Ex-Nati-Haudegen Gabet Chapuisat wird 70 Jahre alt
«Hitzfeld hatte Angst vor mir»

Er war das «enfant terrible» des Schweizer Fussballs. Heute wird Gabet Chapuisat 70 Jahre alt. Altersmilde hat den Papa von Ex-Nati-Star Stéphane nicht heimgesucht.
Publiziert: 05.04.2018 um 17:44 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 17:22 Uhr
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Gabet Chapuisat feiert seinen 70. Geburstag.
Foto: Jean-Guy Python
Michael Schifferle, Stefan Kreis (Text) und Jean-Guy Python (Fotos)

Im Cupfinal 1967 erzwingt er den Spielabbruch, weil sich seine Lausanner wegen eines Penaltypfiffs für den FC Basel betrogen fühlen. In einem anderen Cup-Match schiesst er absichtlich ein Eigentor, um ein Wiederholungsspiel zu provozieren. Und wenn ihn die Fans auspfiffen, streckt er ihnen den blanken Hintern entgegen. 

Pierre-Albert «Gabet» Chapuisat, ein gelernter Bauzeichner aus Lausanne, ist jedem Skandal gewogen.

70 Jahre alt wird er heute Donnerstag. Er plaudert bei Fisch, Rotwein und Marlboro Rot über sein Leben. Streitbar ist er bis heute. Ob als Teleclub-Experte oder als Reporter der Lokalzeitung «La Côte». «Wenn etwas scheisse ist, sage ich es auch.» Reue? Kennt er nicht.

Ein begnadeter Fussballer ist er, spielt für Lausanne, wo er 1976 rausfliegt, weil seine Mitspieler seine Tobsuchtsanfälle nicht mehr ertragen; einstimmig sprechen sie sich gegen ihn aus. Mit dem FCZ holt er den Cup, erreicht den Meistercup-Halbfinal gegen Liverpool. Kickt in Paris («für 800 Francs im Monat»), 34-mal in der Nati. Mal schafft ers in die Weltauswahl – mit dem Argentinier Mario Kempes und den Holländern Johan Neeskens und Ruud Krol. Gabet: «Ich war der Chef hinten.»

Chapuisat läuft 34 Mal für die Schweizer Nationalmannschaft auf.
Foto: RDB

Zweierlei bedauert er. «Ich habe zur falschen Zeit gespielt und darum zu wenig Geld verdient.» Und: «Ich hatte keinen guten Trainer.»

Auch nicht René Hüssy, unter dem Chapuisat in der Nati spielt – bis er in einer Sitzung das Maul aufreisst. «Die Nati bestand aus Baslern und Zürchern. Die FCB-Spieler verteidigten Mann gegen Mann, wir vom FCZ in der Zone. Ein Durcheinander! Ich sagte Hüssy: ‹Schaffen sie Ordnung, sonst gehe ich fischen.›» Gabet geht fischen.

Die heutige Nati? «Nicht schlecht. Aber nach der WM müssen Leute wie Lichtsteiner, Behrami oder Dzemaili aufhören.» Lichtsteiner? «Ja. Seine Zeit ist vorbei.»

Später trainiert Gabet vor allem in der Nationalliga B. Schlecht sind die sportlichen Ergebnisse selten – gehen muss er immer. In Bulle fliegt er, weil er in der Zeitung über den Präsidenten flucht. Der Titel der Story: «Die Dummheiten des Präsidenten.» Einen Tag nach Erscheinen des Artikels wird er entlassen. Bereut ers? «Natürlich nicht! Der war schlimmer als Constantin. Immer wollte er im Voraus wissen, wie ich aufstelle. Das nervt!»

Chapuisat stand beim FC Sion für fünf Spiele an der Seitenlinie.
Foto: Keystone

Neben Gabet sitzt seine zweite Frau Marianne (58). Seit 1990 sind sie ein Paar, seit 2013 verheiratet. 12 Enkel haben sie. Sie sagt: «Er stand den Präsidenten halt vor der Sonne.»

Mit Christian Constantin versteht er sich, obschon der ihn 2007 nach fünf Spielen auf seiner einzigen Super-League-Station in Sion rausschmeisst – auch, weil er einen Journalisten bedrohte. «CC hat nur ein Problem: Er glaubt, er könne und wisse alles. Peter Zeidler hätte er nie entlassen dürfen.» 

Ihm passiert das nicht nur in Bulle. Mit Renens steht er Anfang 90er in den NLB-Aufstiegsspielen gegen Monthey. Der gegnerische Trainer? Uwe Rapolder, später Trainer in Bielefeld und Köln. «90 Minuten hat mich Rapolder beleidigt. Wer wurde am Schluss gesperrt? Ich.»

Allerdings auch deshalb, weil Gabet nach einem Penaltypfiff für Monthey aufs Feld rennt, die Ausführung hinauszögert – und dann dem Ref das Weinglas seiner Frau Marianne nachwirft. Marianne: «Das einzige Mal, dass ich während eines Spiels etwas trank.» Chapuisat erhält drei Monate Berufsverbot.

In Winterthur wird er untragbar, weil er bei einem Spiel bei seinem Ex-Klub Locarno der gegnerischen Trainerbank den Mittelfinger zeigt. Gabet: «Stimmt nicht! Ich habe die Siegerfaust gemacht. Und gewinkt.» Marianne: «Genau, er hat gewinkt wie die englische Königin.» Sie muss selber lachen.

Gabet Chapuisat mit seiner Frau Marianne.
Foto: Jean-Guy Python

Zu tun hatte Gabet aber immer. Etwa als Berater von Sohn Stéphane (48). «80 Millionen wäre er heute wert. Wenn ich sehe, dass Breel Embolo mehr als 20 Millionen kostet.» Er handelt die ersten Verträge seines Sohnes aus und schlägt Dortmund-Manager Michael Meier 1991 vor, dass Stéphane eine Prämie von 100 000 Mark erhalte, wenn er in seiner ersten BVB-Saison 12 Tore schiesse. Meiers Antwort: «Ok, aber er muss 15 machen.» Chappi trifft schliesslich 23-mal.

Und als der BVB Stéphane nach einem Kreuzbandriss nur noch 70 Prozent des Gehalts zahlen will, genügt ein Anruf bei Trainer Hitzfeld. «Und schon warens 100 Prozent.» Gabet schmunzelt. «Ottmar hatte schon Angst vor mir, als wir in den 70ern gegeneinander spielten.» Immerhin, ein guter Stürmer sei der spätere Nati-Trainer gewesen.

Was Gabet noch vorhat? Er gibt weiter den Experten. Und er will eine Biografie schreiben. Einen Ghostwriter brauche er nicht. «Das kann ich selber!» Eine Abrechnung werde es nicht geben. «Aber ich muss schon schauen, dass genug Gift drin ist.» Es ist ihm zuzutrauen. 

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