen. Aber sicher sitze vor dem Fernseher und hoffe, dass die Meisterschaft bis dann noch nicht entschieden. Oder wenn ja, dann für den FCSG.

Und bei einer allfälligen Meisterfeier in der Stadt St. Gallen ...
Ein Fest wird es ohnehin geben. Zwar nicht so, wie wir es damals erleben durften.

Sie feierten vor zwanzig Jahren mit der Mannschaft auf dem Balkon einer St. Galler Bank, profitierten davon, dass Sie am Tag zuvor in Luzern gewonnen hatten und dann Basel bei Servette nicht punkten konnte. Aber am Fest in der Innenstadt fehlte Euer Captain Jogi Stiel. Der war an der Taufe seiner ersten Tochter ...
Als wir später weitergezogen sind, war er schon dabei.

Stiel kreuzte nach der Taufe noch bei der Meisterfeier auf?
Ja, auch Stiel wird nicht jedes Jahr Meister. Es blieb ja auch bei ihm bei diesem einen Titel. Doch, doch, er ist schon noch aufgetaucht.

Seit kurzem haben die Meisterhelden von 2000 wieder Kontakt miteinander. Ihr habt einen Meister-Chat auf Whatsapp, nicht wahr?
Ja, es sind 26 Teilnehmer. Alle sind dabei, auch die Südamerikaner.

«Fussball-Gott» Marc Zellweger

Marc Zellweger kommt am 17. Oktober 1973 in Winterthur zur Welt. 21-jährig startet der Stürmer des FC Seuzach im Januar 1995 seine NLA-Karriere beim FC St. Gallen. Ausser einer halben Saison beim 1. FC Köln und einer Saison beim FC Wil trägt «Zelli» immer grün-weiss, macht 517 (!) Spiele für den FCSG. Die Fans rufen ihn früh «Fussball-Gott». In der Nati («da fühlte ich mich nie wohl») macht er unter Coach Enzo Trossero 13 Länderspiele. Heute ist Zellweger Leiter des Fitness-Centers Update in Rorschach SG, Vater zweier Kinder (2 ½ und 1 ½).

Marc Zellweger kommt am 17. Oktober 1973 in Winterthur zur Welt. 21-jährig startet der Stürmer des FC Seuzach im Januar 1995 seine NLA-Karriere beim FC St. Gallen. Ausser einer halben Saison beim 1. FC Köln und einer Saison beim FC Wil trägt «Zelli» immer grün-weiss, macht 517 (!) Spiele für den FCSG. Die Fans rufen ihn früh «Fussball-Gott». In der Nati («da fühlte ich mich nie wohl») macht er unter Coach Enzo Trossero 13 Länderspiele. Heute ist Zellweger Leiter des Fitness-Centers Update in Rorschach SG, Vater zweier Kinder (2 ½ und 1 ½).

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