Auf einen Blick
- Frauenfussball wächst rasant, Uefa-Strategie zielt auf finanzielle Unabhängigkeit ab
- Schweiz als Gastgeberin der EM 2025 erwartet Rekordbesucherzahlen
- Ziel: 500 Millionen TV-Zuschauende und 900 Millionen digitale User für EM 2025
Nadine Kessler, warum wird die Fussball-Europameisterschaft 2025 die beste EM der Geschichte?
Nadine Kessler: Weil die Schweiz für mich das schönste Land der Welt ist. Und ich glaube, das sehen auch viele Leute ausserhalb dieses Landes so. Von den 185’000 Tickets, die wir in der ersten Phase verkauft haben, sind 26 Prozent von ausländischen Fans gekauft worden. Bei der letzten EM in England waren es 18 Prozent. Dass wir diesen Wert schon vor der Auslosung übertroffen haben, zeigt die Strahlkraft der Schweiz. Wir konnten bereits Tickets an Fans aus neunzig Ländern verkaufen, die fünftmeisten in die USA, die sechstmeisten nach Australien.
Aber ist es wirklich realistisch, dass auch ein EM-Spiel wie Island gegen Finnland in Thun ausverkauft ist?
Ich schätze das als durchaus realistisch ein. Die Ansetzung der Ticketpreise, die kostenlose Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel für Ticketinhaber sowie die zentrale Lage der Schweiz machen das Land für die Fans sehr attraktiv. Auch die Stadien sind sehr ansprechend und haben eine optimale Grösse.
Welche Erwartungen haben Sie an das Turnier?
Es soll die meistbesuchte und meistgesehene Frauen-EM der Geschichte werden. Es geht aber nicht nur darum, Rekorde zu brechen. Ich glaube, wenn wir das Turnier komplett ausverkaufen können, wäre das ein starkes Zeichen.
Welchen Effekt kann das Turnier auf die Schweiz haben? Der Schweizerische Fussballverband (SFV) will die Anzahl der fussballspielenden Mädchen und Frauen bis 2028 verdoppeln. Ist das überhaupt realistisch?
Absolut. Ich finde es sehr realistisch, weil die letzten Turniere genau das gezeigt haben: Nach der EM 2022 in England ist die Zahl der Zuschauenden der englischen Women’s Super League um 170 Prozent gestiegen. Durch das Legacy-Projekt des Turniers konnten wir ungefähr 550’000 zusätzliche Plätze für Frauen und Mädchen schaffen, um im Fussball aktiv zu sein. Ich finde es wichtig, dass sich der SFV hohe Ziele steckt. Schliesslich soll eine EM auch einen nachhaltigen Effekt mit sich bringen.
Im Amateurfussball ist oft gar nicht das fehlende Interesse das Problem, sondern die begrenzte Infrastruktur. Viele Clubs haben zu wenig Trainingsmöglichkeiten.
Das ist eine Situation, die wir innerhalb von Europa nicht nur in der Schweiz vorfinden und derer sich die Uefa bewusst ist. Mit unserer neuen Strategie «Unstoppable» wollen wir bis 2030 1 Milliarde Euro aus Wettbewerbseinnahmen und Uefa-Investitionen in den Frauenfussball stecken und damit den Breitenfussball und Entwicklungsprojekte der Nationalverbände unterstützen. Das soll ein klares Signal sein.
Etwas mehr als zwei Jahre sind seit der EM 2022 in England vergangen. Wie hat sich der Frauenfussball in Europa in dieser Zeit weiterentwickelt?
Ich glaube, es gibt keinen anderen Frauensport, der eine solche Wachstumsrate und ein solches Potenzial aufweist. Die Mitgliederzahlen steigen überall, ständig werden Rekorde gebrochen. Und Turniere wie eine WM oder EM haben mittlerweile eine Reichweite, von der die meisten Männersportarten nur träumen können. Ich glaube, dass wir enorme Fortschritte gemacht haben und dass wir gerade in einer Phase sind, in der sich der Wirtschaftssektor Frauenfussball erhebt.
Nadine Kessler wird 1988 in Landstuhl (Rheinland-Pfalz) geboren. Als Spielerin läuft sie für Saarbrücken, Turbine Potsdam und Wolfsburg auf. Sie gewinnt insgesamt viermal den deutschen Meistertitel und dreimal die Champions League. 2013 wird die Stürmerin mit Deutschland Europameister, ein Jahr später folgt die Auszeichnung zur Weltfussballerin. 2016 beendet sie ihre Karriere aufgrund von Knieproblemen und ist seither als Uefa-Funktionärin tätig. Kessler ist verheiratet und derzeit in Erwartung ihres zweiten Kindes.
Nadine Kessler wird 1988 in Landstuhl (Rheinland-Pfalz) geboren. Als Spielerin läuft sie für Saarbrücken, Turbine Potsdam und Wolfsburg auf. Sie gewinnt insgesamt viermal den deutschen Meistertitel und dreimal die Champions League. 2013 wird die Stürmerin mit Deutschland Europameister, ein Jahr später folgt die Auszeichnung zur Weltfussballerin. 2016 beendet sie ihre Karriere aufgrund von Knieproblemen und ist seither als Uefa-Funktionärin tätig. Kessler ist verheiratet und derzeit in Erwartung ihres zweiten Kindes.
Ist ein solcher Boom nicht nur deshalb möglich, weil es bislang eine derart grosse Diskrepanz zwischen Männer- und Frauenfussball gab?
In anderen Sportarten wie Ski, Tennis oder Leichtathletik sind die Unterschiede viel geringer. Ich glaube, das Entwicklungspotenzial hängt mit vielen Faktoren zusammen. Aber natürlich kann der Frauenfussball von den Strukturen und den Subventionen des Männerfussballs extrem profitieren. In anderen Sportarten können sich der Männer- und der Frauenbereich gar nicht so unterstützen. Am Ende des Tages bleibt aber auch bei uns die grosse Herausforderung, finanziell unabhängig vom Männerfussball zu sein.
Immer wenn Einnahmen des Männerfussballs in den Frauenfussball gesteckt werden, gibt es auch kritische Stimmen. Oft wird dabei mit Angebot und Nachfrage argumentiert. Was erwidern Sie darauf?
Das ist ein Kernpunkt unserer Strategie. Für eine Frauen-EM oder auch für die Champions League versuchen wir schon jetzt, die Wettbewerbe finanziell nachhaltiger aufzustellen. Wir wollen schnellstmöglich dahin kommen, dass sich die grossen Wettbewerbe selbst finanzieren können. Dann haben wir mehr Geld für die Entwicklung innerhalb der nationalen Ligen. Wir müssen den Clubs in der Schweiz und in ganz Europa eine Perspektive bieten. Wer in den Fussball investiert, soll auch eine Chance sehen, dass sich sein Geld am Ende refinanziert.
Wo stehen wir in dieser Entwicklung? Ist die EM im nächsten Jahr schon so weit, dass sie sich selbst refinanziert?
Nein, die EM nächstes Jahr wird für die Uefa eine sehr grosse Investition bleiben. Das ist sie aber auch deswegen, weil wir die Preisgelder weiter erhöhen, weil wir weiter bessere Bedingungen für TV schaffen wollen und weil wir den Teams die gleichen Standards wie bei einer Männer-EM bieten wollen. Für uns zählt aktuell vor allem, dass es ein tolles Turnier wird und dass wir ausverkaufen. Das hat es bislang im Frauenbereich noch nie gegeben. Aber natürlich ist es in den nächsten Jahren auch ein Ziel, ein Turnier aufzustellen, das sich komplett refinanzieren kann.
Haben Sie da schon einen Zeithorizont im Kopf?
Nein. Aber für mich fühlt es sich nicht mehr weit an. Ein Grund sind die vielen Partner. Die EM 2025 wird das Uefa-Turnier mit den meisten Partnern der Geschichte. Dabei haben wir erst vor sieben Jahren die Sponsorenrechte vom Männerbereich abgetrennt.
Wenn wir schon beim Thema Geld sind: An der letzten EM der Männer erhielt jedes Team eine Antrittsprämie von 9,5 Millionen Euro. Für den Sieger schauten am Ende über 28 Millionen raus. Wie sieht die Verteilung der Uefa für die EM der Frauen 2025 aus?
Wir wollten in diesem Bereich ein Zeichen setzen und haben das Preisgeld im Vergleich zur EM 2022 um 156 Prozent erhöht. Von den 41 Millionen Euro, die das Uefa-Exekutivkomitee genehmigt hat, werden die Nationalverbände erstmals einen garantierten Prozentsatz an die Spielerinnen ausschütten. Dieser liegt im Bereich zwischen 30 und 40 Prozent. Noch sind wir natürlich nicht da, wo der Männerfussball ist. Aber das gilt für das gesamte Turnier, so ehrlich müssen wir sein.
Das gilt auch für das öffentliche Interesse. Die Männerfussball-EM 2024 haben 5,2 Milliarden TV-Zuschauerinnen und -Zuschauer verfolgt, bei den Frauen zwei Jahre davor waren es 365 Millionen.
Unser Ziel für die EM 2025 sind 500 Millionen Zuschauende und 900 Millionen digitale User. Ich glaube, wir werden da erneut einen riesigen Sprung machen. Die Fernsehverträge, die wir gerade abschliessen oder bereits abgeschlossen haben, stimmen mich sehr zuversichtlich.
Allerdings wäre man auch mit 500 Millionen TV-Zuschauern und -Zuschauerinnen immer noch weit weg vom Männerfussball.
Das ist richtig. Aber nehmen wir doch die 365 Millionen, welche die EM in England verfolgt haben. Das waren schon mehr als bei der Tour de France oder bei Wimbledon. Und mehr Publikum als bei den meisten Topligen der Männer. Die letzte Frauen-WM hatte rund eine Milliarde TV-Zuschauende. Wenn man sieht, welches Interesse solche Frauenturniere heute auslösen, ist das schon der absolute Hammer.
Lassen Sie uns noch kurz auf die Schweizer Liga blicken. Wo steht die Women’s Super League im Vergleich zu den anderen europäischen Ligen?
Die Schweizer Liga hat sich in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt. Aber natürlich muss auch in der Schweiz noch mehr Interesse für die Women’s Super League entstehen und weiter an professionellen Strukturen gearbeitet werden. In den letzten Jahren ist eine gute Basis gelegt worden. Jetzt muss sich die Liga überlegen, welche Ziele sie langfristig verfolgen möchte.
Ob man lieber eine Ausbildungsliga ist oder jedes Jahr ein Team in der Champions League stellen möchte?
Zum Beispiel. Ab der kommenden Saison wird es ja auch einen zweiten europäischen Wettbewerb geben. Dadurch erhalten mehrere Nationen einen dritten internationalen Startplatz.
Die gehen aber an die grossen Ligen wie England, Deutschland oder Spanien.
Ja, wir haben in Europa schon Profiligen, die etablierter und weiter sind als die Schweizer Liga. Aber mit kleinen Investitionen und vor allem dem Willen von allen kann im Frauenfussball noch jede Liga auch ganz nach oben kommen. In der Schweiz kommt die Vermarktung jetzt erst richtig ins Rollen, viele Gelder sind noch gar nicht aufgeteilt. Gerade für eine Liga wie die in der Schweiz sehe ich noch ganz viel Potenzial.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | Finnland | 0 | 0 | 0 | |
1 | Island | 0 | 0 | 0 | |
1 | Norwegen | 0 | 0 | 0 | |
1 | Schweiz | 0 | 0 | 0 |
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | Belgien | 0 | 0 | 0 | |
1 | Italien | 0 | 0 | 0 | |
1 | Portugal | 0 | 0 | 0 | |
1 | Spanien | 0 | 0 | 0 |
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | Dänemark | 0 | 0 | 0 | |
1 | Deutschland | 0 | 0 | 0 | |
1 | Polen | 0 | 0 | 0 | |
1 | Schweden | 0 | 0 | 0 |
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | England | 0 | 0 | 0 | |
1 | Frankreich | 0 | 0 | 0 | |
1 | Niederlande | 0 | 0 | 0 | |
1 | Wales | 0 | 0 | 0 |