Exklusiv-Interview mit dem neuen Fifa-Präsidenten Gianni Infantino
«Als Baby kämpfte ich um mein Leben»

Exklusiv im SonntagsBlick gibt Gianni Infantino (45) sein erstes Interview als Fifa-Präsident. Der Walliser verrät: Er wäre als Baby fast gestorben. Und denkt im grössten Triumph an seinen verstorbenen Vater.
Publiziert: 28.02.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 03:13 Uhr
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Im SonntagsBlick gibt Gianni Infantino (45) sein erstes Interview als Fifa-Präsident.
Foto: Toto Marti
Andreas Böni

Morgens halb zehn in Zürich. Gianni Infantino (45) frühstückt im Swissotel in Zürich-Oerlikon und kann es immer noch nicht fassen. «Ich kann irgendwie alles noch gar nicht glauben, es ist wie in einem Traum», sagt der Walliser zu SonntagsBlick.

Mit 115 Stimmen hat er im zweiten Wahlgang alle übertrumpft und ist jetzt als Fifa-Präsident der wohl mächtigste Mann der Schweiz. Auf einen Schlag ist er international berühmter als alle sieben Bundesräte zusammen.

Herr Infantino, herzliche Gratulation zur Wahl als Fifa-Präsident. Wie gefällt Ihnen die BLICK-Schlagzeile?
Gianni Infantino (45)
: Ohlala, jesses Gott. Sieht echt super aus. Aber es ist übrigens nicht das erste Mal, dass ich im BLICK auf der Titelseite bin. Das war schon am 28. März 1970 der Fall.

Wie bitte?
Ich bin am 23. März 1970 geboren worden und hatte ein gesundheitliches Problem. Mit meinem Blut war etwas nicht in Ordnung. Man musste bei der Geburt eine Bluttransfusion machen. Damals war das ein riesiges Problem, man musste mir aus England und dem damaligen Jugoslawien Blut beschaffen. Es wurde nach Zürich geflogen, von dort nach Brig transportiert.

Sie kämpften um ihr Leben?
Ja, ich kämpfte als Baby um mein Leben. Man hat es mir gerettet. Und es war das erste Mal, dass ich auf Seite 1 im BLICK kam. Allerdings nicht so gross wie heute... (lacht)

SonntagsBlick steigt ins Archiv, sucht die Ausgabe.  «Schnelle Piloten retteten Neugeborenem das Leben», lautet die Schlagzeile an jenem Samstag. Im Text steht: «Zwei Flugzeugbesatzungen der Swissair, ein Pilot der Rettungsflugwacht und zwei hilfreiche Menschen in Bristol (GB) und Belgrad (YU) retteten dem todgeweihten Baby Giovanni Vincenzo Infantino im Kreisspital von Brig das Leben.»

Baby Gianni gerettet: Ausriss aus dem BLICK vom 28. März 1970.

Zwei Monate vor der Geburt sucht Mama Maria Infantino erstmals den Arzt auf. Der Arzt entdeckt, dass etwas mit dem Blut nicht stimmt. Die Geburt des 3,150 Kilogramm schweren Babys wird zwölf Tage vor dem Termin eingeleitet.

Der Kampf mit dem Tod beginnt. Erst nach vier Tagen kann Giannis Blutgruppe festgestellt werden. Sie ist selten und wird dem Roten Kreuz gemeldet.

Antikörper hatten eine schwere Gelbsucht verursacht. Nur ein vollständiger Blutaustausch kann Gianni retten. Das Rote Kreuz findet zwei gerade mal zwei Menschen mit der gleichen Blutgruppe in ganz Europa (!) – beide helfen mit je einem halben Liter Blut.

Baby Gianni wird gerettet. Heute, 45 Jahre später, ist er Fifa-Präsident.

Wie war die erste Nacht als Fifa-Präsident?
Sehr kurz. Ich habe praktisch nicht geschlafen, nur ein paar Minuten vielleicht. Irgendwo ist alles noch zwischen Traum und Realität, ich habe es wahrscheinlich noch nicht ganz realisiert, was gerade passiert ist. Wir haben mit der Familie noch ein wenig gefeiert, ein Glas Rotwein getrunken. Aber ich bin voller Emotionen, aber auch Energie und Tatendrang.

Wie fühlten Sie sich am Wahltag? Voller Zweifel und Nervosität? Oder siegessicher?
Nein, nicht siegessicher. Ich war sehr ruhig, überraschend ruhig. Normal stresse ich mehr. Mit dem Gefühl, dass ich alles Menschenmögliche gemacht habe im Wahlkampf. Und dass ich den Tag geniessen will.

Wie war jener Moment, als Scheich Salman 88 Stimmen zugesprochen wurden und Sie realisierten: Jetzt bin ich Fifa-Präsident?
Uff, da kam alles hoch. Die Emotionen übermannten mich fast, meine Frau hat mich umarmt, es war ein unglaublicher Augenblick. Auch, dass meine 81-jährige Mutter das alles miterleben durfte, ist ein Geschenk und berührt mich tief.

Bei Ihrer ersten Rede als Fifa-Präsident haben Sie beinahe geweint. Waren Sie in Gedanken bei Ihrem verstorbenen Vater?
Auf jeden Fall. Er wäre stolz auf mich. Nein, er ist stolz auf mich. Ich bin immer noch nah bei den Tränen. Auch in diesem Augenblick jetzt gerade.

Wann haben Sie ihn verloren?
Vor 13 Jahren. Mein Vater ist gestorben, am anderen Tag kamen meine beiden Zwillings-Töchter auf die Welt. Er ist am Tag davor gestorben. Ich habe meinen Vater verloren und am anderen Tag plötzlich zwei Kinder gehabt. So richtig das pure Leben...

Wie alt sind Ihre Kinder?
Die ersten beiden wurden im Januar 13. Die anderen beiden sind 11 und 5.

Sie haben vier Töchter – und sind höchster Chef der Fussballer.
Die Zukunft des Fussballs gehört den Frauen.

Gut, das hören wir schon lange.
Das stimmt. Aber jetzt haben wir auch die Reformen, wonach mindestens sechs Frauen – mindestens eine pro Konföderation – in Zukunft im Fifa-Rat  sitzen werden. Die Förderung der Frauen im Fussball sowie des Frauenfussballs ist nun zudem in den Fifa-Statuten verankert. Und ich habe den familiären Druck zuhause... (lacht)

Spielen Ihre Töchter denn Fussball?
Nein, Handball.

Wo haben sie die Fifa-Wahl verfolgt?
Hier im Hotel, der ganze Fanclub. Die ganze Familie, von Mutter, Schwestern, Freunden und Kindern.

Wie sehen Ihre nächsten Tage aus?
Am Montag steigt wie angekündigt das Fussballspiel neben dem Fifa-Hauptgebäude. Denn der Fussball muss wieder im Zentrum stehen.

Welche Superstars spielen mit? Kommen Ihre Unterstützer Luis Figo und José Mourinho?
Ein paar kommen sicher. Mal schauen.

Sie spielen selber mit?
Ich weiss nicht, wir müssen schauen, dass der Fifa-Präsident der Fifa noch ein bisschen erhalten bleibt... (lacht)

Sie meinen wegen Ihrer beiden «linken Füsse», wie Sie sie einst nannten.
Nein, ich spiele schon einen Moment mit. Aber die letzten drei, vier Monate während des Wahlkampfes habe ich mich kaum noch bewegt.

Haben Sie zugenommen?
Nein, eigentlich nicht. Aber auch nicht abgenommen. Und vor allem sicher nicht fitter geworden.

Sie sind für Ihren Wahlkampf fünf Mal um die Welt geflogen. Wann steigen Sie wieder ins Flugzeug?
Ich weiss es noch gar nicht.

Die BILD-Zeitung titelt: «Wieviel Blatter steckt in Infantino?» Ihre Antwort?
Infantino ist Infantino. Blatter ist Blatter.

Bei den Reden fiel auf, dass Sie wie er viele Sprachen beherrschen.
Gut, aber da gibt es viele, die viele Sprachen sprechen. Gerade in der Schweiz, wo wir praktisch mehrsprachig aufwachsen können. Sepp Blatter hat eine Ära in der Fifa geprägt. Ich hoffe, dass ich eine andere Ära in der Fifa prägen werde.

Auch ohne Michel Platini im Hintergrund?
Auf jeden Fall. Ich bin mein eigener Mann. Sonst gewinnt man eine solche Wahl nicht. Aber ich habe zu Platini immer noch einen guten Draht. Ich komme grundsätzlich mit jedem gut aus.

Sie haben auch mit Sepp Blatter im Dezember einen Glühwein in Visp getrunken, erzählte er in einem Interview. Wars ein Zufall?
Ja. Gut, ich bin öfters im Wallis, da läuft man sich manchmal über den Weg. Aber nochmals, es gibt sehr wenige Leute, mit denen ich nicht klar komme.

Sonst wären Sie als Uefa-Mann wohl auch nicht wählbar gewesen für viele Verbände.
Das stimmt. Genau.

Sie haben 150 Präsidenten persönlich getroffen. Ohne die Reiserei wäre es mit Ihrer Reputation schwierig geworden, oder?
Ja, es wäre schwierig geworden. Ich bin glücklich, dass es nun so rausgekommen ist.

Gianni Infantino steht auf. Er fährt zurück in sein Zuhause in der Nähe des Genfersees. «Darf ich die Zeitungen mitnehmen?», fragt er. Er wird sie behalten, sie bekommen einen Platz in seiner ganz persönlichen Geschichte. Neben der BLICK-Ausgabe von 1970 mit dem Drama um ihn als Baby.

«Die Ausgabe habe ich bis heute behalten», sagt Infantino. «Sie sehen also: Mit dem BLICK habe ich eine wirklich lange Geschichte.»

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