Als einen Abend voller Emotionen beschreibt Seraina Piubel (23) den 2:0-Sieg der Nati zum WM-Auftakt gegen die Philippinen. Der Höhepunkt für die Stürmerin des FCZ im überdachten Stadion von Dunedin ist die 64. Minute, als sie am richtigen Ort steht und zum 2:0 abstaubt. Das Tor bringt die Entscheidung. Der Auftakt ist geglückt, die ersten drei Punkte sind unter Dach und Fach.
«Es war ein Riesendurcheinander. Plötzlich lag der Ball vor mir», beschreibt Piubel die Szene, in der sie sich in der WM-Historie verewigt. Nach Reutelers Flügellauf schafft sie das, was Crnogorcevic und Sow verpassen; den Ball in die Maschen zu schiessen. Die Gefühle danach sind unbeschreiblich. «Im ersten Moment konnte ich es kaum glauben. Ich wusste gar nicht, wohin ich rennen soll und wo die Kamera steht.» Ihren geplanten Torjubel vergisst sie, denn ihr Freund, ebenfalls Fussballer, hatte gebeten, dass sie die Nummer 77 – seine Rückennummer – in die Kamera zeigt. «Er wusste, dass ich ein Tor schiessen werde», sagt die strahlende Piubel.
Piubel macht aus der Nervosität kein Geheimnis
Emotional sind für Piubel bereits die Stunden vor dem Spiel. Kurz vor dem Mittagessen erfährt sie, dass sie am rechten Flügel von Beginn an auflaufen wird. «Klar zeichnen sich im Training gewisse Tendenzen ab, trotzdem ist man nie sicher, ob man dann auch wirklich spielt.» Das erste grosse Turnier, die erste WM und gleich in der Startaufstellung, Piubel macht keinen Hehl aus ihrer Nervosität. «Wir waren alle nervös, aber das gehört auch etwas dazu.» Nach einer schwachen Startviertelstunde findet die Nati den Tritt. Wie das Team steigert sich auch Piubel – mit dem Tor als Höhepunkt.
Ihr erfolgreiches WM-Debüt ist der vorläufige Höhepunkt einer herausragenden Saison. Als beste Spielerin der Super League führt Piubel den FCZ zur Titelverteidigung. Ihre Auftritte wecken das Interesse ausländischer Klubs, sogar der FC Barcelona soll ein Auge auf sie geworfen haben. «Sie hat sich enorm entwickelt und ist beim FCZ zu einer Leaderin gereift. Sie ist eine, die den Unterschied machen kann. Ich bin ein enormer Fan von ihr», sagt Julia Stierli (26), die wie Piubel ihr WM-Debüt feiert.
«Körperlich bereit sein – dann klappts»
In der Nati gehört Piubel noch nicht zu den Leaderinnen. Im Herbst 2021 gibt sie zwar unter Nils Nielsen (51) das Debüt, erst unter Inka Grings (44) kann sie sich aber im Team etablieren. Das Vertrauen ihrer Ex-Klubtrainerin zahlt sie zurück. In den letzten vier Spielen trifft Piubel dreimal und schiesst damit die Hälfte aller Nati-Tore. Das fussballerische Talent wird ihr in die Wiege gelegt. Ihre Mutter, Sandra Piubel, bestritt ein Länderspiel, ihr Vater ist der frühere GC-Verteidiger und FCZ-Trainer Urs Meier.
Nadine Riesen (23), die in der Schlussphase eingewechselt wird, beschreibt ihre Kollegin als «aufgestellte und lustige Person, die einen enormen Siegeswillen hat». Und Stierli ergänzt: «Piubi hat Schalk und Sprüche, die für gute Laune sorgen.» Für gute Laune sorgen auch Piubels Tore. Die nächste Gelegenheit dafür bietet sich am Dienstag in Hamilton gegen Norwegen. Piubels Rezept, um auch gegen die Skandinavierinnen zu bestehen? «Wir müssen es wie Neuseeland machen. Sie nicht spielen lassen und körperlich bereit sein. Dann sollte das klappen.»