Seit Jahren gibt es bei den Männern eine Hymnen-Debatte, weil viele Nati-Spieler mit ausländischen Wurzeln diese vor einem Länderspiel nicht mitsingen. Es ist eine Diskussion, die dem aktuellen Zeitgeist entsprungen ist. 1994 war es nie ein Thema, dass Alain Geiger (62), Alain Sutter (55), Adrian Knup (55) und Co. den Schweizerpsalm an der WM in den USA nicht mitsangen. Heute wird in Online-Foren und an Stammtischen bei jeder Endrunde darüber debattiert.
Wenn die Nati am Samstag gegen Spanien im Eden Park in Auckland den WM-Achtelfinal bestreitet, singen alle Spielerinnen mit. Géraldine Reuteler (24) versucht immer, besonders laut zu singen. «Ich finde es schade, wenn jemand nicht mitsingt, aber das ist der Entscheid von jeder einzelnen.» Auch für Viola Calligaris (27) gehört das Mitsingen dazu. Besonders schön findet sie den Schweizerpsalm zwar nicht. Und auch der Text mache nicht allzu viel Sinn. «Aber wir sind Schweizer, die Hymne gehört zum Ablauf eines Nati-Spiels.»
Hausaufgaben im Nachwuchs
In der Ära von Martina Voss-Tecklenburg (55) gab es sogar einst eine Theoriestunde, in der sich die Spielerinnen aktiv mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Die meisten kamen spätestens in einem Ausbildungszentrum des SFV oder in einer der Nachwuchs-Auswahlen mit dem Thema in Kontakt. «In der U16 kriegten wir die Hausaufgabe, die Hymne zu lernen», so Lara Marti (23).
Die Baselbieterin sagt, die die Schweiz sei ihre Heimat, deshalb singe sie mit. Für die Debatte hat sie aber wenig Verständnis. «Wenn man sein Herz nach Anpfiff auf dem Platz lässt, zeigt das viel die grössere Identifikation mit dem Land, als wenn man die Hymne singt.»
Auch Coumba Sow (28) singt die Hymne. Ihr Vater stammt aus dem Senegal, ihre Mutter aus Holland. «Mein Mami sagt immer, ich müsse laut singen.» Auch wenn ihre Eltern nicht aus der Schweiz seien, sei diese ihre Heimat. «Auch wenn es in der Kindheit nicht immer einfach war, bin ich dankbar, dass ich in der Schweiz aufwachsen durfte.»
Sie sei auch schon angeschnauzt worden, wenn sie die Hymne nicht gesungen habe, so Sow. Das Mitsingen hat aus ihrer Sicht aber nichts mit der Identifikation zu tun. Gerade bei Granit Xhaka (30) werde immer wieder diese Frage gestellt. «Aber wenn er, der sein Herz immer auf dem Platz lässt, sich nicht für das Land hergibt, wer denn sonst?» Letztlich sei es immer dieselbe Diskussion: «Wenn man Erfolg hat, ist man Schweizer, wenn etwas schiefgeht, der Ausländer.»
Mutter- anstatt Vaterland
Auch für Eseosa Aigbogun (30) ist die immer wieder aufflammende Debatte bemühend. «Es gibt Spieler, die sich zwischen zwei Ländern entscheiden konnten. Aber sie haben sich für die Schweiz entschieden und geben in jedem Spiel Vollgas.» Vielleicht sollten sich einige Leute einmal selber hinterfragen, warum sie dieses Thema so interessiere, so Aigbogun.
Für sie, die als Kind zuerst die nigerianische Hymne lernte, wurde der Schweizerpsalm aktuell, als die Nati zur Option für sie wurde. «Ich wollte sie natürlich richtig lernen.» Heute freue sie sich, dazustehen und mitzusingen. Eine kleine Änderung des Textes macht sie aber. «Ich singe Mutter- anstatt Vaterland.»