Übrigens – die SonntagsBlick-Kolumne
Sir Stanley Matthews: Der Dribbler von Gottes Gnaden

England soll Europameister werden. Wegen Sir Stanley Matthews. Die Kolumne von Reporter Felix Bingesser.
Publiziert: 14.07.2024 um 17:04 Uhr
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Aktualisiert: 14.07.2024 um 17:27 Uhr
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Sir Stanley Matthews hat erst mit 50 aufgehört. «Ich hätte bis 52 weiterspielen sollen», gab er einst zu Protokoll.
Foto: imago sportfotodienst
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Felix BingesserReporter Sport

8. Juni 1996, Wembley-Stadion in London, Nabel der Fussballwelt. Die Schweiz trifft im Eröffnungsspiel auf England. «Football’s Coming Home» heisst der EM-Song. Es geht um die Sehnsucht nach einem weiteren Titel, um das Gefühl des Scheiterns und Verlierens. Jetzt soll, nach 1966, endlich wieder ein Titel her.

Alan Shearer bringt England in Führung, Kubilay Türkyilmaz gleicht kurz vor Schluss aus. Und einige Wochen später wird England wieder die Wunden lecken. Wie die Jahre vorher, wie die Jahre nachher. Der Titeltraum platzt. Einmal mehr.

Ein leicht humpelnder Mann mit Gehstock

Bei der Eröffnungszeremonie marschieren 1996 alle Legenden des englischen Fussballs ins Stadion. Angeführt von Bobby Charlton. Mit Gehstock und leicht humpelnd kommt ein hagerer kleiner Mann als Letzter über den Rasen. Sir Stanley Matthews, damals 81 Jahre alt.

Auf der Tribüne bei diesem Eröffnungsspiel entsteht beim damaligen Reporter der «Aargauer Zeitung» die verwegene Idee, einen Interviewtermin mit dieser Legende des Weltfussballs zu vereinbaren.

Und tatsächlich, drei Tage später habe ich Matthews am Telefon. Und der freundliche Senior lädt mich ein, zu ihm nach Stoke-on-Trent zu kommen.

Matthews ist eine Legende. Einer der besten Dribbler der englischen Fussballgeschichte, ein Flügelspieler von Gottes Gnaden. Selbst der Premierminister Winston Churchill, der sonst mit Fussball wenig am Hut hatte, war begeistert, als er Matthews erstmals spielen sah. «Ich habe einen Zauberer umarmt», sagte er.

Zum Ritter geschlagen

Von Königin Elisabeth wird Matthews als erster Fussballer zum Ritter geschlagen. Er wird der erste Spieler des Jahres in England und zum ersten Fussballer Europas gewählt. Er erhält den goldenen Orden der Fifa.

Auf der Fahrt nach Stoke überlege ich, wie ich ihn ansprechen soll. «Sir Stanley Matthews»? Oder «Sir Matthews»? Oder nur «Mister Matthews»? Es wird ein wunderbarer Nachmittag. Matthews erzählt bei einem Tee seine Lebensgeschichte. Dass er in den Krieg ziehen musste und so die besten Jahre der Karriere verpasst hat. Er führt mich ins Stadion von Stoke und zu seinem Denkmal, bei dem die Fans bei kaltem Wetter noch heute einen Schal um die Statue legen.

Keine Verwarnung, kein Platzverweis

Er schimpft über Paul Gascoigne, den Bad Boy und gleichzeitig der Hoffnungsträger des englischen Fussballs. «Gascoigne ist kein Vorbild für die englische Jugend. Wenn zu meiner Zeit ein englischer Nationalspieler vom Platz gestellt wurde, ist er danach nie mehr für das Nationalteam aufgeboten worden», sagt er. Matthews hat in seiner Karriere nie eine Gelbe oder Rote Karte erhalten.

Auf die Frage, was er anders machen würde, sagt Matthews damals: «Ich würde nicht mehr mit 50 Jahren aufhören. Ich hätte bis 52 weiterspielen sollen.» Matthews, der nur bei Stoke und beim FC Blackpool gespielt hat, hat mit 42 Jahren sein letztes Länderspiel gemacht. Und mit 50 Jahren sein letztes Spiel als Profi bei Stoke.

Wie war das möglich? «Ich bin jeden Tag zu Fuss die acht Meilen ins Stadion gerannt. Und ich war nie verletzt. Ein Kreuzbandriss hat damals das Karriereende bedeutet», sagt der Sohn eines Coiffeurs und damals stadtbekannten Amateurboxers.

Eine Inspiration

Die Begegnung mit Sir Stanley Matthews war eine Inspiration. Nicht zuletzt darum hoffe ich, dass der Fussball heute heimkehrt. Und England Europameister wird. Das Mutterland des Fussballs würde zum Meer der Freudentränen. Und würde auch Matthews, der im Jahr 2000 gestorben ist, ein Lächeln entlocken.

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