Am Sonntag will die Frauen-Nati auf ihre Achtelfinal-Quali den Deckel draufmachen. Gegen Gastgeber Neuseeland wartet aber ein heisser Tanz. Ob die Schweizerinnen bei dieser Ausgangslage doch noch nasse Füsse bekommen?
Höchstens im übertragenen Sinn. Denn in Dunedin ist das nasskalte Winterwetter vom zweiten Gruppenspiel gegen Norwegen in Hamilton ausgesperrt. Indoor-Fussball für die Nati: Das Forsyth-Barr-Stadion ist mit einer lichtdurchlässigen Folienkonstruktion überdacht. Die Arena hat den Deckel drauf – die Nati will auf ihre Achtelfinal-Quali den Deckel draufmachen.
Ein Hallen-Highlight an einer Fussball-WM? Das können wir. Es ist 29 Jahre her, als die Schweiz schon einmal zwei von drei WM-Gruppenspielen erfolgreich unter Dach spielte. Und dabei 1994 im Silverdome nahe Detroit für denkwürdige Schweizer WM-Momente sorgte.
In Detroit wabert der Geruch von Popcorn durch die Luft
«Die WM-Spiele im Silverdome habe ich noch in sehr guter Erinnerung, schliesslich holten wir dort mit dem 4:1 gegen Rumänien einen grossen Sieg und im Eröffnungsspiel gegen die WM-Gastgeberin USA einen Punkt», sagt Nati-Legende Stéphane Chapuisat (54).
Es ist vor allem der Sieg gegen Rumänien, der für immer im kollektiven Schweizer Fussballgedächtnis abgespeichert ist. Seither hat die Schweiz nie mehr so viele Tore in einem Männer-WM-Spiel erzielt.
Damals Doppeltorschütze in der geschlossenen Mega-Arena: Adrian Knup (55). «Das Rumänien-Spiel ist tatsächlich eines der Natispiele, die bis heute präsent sind», sagt der Basler zu SonntagsBlick. «Ich erinnere mich vor allem an den Geruch von Essen im Stadion. Der Geschmack von Popcorn ist mir geblieben.» Weil der Wind ausgesperrt ist, blieb der Duft von Essen besonders stark in der Luft hängen.
Enorme Luftfeuchtigkeit, aber keine Sonne auf dem Kopf
Auch Chapuisat erzielt ein Tor. «Das Stadion war mit seinen 80'000 Plätzen beeindruckend. Aber während der Spiele dachte man als Spieler nicht daran, dass hoch oben ein Dach war.» Knup ergänzt: «Zum Spielen war es nicht speziell anders. Natürlich blendete die Sonne nicht, was ja vor allem für die Goalies nicht unerheblich ist. Aber das ist ja auch bei jedem Spiel am Abend so.»
Wie Knup erwähnt auch sein damaliger Teamkollege Georges Bregy (65) die enorme Luftfeuchtigkeit. «Es war sehr heiss. Aber dass uns die Sonne nicht voll auf die Köpfe schien, war sehr angenehm», sagt der Walliser.
Denn genau das erlebt 1994 die Schweiz dann nach zwei Silverdome-Partien im dritten Gruppenspiel gegen Kolumbien, als im kalifornischen Stanford in sengender Mittagshitze gespielt wird.
Zurück zum Auftritt mit Dach. «Den normalen Hallenfussball habe ich nie geliebt», sagt Bregy, «aber diese Spiele im Silverdome waren grossartig. Die Atmosphäre war ganz anders als in einem offenen Stadion.»
Den Ort eines der grössten Schweizer WM-Spiele aller Zeiten gibts heute allerdings nicht mehr. Der Silverdome wurde stillgelegt und zerfiel, 2017 wird die Arena gesprengt. Heute steht ein 250-Millionen-Distributionszentrum von Paketgigant Amazon auf dem Gelände.
Das Dach sorgt für gigantischen Lärm der Fans
Der Grund, warum die drei Natilegenden bis noch heute vom Ambiente schwärmen: Der Lärm von über 60'000 Fans wird durch das Dach hörbar verstärkt. Etwas, was auch die Frauen-Nati vom ersten Spiel her in Dunedin gegen die Philippinen schon kennt. Natispielerin Alisha Lehmann (24) sagt: «Ich habe zuvor noch nie in einem Stadion mit Dach gespielt. Wenn die Fans laut sind, gibts ein ziemliches Echo, das ist eine coole Erfahrung. Mir gefällt das Stadion sehr.»
Zwar sind gegen die Philippinen nur 13'711 Fans im Stadion. Aber am Sonntag gegen Neuseeland ist die Arena mit Spitznamen «das Glashaus» ausverkauft. 30'000 Kiwis werden für eine Lärm-Hölle sorgen. Unter Dach gegen den WM-Gastgeber. Noch eine Parallele zu 1994, als Bregy im Startspiel gegen die USA seinen legendären Freistoss versenkte.
Bleiben nun auch die Frauen wie vor 29 Jahren die Männer unter Dach ungeschlagen, ist auch diesmal die Schweiz in der K.-o.-Runde. Deckel drauf auf das Achtelfinal-Ziel. Noch eine Parallele zu 1994: Wie damals könnte der Achtelfinalgegner Spanien heissen.
Knup, Chapuisat und Bregy haben die bisherigen Frauen-Auftritte in Down Under verfolgt und hoffen jetzt 29 Jahre nach ihrem eigenen auf ein neues Schweizer Hallen-Highlight an einer WM. Knup: «Es wäre cool, wenn jetzt auch die Frauen einen schönen Erfolg feiern können.» Chapuisat: «Ich drücke den Schweizerinnen die Daumen und hoffe, dass sie die Achtelfinals erreichen.» Bregy: «Ich hoffe, dass sie es packen.»